Gedenken an Auschwitz: Keine Antwort auf das "Warum?"

30.1.2020, 15:01 Uhr
Dekan Ottenwälder, Pfarrerin Meinhard und Michael Petery (rechts des Dirigenten) gingen aus theologischer und historischer Sicht auf die deutsche Geschichte ein, auf den Holocaust und auf die Aufgaben, die sich darauf für Gegenwart und Zukunft ergeben.

© Foto: Irene Heckel Dekan Ottenwälder, Pfarrerin Meinhard und Michael Petery (rechts des Dirigenten) gingen aus theologischer und historischer Sicht auf die deutsche Geschichte ein, auf den Holocaust und auf die Aufgaben, die sich darauf für Gegenwart und Zukunft ergeben.

Bürgermeister Ben Schwarz wünschte sich in seinem Grußwort "viel Mut und Weisheit von den Menschen" und bedauerte es, dass auch diese Veranstaltung vor der ehemaligen Synagoge nicht ohne die Präsenz der Polizei stattfinden konnte. Dekan Ottenwälder von der katholischen Kirchengemeinde St. Wunibald stellte in der gemeinsamen Andacht mit Pfarrerin Meinhard die Frage, wo Gott in dieser Zeit des organisierten Völkermordes gewesen sei.

Ergreifender Moment

Er habe keine Worte gefunden für die Präzision der Vernichtung und die schreckliche Bestialität der Täter: "Das Kreuz war erneut aufgerichtet. Es gibt Ereignisse, wo jedes Wort zu viel ist. Viele Menschen wollen wissen, ob es überhaupt eine Theologie nach Auschwitz geben kann. Aber es gab noch Glaube, Liebe, Hoffnung, und deshalb darf ich nicht schweigen, sondern predigen. Zum Guten gibt es keine Alternative ."

Michael Petery, Gast aus Hildburghausen, fasste zusammen: "Wenn wir uns an den Holocaust erinnern, müssen wir es aushalten, keine Erklärung abgeben zu können. Für die sechs Millionen Toten des Holocaust lässt sich nicht rückwirkend Sinn finden." Er sorgte für den ergreifendsten Moment der Andacht, als er das Kaddisch und das Schma Jisrael sprach. Die Synagoge ist geblieben als Zeugin für die fast vier Jahrhunderte bestehende jüdische Gemeinde, die 1938 mit der Vertreibung der letzten Familien ihr trauriges Ende fand.


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Beim anschließenden Vortrag im katholischen Pfarrsaal stellte der Psychotherapeut und ehemalige Vorstand der Münchner jüdischen Gemeinde Bet Shalom die Frage nach dem "Warum?" dieses unfassbaren Kapitels der deutschen Geschichte. Eine Antwort konnte er nicht geben und betonte: "Judentum ist nicht die Religion des Holocaust. Wir Juden stehen genauso ratlos vor der Geschichte, ebenso unfähig, hier Sinn oder Erklärung zu finden, wie alle anderen Menschen auch. Opfer zu sein, ist auch keine spezifisch jüdische Eigenschaft. Erklären können wir nichts; aber wir können uns gemeinsam erinnern und dafür sorgen, dass diese gemeinsame Erinnerung erhalten bleibt als die gemeinsame Ehrung der vielen Millionen getöteter und entrechteter Menschen und als die gemeinsam erfahrene Geschichte, welche die Grundlage bildet für eine gemeinsame Gegenwart."

Die Erinnerung an den Holocaust führe Menschen zusammen - in Georgensgmünd und vielen anderen Orten, die ein gemeinsames Interesse, eine gemeinsame Geschichte und eine gemeinsame Verantwortung verbindet. Es sei großartig, dass "wir heute miteinander hier stehen können", so Petery. Es sei "großartig zu wissen, dass "uns Freundschaften und Kontakte verbinden mit den Kindern und Kindeskindern der Überlebenden in aller Welt". Die Kontakte zu pflegen sei eine wichtige Aufgabe und Herausforderung für die Zukunft. Falsch verstandene Scham, die dazu führe, den Holocaust vergessen oder verdrängen zu wollen, sei nicht angebracht. "Denn zu schämen haben sich nur die Täter und die, die sich heute noch mit ihnen solidarisieren."

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