Hilpoltstein: Flaggen mit rechtem Gesinnungshintergrund

8.9.2020, 06:00 Uhr

Es waren nicht etwa Nachbarn aus dem Wohnort des Angeklagten. Es waren Fans des Herbert K., die "aus Fürth, der Fränkischen Schweiz und aus ganz Mittelfranken" angereist sind, wie eine Zuhörerin dem Berichterstatter dieser Zeitung bereitwillig erklärte. K. wurde zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 30 Euro verurteilt. Das konnten auch Verteidiger Frank Micksch (Nürnberg) und Anwalt Harald Vogler (Erlangen) nicht verhindern. Erstgenannter gilt als "Szene-Anwalt des rechten Spektrums" (Quelle FürthWiki).

Wenn man nichts Unrechtes getan hat, warum dann einen Anwalt, der ehemals Aktivist der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationale" war und laut FürthWiki so genannte "Nationale Rechtsschulungen" abhält? – Micksch und sein Kollege Vogler gaben eine ausführliche Einführung in Flaggenkunde. Was erlaubt sei und was nicht. Und was den Einspruch gegen einen Strafbefehl über 5400 Euro rechtfertige. Sogar eine Broschüre des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde bemüht, um zu beweisen, dass die Flaggen, die K. gehisst hatte, nicht zu beanstanden seien.

Die Erläuterungen freilich überzeugten weder Staatsanwalt Dr. Daniel Hader, noch Richter Michael Schlögl.

Doch zur Anklage: Dr. Hader warf nach umfangreichen Ermittlungen seiner Behörde dem Monteur vor, am 20. Februar dieses Jahres zwei Flaggen nebeneinander gehisst zu haben, die in dieser Kombination nicht erlaubt seien. "Auf der einen Flagge war die Reichskriegsflagge zu sehen. Auf der anderen die auf den Kopf gestellte Deutschland-Flagge mit einer Lebensrune", so Dr. Hader. Es sei dem Angeklagten bewusst gewesen, "dass es sich bei der Lebensrune um ein Kennzeichen der ehemaligen NSDAP handelte", meinte der Staatsanwalt. Und der Angeschuldigte habe billigend in Kauf genommen, dass "durch die daneben befindliche Reichskriegsflagge unbefangene Außenstehende die Lebensrune als Kennzeichen der ehemaligen NSDAP verbanden".

"Die Lebensrune zu zeigen, ist nicht strafbar", meinte dagegen Verteidiger Miksch. Und Vogler verwies auf ein Verfahren gegen seinen Mandanten in Berlin aus dem Jahr 2018, das eingestellt wurde. Bei einer Demonstration hatte K. eine der in seinem Garten aufgezogenen Fahnen mitgeführt, die er nach einer vorläufigen Beschlagnahmung zurückbekam. Auch beim Sturm auf den Reichstag vor einigen Tagen seien Flaggen mit Lebensrunen und Flaggen mit dem Eisernen Kreuz aus dem Kaiserreich gezeigt und nicht beanstandet worden.

Die Lebensrunen seien nicht mit der NSDAP in Verbindung zu bringen, betonte Anwalt Micksch, sie seien lediglich mit dem Sanitätscorps der SA (paramilitärische Organisation der NSDAP – Anmerkung der Redaktion) in Verbindung zu bringen und stünden unter anderem für Leben, Schutz des Lebens und Gesundheitspflege. Sie seien auch heute noch auf Grabsteinen oder vor manchen Apotheken im Land, unter anderem in der Gartenstadt in Nürnberg, zu sehen.

Also alles kein Problem? Staatsanwalt Hader sah das sehr wohl anders. Denn die Kombination an Fahnen, die der 55-Jährige in seinem Garten präsentiert habe, lasse sehr wohl den Schluss auf die Gesinnung des Angeschuldigten zu.

Da nützte es auch nichts, dass die Verteidiger feststellten, ihrem Mandanten sei nicht bewusst gewesen, was er an Fahnen aufgezogen habe. Staatsanwalt Dr. Hader sah einen klaren Verstoß gegen das Gesetz. "Jeder unbedarfte Dritte, der diese Kombination der Flaggen sieht, stellt einen Zusammenhang zum Dritten Reich her", sagte er und beantragte 100 Tagessätze zu 50 Euro, also 5000 Euro Geldstrafe.

Auch Richter Michael Schlögl war überzeugt, dass die Kombination der gezeigten Flaggen strafbar ist. Er verurteilte den 55-Jährigen aufgrund seiner angegebenen Einkommensverhältnisse zu 3000 Euro Geldstrafe. "Sie haben sehr wohl gewusst, was Sie tun", so der Richter.

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