Josef spukt am Hilpoltsteiner Stadtweiher

17.12.2018, 15:51 Uhr
Josef spukt am Hilpoltsteiner Stadtweiher

© Foto: Tobias Tschapka

Üblicherweise obliegt es dem "offiziellen" Nachtwächter, diese Tour anzuführen und allerhand Wissenswertes über die Stadt und ihre Geschichte zu erzählen, aber Andreas Scheuerlein, der Nachfolger des fast schon legendären Nachtwächters Gottfried Gruber, war krankheitsbedingt verhindert.

Als eine überaus würdige Vertretung erwies sich die Stadtarchivarin und Kreisheimatpflegerin Annett Haberlah-Pohl, die zwar ohne Umhang und Hellebarde, aber immerhin mit Laterne voraus schritt, und dank ihres Archivs ebenfalls jeden Menge Geschichten über die Burgstadt und ihre lebhafte Historie zu erzählen wusste.

Frische Luft statt Staub

Zwar war dies ihre erste Führung durch Hilpoltstein, aber früher hatte sie schon ähnliche Führungen durch Nürnberg geleitet. "Ich bin jedenfalls froh, heute einmal aus meinem verstaubten Archiv herauszukommen, um gemeinsam mit Ihnen die nächtliche Stadt zu erforschen", so die Nachtwächter-Aushilfskraft zu den rund 80 kleinen und großen Interessierten, die sich vor der Residenz, dem Ausgangspunkt der Wanderung, versammelt hatten.

Bevor die Fackeln entzündet wurden und die Teilnehmer im leichten Schneefall die Kirchentreppe erklommen hatten, sagte sie zu den Kindern, dass diese "Gerüchten zufolge" im Laufe der Führung auch das Hilpoltsteiner Christkind zu Gesicht bekommen würden.

Strafe für säumige Kirchgänger

An einer Seitentür der Stadtkirche erklärte Haberlah-Pohl den Zuhörern die wichtige Rolle, die die Kirche im Mittelalter (zirka 500 bis 1500) für die Menschen in Hilpoltstein spielte. Wer jedoch nicht regelmäßig den Gottesdienst besuchte, der konnte eine sogenannte Kirchenstrafe auferlegt bekommen. "Zum Beispiel musste der Betreffende mit einer Kerze in der Hand eine ganze Nacht vor der Kirche verbringen", so Haberlah-Pohl.

Diese Zeiten sind zum Glück vorbei, ebenso wie die Versuche, die Hilpoltsteiner Burg, der nächsten Station der Führung, mit Gewalt zu erobern. Das erwies sich damals allerdings ziemlich schwierig. Denn, wie die Kinder richtig wussten, wurde oft ein schwerer Rammbock benutzt, die Tore einer belagerten Burg aufzubrechen, was auf einem so steilen Weg wie dem zum ersten Burgtor eine ziemlich kraftraubende Aufgabe war. "Das ist einer der Gründe, warum die Hilpoltsteiner Burg niemals erobert werden konnte."

Josef von Gallen spukt am Stadtweiher

Auf dem Burgfried erzählte sie einiges von der letzten Burgherrin, Dorothea Maria, die ab 1606 auf der Burg residierte und ihre Burg komfortabel ausbauen ließ. "So hatte sie ihr Badezimmer gleich neben ihrem Schlafgemach", berichtete die Archivarin. Die Fackeln der Wanderer spiegelten sich im Stadtweiher, als die Gruppe am Jahrsdorfer Haus ihren nächsten Stopp einlegte.

Da dieses mächtige Gebäude aus Steinen erbaut wurde, könne man auf den Reichtum der damaligen Bewohner schließen. "Daher kommt auch der Begriff ‚steinreich‘", erklärte Haberlah-Pohl. Einst wohnte dort auch ein gewisser Josef von Gallen, der zur Zeit der Pest lebte und an dieser Krankheit starb. Als letzten Wunsch wollte er auf einem weit entfernten Friedhof bestattet werden, weil er wusste, wie ansteckend die Seuche war und er seine Familie schützen wollte. Leider wurde ihm dieser Wunsch nicht erfüllt, und er kam in die Familiengruft.

"Deshalb erzählt man sich, dass sein Geist immer in der Nacht zum 13. Juli hier umhergehen soll. Ich habe ihn aber leider noch nicht gesehen", erzählte die Führerin, und die Kinder bekamen ganz große Augen bei dieser Vorstellung.

Große Augen bekamen die vielen Mädchen und Buben auch im Hof der Residenz, denn das Gerücht bewahrheitete sich – das Christkind zeigte sich den nächtlichen Wanderern. Von einem Fenster im ersten Stock der Residenz erzählte es die Geschichte von einem Sternenengel, und kündigte anschließend an, nach unten zu den Kindern zu kommen, um kleine Geschenke zu verteilen. "Bravo!" entfuhr es einem Mädchen, und in der Tat, die himmlische Gestalt trat aus der hell erleuchteten Residenz heraus, in den Händen einen großen Korb Süßigkeiten.

Letzte Station Glühweinhütte

Inzwischen waren die Fackeln erloschen und nach dem Auftritt des Christkinds – ein Highlight speziell für die kleinen Führungsteilnehmer – verabschiedeten sich die meisten Familien von ihrer Stadtführerin. Alle anderen folgten ihr noch zur letzten Station, der Glühweinhütte auf dem Marktplatz.

Dort erzählte Haberlah-Pohl noch einiges zum Weihnachtsfest, das sich in seiner heutigen Form, mit Weihnachtsbaum und -märkten, erst im 19. Jahrhundert entwickelt habe. "Und der Glühwein ist sogar eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, davor gab es höchstens Grog oder heißen Tee mit Schnaps", so Haberlah-Pohl über das beliebte Heißgetränk, das sich auch einige der Besucher nun zu Gemüte führten – in der Tat eine wunderbare Erfindung, nicht zuletzt, um sich nach der rund eineinhalbstündigen Führung wieder aufzuwärmen.

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