Forstbetrieb: "Geschwindigkeit des Klimawandels hat uns doch überrascht"

2.10.2020, 12:57 Uhr
Forstbetrieb:

© Foto: Jürgen Leykamm

"Das hier ist unsere Idealvorstellung von Totholz", sagt Tobias Ringel beim Pressetermin in einer Staatswaldfläche bei Brunnau. Seine Mission im Namen der Bayerischen Staatsforsten: die Forsteinrichtung des Forstbetrieb Allersberg, dessen Reviere von Hersbruck im Norden bis Hilpoltstein im Süden und von Mitteleschenbach im Westen bis Neumarkt im Osten reichen. Und dabei hat der Diplomforstwirt ein besonders Auge auf Biotop-Bäume.

Wie eben diese über 200 Jahre alte Eiche, die altersbedingt in sich zusammengefallen ist. Ein benachbarter, nur etwas jüngerer Eichenriese hat diesen Niedergang noch vor sich. Auch er zählt als Biotopbaum, der unzähligen Tierarten Lebensraum bietet: von der roten Waldameise bis zum Buntspecht.

"Viel lebensreicher, als sich vermuten lässt"

Für bunte Farbtupfer sorgt in einigen Metern Abstand die Vogelbeere. "Auch die wollen wir hier haben", ist der Forsteinrichter zufrieden. "Dieser Bereich ist hier viel lebensreicher, als sich vermuten lässt", erläutert er. Doch es gibt auch die ebenso seltenen wie "armen Standorte", die gleichfalls erhalten werden sollen.

Wie vor allem die Flechten-Kiefernwälder, wo sich zwischen den arg ausgedünnten Baumreihen die Cladonia tummelt – die Rentier-Flechte. Sie fühlt sich da wohl, wo vor zehntausenden Jahren einmal Düne gewesen ist. Das Gewächs ist vor allem den Modelleisenbahnern gut bekannt: Es ziert als vermeintlicher Strauch etliche Anlagen.

Bei Brunnau gab es einst eine riesige Flechteninsel, die aber über die Jahrzehnte immer weiter zusammengeschrumpft ist. Das ist nur eine Erkenntnis der alle zehn Jahre stattfindenden Forsteinrichtung, die den Wald nachhaltig fit für die Zukunft machen soll.

Zwei Jahre dauert eine solche Prozedur. Derzeit ist der Forstbetrieb Allersberg mittendrin: Den Startschuss bildete die letztjährige Waldinventur. Dessen Ergebnisse gilt es im kommenden Winter mit denen des Waldbegangs abzugleichen, für den Ringel mit seinem Team zuständig ist. Pro Person kommen da bis zu 1500 gelaufene Kilometer im Jahr zusammen.

Selbst die Buche kriegt Probleme

Die Arbeit birgt auch für ihn noch einige Überraschungen. "Bislang hat man die Buchen immer für unfehlbar gehalten", gesteht er ein. Doch die teils extrem trockenen Sommer der vergangenen Jahre hätten gezeigt, "dass auch diese Baumart Probleme bei uns bekommt".

Solche Selbstreflexion gehört dazu: "Wir suchen keine Fehler – wir wollen immer besser werden." Deswegen bekommen die Forstbetriebe, wenn die Ergebnisse der Forsteinrichtung vorliegen, zwar sehr wohl "Hausaufgaben", so Ringel, "aber keine heißen Ohren!" Wie ist der Wildverbiss? Wie intensiv die Holznutzung?

Wie das Wachstum der verschiedenen Baumarten? Das sind unter anderem die Fragestellungen der Waldbegänge. Die Antworten fließen in ein Grundlagenskript ein, aufgrund dessen dann Ziele formuliert werden. Das hat in den vergangenen Jahrzehnten sehr gut funktioniert.

Laubholzanteil hat zugenommen

In 20 Jahren etwa hat der Laubholzanteil im Forstbetrieb immerhin um neun Prozent zugenommen. Und die Dominanz der Kiefer wurde gebrochen, ihr Vorkommen ist unter die 50-Prozent-Marke gesunken. "Es läuft in die richtige Richtung!" Ist auch der Allersberger Forstbetriebsleiter Harald Schiller recht zufrieden.

"Mischbestände erzeugen" lautet die Strategie. Auf dem Weg dahin heißt es beispielsweise junge Buchen in die Nadelholzbestände zu pflanzen. Oder sich zu überlegen, wo Exoten wie die Esskastanie oder seltene heimische Arten wie der Speierling oder die Elsbeere gut hinpassen. All dies im Wettlauf mit der Zeit: "Die Geschwindigkeit des Klimawandels hat uns doch überrascht", wie auch die Experten eingestehen.

 

 

 

"Von der Hand in den Mund"

In den 1980er Jahren war er bei den Forsteinrichtungen noch nicht einmal ein Thema, so Schiller. "Damals galt es, die Wälder gegen Stürme zu wappnen und stabil gegenüber dem Borkenkäfer zu halten." Daran hat sich nichts geändert – die Zielsetzung nur ergänzt, damit der Wald mit den Änderungen der klimatischen Bedingungen mithalten kann. Gerade hat sich der Forst aufgrund der Regenfälle etwas erholt. Doch das Wasserreservoir im Boden wird von den Bäumen gleich wieder angezapft. "Sie leben von der Hand im Mund", so Ringel.

Auch dies gilt es beim Einrichten des Forstes zu berücksichtigen. Und es heißt immer wieder korrigierend einzugreifen. Da werden auch mal Eichenbestände von nachwachsenden Buchen befreit oder natürliche Kiefernbestände geschützt. Nicht immer also gilt es Laub- und Nadelbäume gegeneinander auszuspielen. Wenn etwa ein Trimm-Dich-Pfad durch einen Bereich führt, "tritt der Nutzungsgedanke dort völlig zurück", so Ringel.

Für ihn heißt es nun weiter Infos aus verschiedenen Quellen zu sammeln. Naturschutzverbände und Vermessungsamt sind da wichtige Ansprechpartner. Im Winter macht er sich daran, alle Ergebnisse zusammenzufassen – und zwar in Buchform. "Das können schon bis zu 130 Seiten werden", so der Fachmann.

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