Gefangen zwischen Mensch und Tier

2.6.2019, 08:27 Uhr
Gefangen zwischen Mensch und Tier

© Irene Heckel

Das Solo-Stück "Ein Bericht für eine Akademie" von Franz Kafka, das 1917 veröffentlicht wurde, steht auf dem Programm des Georgensgmünder Kulturtreffs und damit erstmals ein Schauspiel. Das Kulturamt der Gemeinde hat Mut bewiesen und den Zuschauern ein besonderes Erlebnis beschert. Shoshana Sauerbier-Tietz schickte eine kurze, fundierte Einführung voraus. Bürgermeister Ben Schwarz bezeichnete das Stück als Geschenk für das Publikum. Es hat dem Schauspieler den Kulturpreis der Stadt Gelsenkirchen eingebracht.

Formvollendet spricht er seine Zuhörer an. "Hohe Herren von der Akademie, Sie erweisen mir die Ehre, aber einen Bericht einreichen über mein äffisches Vorleben, das kann ich leider nicht." Vom Affendasein trennen ihn fünf Jahre, in denen er sich im engen Käfig quälte, Schmerzen von den Gitterstäben im Rücken litt und mit größter Willensanstrengung lernte. Beim Einfangen hatten ihn zwei Schüsse getroffen, von denen ein leichtes Hinken, eine Narbe und der Name Rotpeter blieben.

Seine Sprache ist sehr deutlich, akzentuiert, denn "Ich habe Angst, dass man mich nicht versteht". Schon beim Transport sehnte er sich nach der Freiheit, sie sei das erhabenste Gefühl. Aber es war die Ruhe, die ihm die rauen, aber "guten Menschen" vom Schiff vorführten und mit deren Hilfe er vieles lernte.

Dabei verlockte es ihn nicht, die Menschen nachzuahmen; vielmehr suchte er einen Ausweg aus seiner Verzweiflung. Er sah seine Zukunft im Zoo oder Varieté, entschied sich für Letzteres und beobachtete seine Umgebung. Er lernte Pfeife rauchen — widerlich! Schnaps trinken — er schüttelt sich, entkorkt aber zur Demonstration eine Flasche und hebt sie zitternd an den Mund. Danach, so haben es ihm die Menschen vorgemacht, muss man sich zufrieden über den Bauch streichen! Das Lernen kann ihm nicht schnell genug gehen, sodass er fünf Lehrer gleichzeitig beschäftigt.

Rotpeter trägt Frack und elegante Schuhe. Der Affe scheint ein gemachter Mann. Die Hände stecken in den Hosentaschen, sein Impressario wartet im Vorzimmer und kommt auf Zuruf. Abends bringen ihm die Vorstellungen zunehmend Erfolg und zu Hause wartet nach der Aufführung eine kleine Schimpansin auf ihn.

Aber der Blick in sein Leben und seine Gefühle machen trotz aller Erfolge betroffen, lassen das Publikum zerrissen zurück zwischen der Anerkennung für die enorme Leistung und seinem wahren Ich. Den Menschen wird er nie erreichen und den Affen kann Rotpeter nie ganz ablegen: Die gebeugte Haltung, hängende Arme, schräger Blick von unten nach oben, barfüßig. Und schließlich reißt er sein blütenweißes Hemd auf mit einem einzigen Griff, dass die Knöpfe herumspringen, halt doch nach Affenart.

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