Gegen die Mauern in den Köpfen

11.11.2019, 05:39 Uhr
Gegen die Mauern in den Köpfen

© Foto: Yevheniia Frömter

Dabei ging SPD-Kreisvorsitzender Sven Ehrhardt mit der AfD hart ins Gericht: "Diese Partei darf bei unseren kommunalen Wahlen keinen Fuß auf den Boden bekommen."

Über den 9. November stolpert man in der deutschen Geschichtsschreibung immer wieder, erklärte Ehrhardt. 1918, als erstmals die Demokratie auf deutschem Boden ausgerufen wurde oder der missglückte Hitler-Putsch fünf Jahre später – dieses Datum sei ein "markanter Wegstein für uns Deutsche". Ein Datum, das "schwer wie ein Stein in der deutschen Geschichte liegt", sei der 9. November 1938: "Hier kam der letzte Stein für den Auftakt des Holocaust ins Rollen", erinnerte Ehrhardt.

Über sechs Millionen Juden verloren bis 1945 ihr Leben: "Würde für jedes dieser Leben ein zehn Zentimeter langer Stolperstein aneinander gereiht werden, ergäbe dies eine Strecke von 560 Kilometern".

Darüber hinaus erinnerte der SPD-Politiker, dass 1989 zwar die Steine der deutsch-deutschen Grenzmauer fielen, doch hätten sich neue Mauern in den Köpfen der Menschen aufgetan. "Vor uns liegt noch ein steiniger Weg." Es gebe in Deutschland immer mehr Menschen, die nicht bereit seien, über ihren Tellerrand blicken zu wollen. Angst vor Fremdem ziehe neue Mauern quer durch das ganze Land. Dabei verbreite sich "Missgunst, Misstrauen und Hass" immer weiter – nicht zuletzt durch das Wirken der AfD.

Aus dem Bezirkstag wisse er Bescheid, wie seine "rechtsradikalen Kollegen" arbeiten würden: "Es tut weh, wenn eine Partei die Frage stellt, wie viel Prozent der Behinderten durch Inzucht geboren wurden". Er animierte deshalb, aktiv an Wahlen teilzunehmen, um der AfD bereits auf kommunaler Ebene Steine in den Weg zu legen. "Wir dürfen nicht mit Rechtspopulisten zusammenarbeiten." Es sei einfach schon zu viel passiert. Das Land dürfe sich nicht in eine "nationalsozialistische Steinzeit" zurückentwickeln. Eine Menschenkette sei der erste Weg, den Nazis den Weg zu versperren: "Wir müssen die Mauern der Rechten zerstören."

Landrat Herbert Eckstein bilanzierte, dass die Anschläge in Deutschland immer mehr würden. Schärfere Gesetze, mehr Polizeipräsenz und Aufklärung an den Schulen seien das Resultat: "Was ist in Deutschland passiert? Ein Teil der Gesellschaft verwahrlost." Eckstein mahnte: "Wenn sich nichts tut, gibt es kein Entrinnen aus der Gewaltspirale." Es dürfe auf keinen Fall gewartet werden, bis wieder etwas passiert. "Die Spielregeln in Staat und Gesellschaft müssen unbedingt eingehalten werden", forderte der Landrat.

"In unserem Land läuft etwas falsch", ist auch Bürgermeister Ralph Edelhäußer sicher. Seiner Ansicht nach habe man viel zu lange ein Auge zugedrückt und geschlafen. "Wir brauchen mehr Menschen die Nein sagen. Keiner kann wollen, was in Deutschland bereits geschehen ist."

Der evangelische Stadtpfarrer Joachim Klenk schlug in dieselbe Kerbe: "Wer Hass sät und Menschen ausgrenzt, steht nicht mehr auf christlichem Boden." Die Kirche müsse damit leben, dass sich auch Martin Luther gegenüber Juden und Behinderten negativ geäußert habe: Es sei erschreckend und beschämend, dass rechtsradikale Parteien ausgerechnet diese Passagen für politische Zwecke verwenden. "Ich bin aber froh, dass ich in einer Stadt leben darf, in der es keine Rolle spielt, wer von wo kommt."

 

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