Kultur mit Messer und Masinko

1.4.2014, 00:00 Uhr
Kultur mit Messer und Masinko

© ley

Dieses Mal geriet die Mischung besonders bunt. Gleich zu Beginn wurde es beim Messerwerfen spannend, denn Jongleur David Münch beließ es nicht dabei, Bälle und Stichinstrumente einfach so durch die Luft zu wirbeln. Letztere zerschnitten diese, während er lächelnd über einer jungen Dame stand.

Mit seiner Jonglage gelang es ihm, einzelne Charaktere eines Hauskreises mit typischen Bewegungen zu charakterisieren: von Theresa Theoretikerin bis Florian Fußballspieler. Als einer aus dem Kreise fehlte, spielte Münch die Suche nach dem verlorenen Schaf jonglierend durch, das der gute Hirte sucht. „Toll, dass wir so einen Gott haben!“ kommentierte Münch.

Dann geht es vom Bunker in die Kirche, wo diese Worte noch einmal auf ganz andere Art verinnerlicht wurden. Der äthiopische Profimusiker Tewelde Yemane Gebreyesus griff dort zu typischen Instrumenten seines Landes: einmal die Masinko (eine einsaitige Kastenspießlaute) und einmal eine Krar (eine Form der Leier).

Der Mann ist als einer der Asylbewerber in Thalmässing gelandet und hat Schweres durchlitten. Mit ihnen gemeinsam macht er orthodoxe Gospelmusik, die es in sich hat. Zum Höhepunkt des Auftritts geriet ein Stück, das Tewelde alleine begann. Ein Klagelied, in dem sich der Sänger nach seiner Familie, seiner Kultur, seinem Land sehnt.

Doch das Lied schwenkte bald um: Ein Drumcomputer donnerte los, seine Sangeskollegen begannen vor dem Altarraum zu tanzen. Bewegende Augenblicke von ungemeiner Intensität. Vom in Engelsweiß gewandeten Sänger mit harfeähnlichem Instrument ging es dann steil nach unten in rauchige Bluesgefilde. Diese bewohnt Ray Raebel, der mit seinen Jungs im Bunker „die spirituelle Nacht“ mit einer „spirituosen Band“ bereicherte. Richtig groovy wurde es, als der Frontmann zur Resonanzgitarre griff, die zwar „wie ein Putzeimer klingt“, mit der er aber ordentlich für Stimmung sorgte. Am Ende seines Auftritts verbeugte sich Raebel vor einem ganz großen Popkünstler: dem jüngst verstorbenen Lou Reed. Einen „walk on the wild side“ nahmen dann auch die Besucher – nämlich wieder rüber in die Kirche, wo der Slam Poet Lucas Fassnacht das nächste kulturelle Fass der langen Nacht aufmachte.

In seinem ersten Text ließ er einen Deutschlehrer ausgerechnet über ein Erotik-Epos brüten. Bis dieser endlich den passenden Ausdruck für Geschlechtsverkehr gefunden hat und den Liebenden seine Geliebte „verkorken“ lässt. Gleich darauf treten im Olymp die Götter Apollo und Mammon gegeneinander in einem Jahrtausende währenden Schachspiel an, als Symbol für die Menschheitsgeschichte. Der Herr der Künste gegen den des Geldes. Der scheint durch Panikmache zu siegen. Aber „die größten Ideen entstehen in der Angst und nicht im Frieden – das Spiel hier ist noch lange nicht entschieden“, ließ Fassnacht Apollo sprechen. Von ihm selbst zeigte er sich recht inspiriert, gab sich sowohl ernst wie auch lustig philosophisch. Weibliche Brüste, vegetarische Döner oder Erdbeerjoghurt standen auf der Themenpalette.

Anschließend sorgten zwei Thomasse im Bunker für filigrane Gitarrenmusik. Nach dem Duo Schlesag & Traumüller fand sich das Publikum dann erneut in der Kirche zum gemeinsamen meditativen Ausklang einer bunten langen Nacht zusammen.

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