Fröhliches Freiluft-Vergnügen und Herbst-Melancholie

17.8.2014, 16:36 Uhr
Fröhliches Freiluft-Vergnügen und Herbst-Melancholie

© Hans von Draminski

Wer die Heroen seiner Jugend hören will, darf nicht zimperlich sein. Angesichts herbstlicher Witterung waren die „Lieder am See“ am vergangenen Samstag kein so unbeschwertes Vergnügen wie in den Vorjahren. Dennoch haben die – klar den Löwenanteil der Festivalgäste stellenden – Rockfans zwischen 40 und 60 am Ufer des Brombachsees viel Spaß mit gut abgehangenen Rock-Acts aus jener Zeit, als Musik noch etwas raubeiniger, erdiger und ehrlicher daherkommen durfte und niemand Charthits aus der Retorte produzierte.

Gleichwohl schaffte es der knorrige deutsche Barde Wolf Maahn, der die „Lieder am See“ mit einem dicken Bündel Balladen eröffnen darf, in seiner über 40-jährigen Musikerkarriere mehr als einmal aufs Top-Ten-Treppchen. Dennoch ist Maahn angenehm bodenständig geblieben und singt seine mal wehmütigen, mal sozialkritischen Songs in Enderndorf mit hörbar mehr Herzblut, als er es wohl „Irgendwo in Deutschland“ (der Titel des Singlehits, mit dem Maahn die „Lieder am See“ eröffnet) täte.

Die besondere Atmosphäre des Open-Air-Vergnügens am Seeufer beflügelt auch die alten Kämpen der schottischen Hardrock-Combo „Nazareth“, die nach dem krankheitsbedingten Ausscheiden des langjährigen Frontmannes Dan McCafferty 2013 nun mit dem im Februar dieses Jahres vorgestellten Linton Osborne auf Tour sind. Osborne kann man zwar mit McCafferty nicht vergleichen, zudem klingt er zumindest in der Tenorlage derzeit noch mehr nach „AC/DC“ denn nach „Nazareth“ — in Sachen Bühnenpräsenz wirkt der Youngster aber schon sehr „erwachsen“ und dürfte mittelfristig in die zugegeben großen Schuhe seines Vorgängers hineinwachsen.

Petrus schickt dem Festivalpublikum zwar sporadische Regenschauer, ist aber nicht völlig uneinsichtig, denn das ganz miese, nur sporadisch auftretende Regenwetter beschränkt sich meist auf die ausgedehnten Umbaupausen, in denen die Coverband „Human Touch“ melodiöse Stücke aus dem großen Songbook des internationalen Pop in angenehm unverkrampfter Manier serviert.

So rücken die Menschen unter ihren bunten Schirmen zusammen, lauschen unsterblichen Klassikern aus der Feder großer Sänger und Songschreiber und trotzen den niedrigen Temperaturen, den gelegentlichen Starkwindböen — durch die draußen auf dem See sogar ein Segelboot kentert, dessen Insassen von der DLRG aus dem Wasser gezogen werden müssen.

Schirm-Meer vor der Bühne

Die sehr besinnliche Grundstimmung dürften „John Lees’ Barclay James Harvest“ freilich von zuhause mitgebracht haben. Nach einem Blick auf das Schirm-Meer vor der Bühne ruft Bassist Craig Fletcher den beschirmten Fans grinsend zu: „Das ist ja wie zuhause in England“. 1998 entzweite sich die Band, seitdem gehen John Lees und sein Widerpart Les Holroyd getrennte Wege. Les Holroyd hat allerdings klar die fetzigere Band unter seiner Fuchtel, während John Lees & Co. am Brombachsee eher in gepflegter Schwermut schwelgen, äußerst gemessenen Schrittes neue Melancholie-Gipfel erklimmen und sich eher schmusig als rockig geben. Als Kuschelmusik taugt dieser Stoff ohne Frage gut.

Als Headliner und Höhepunkt darf an diesem Apriltag im August der Soundtüftler und Bombast-Popkomponist Alan Parsons mit seinem „Live Project“ zur Audienz bitten. Seine ersten Meriten verdiente sich der charismatische Brite als Assistenz-Toningenieur bei den Aufnahmen für die letzten Beatles-Alben Abbey Road und Let It Be. Später sorgte Parsons bei den Kunstrockern von Pink Floyd für guten Klang und verantwortete im Jahr 1973 auch den Konzeptalbum-Meilenstein „The Dark Side Of The Moon“, ehe er sich selbstständig machte und konsequent eigene Alben herausbrachte.

Da wundert es nicht, dass Parsons und seine Mitstreiter, allen voran der quirlige Leadsänger P. J. Olsson, das bestklingende Konzert des kleinen Festivals im Strandbad abliefern; der Sound ist voll, satt, dabei durchwegs transparent und daher Song-Ikonen wie „Sirius“ oder „Eye in the Sky“ mehr als angemessen. Altmeister Parsons greift nicht nur wie erwartet in die Tasten diverser Keyboards, sondern auch in die Saiten der E-Gitarre. Und er singt sogar, was mancher Artrock-Miniatur einen unwirklichen Charakter verleiht. Großes Kino.

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