Hinsehen statt Wegschauen

2.2.2010, 00:00 Uhr
Hinsehen statt Wegschauen

© Claudia Weinig

Im Mittelpunkt steht ein (fiktiver) Fall: Über Jahre hinweg wird der 17-jährige Schüler Alex von seinen Mitschülern ausgenützt, gedemütigt, ausgegrenzt. Um doch noch «einer von ihnen« zu werden, schlägt er in einer «Mutprobe« einen wehrlosen Mann nieder; doch ein Altersgenosse filmt das Ganze mit dem Handy - und schon weiß die ganze Schule Bescheid. Auch die Lehrer.

Alex flüchtet, dringt schließlich bewaffnet in die Schule ein, um seine Mittäter dazu zu bringen, die wahre Geschichte und deren Hintergründe zu erzählen. Sein Vorhaben misslingt. Er will sich das Leben nehmen. Das ist der einzige Ausweg, den er noch sieht. Doch warum das Ganze?

Eine Antwort darauf kann und will «Radiks« nicht geben. «Und dann kam Alex« aus der Feder von Karl Koch will, dass die Diskussion erst dann beginnt, wenn das Stück eigentlich zu Ende ist. Tatsächlich ist das Berliner Gastspiel für die Achtklässler der Hilpoltsteiner Realschüler mehr als nur ein «Pausenfüller«.

Es ist «super gespielt, ein tolles Stück, das unter die Haut geht«. Das schreibt Katrin Hausner, Lehrerin an der Realschule und Mitinitiatorin der Theateraufführung den beiden Schauspielern Alexander Matakas und Elisa Hofmann ins Gästebuch. Die eigentliche Auseinandersetzung mit dem, was Alex auf der Bühne wiederfährt, beginnt nun in den Klassen.

Der Regisseur und Stückautor Koch, zugleich Mentor für Theaterpädagogik in Sachsen-Anhalt, will sein Publikum nicht alleine lassen, hat speziell zu «Und dann kam Alex« ein Begleithandbuch entwickelt.

Naja, etwas krass sei das Ganze schon, was da gezeigt werde, meinen ein paar Achtklässer als sie ebenfalls das Gästebuch signieren wollen. So schlimm gehe es an ihrer Schule nun nicht zu.

Das sieht auch Walter Stromsky, Rektor der Realschule so. «Aber wir sind auch keine Idylle, was Gewalt und Mobbing angeht«, gesteht er gerne ein. Darum gebe es beispielsweise das Schülerforum der «Streitschlichter«; darum seien mit Katrin Hausner und Tanja Sixt auch zwei Lehrerinnen der Realschule ganz speziell darin ausgebildet, bei Konfliktsituationen in Klassen eine Art Mediatoren-Rolle einzunehmen. Doch wollen sie auch dafür sorgen, dass Gewalt und Ausgrenzung (Mobbing) erst gar nicht hochkommen, dass Jugendliche für die Problematik sensibilisiert werden und statt weg- lieber hinschauen.

«Wir werden mit so einer Aktion wie dem Theaterstück sicher nicht alle erreichen. Aber wenn wir wenigstens bei einigen das Bewusstsein für die Probleme schärfen, haben wir schon etwas geschafft«, so Stromsky. Schließlich gehe es nicht um die Schule alleine, sondern auch um das, was um sie herum passiere.

Tatsächlich will das Duo «Radix« das auch in seiner Inszenierung bewusst machen. Nicht umsonst dient als Hintergrund ein neutrales Tuch, «denn einen Alex und das, was ihm passiert, kann es überall geben«, erläutert Schauspieler Alexander Matakas seinem jugendlichen Publikum.

An der Tatsache, dass es diese Ausgrenzung von Jugendlichen schon immer gegeben hat, will seine Schauspieler-Kollegin Elisa Hofmann gar nicht rütteln. Auch Stromsky weiß, dass dieses neudeutsch genannte «Mobbing« schon seit Generationen zum Alltag von Kindern und Jugendlichen gehört. «Aber die Dimensionen sind mit den neuen Medien, wie Handy und Internet ganz andere geworden«, gibt Elisa Hofmann - selbst erst 23 Jahre alt - zu bedenken. «Das zieht heute viel größere Kreise als noch vor einigen Jahren.«

Und darum gibt Alexander Matakas den Schülern am Ende mit auf den Weg: «Wenn ihr etwas bemerkt, holt Hilfe, vertraut euch jemandem an - egal wem.« Und: «Es ist immer leichter, mit der Mehrheit mitzumachen als sich vor einen, der alleine dasteht, zu stellen.«