Lutheranern drohte der Tod

9.11.2010, 22:48 Uhr
Lutheranern drohte der Tod

© Unterburger

Eberhard Krauß, Ehrenvorsitzender der GfF und Verfasser des Buchs, referierte über die evangelischen Glaubensflüchtlinge, die nach dem 30-jährigen Krieg ab 1648 vor allem in das Gebiet des ehemaligen Dekanats Thalmässing kamen und sich hier niederließen. Christian Beyerlein, seit 41 Jahren Vorsitzender der „Heimatfreunde Land um Stauf“, freute sich, dass auch zahlreiche Gäste aus dem Neumarkter, Weißenburger und Nürnberger Raum anwesend waren.

Professor Dr. Werner Wilhelm Schnabl, Vorsitzender der GfF, erinnerte daran, dass über 3000 namentlich bekannte Exulanten in hiesigen Breiten eine neue Heimat gefunden hätten. „Der Raum Thalmässing taucht in den Namenslisten der Glaubensvertriebenen  stark auf“, sagte er.

Der Prozess der Integration österreichischer Exulanten habe sich rasch vollzogen, berichtete der GfF-Vorsitzende. Hunderte von Einzelschicksalen seien dokumentiert, das neue Buch gebe einen faszinierenden Einblick in deren Geschichte im Thalmässinger Raum. Schnabl lobte den Autor, Pfarrer i.R. Eberhard Krauß, der seit Jahrzehnten alle greifbaren Daten über österreichische Glaubensflüchtlinge gesammelt und ein riesiges Archiv aufgebaut habe.„Seit 2004 ist kein Jahr vergangen, in dem Eberhard Krauß nicht mindestens ein Buch veröffentlicht hat“, so Schnabl weiter.

„Integration, Heimat und neue Heimat sind immer wieder aktuelle Fragen, die uns beschäftigen“, meinte die stellvertretende Bürgermeisterin Ursula Klobe. „Wir hatten großes Glück, dass die Exulanten nach dem 30-jährigen Krieg zu uns gekommen sind. Es tut uns gut, dass wir heute noch viele Charakterköpfe haben“, sagte sie und sorgte mit dieser Bemerkung für allgemeines Schmunzeln.

Anschließend trug Emilie Rötter zwei selbst verfasste Gedichte vor. Das erste hieß „Heimatfreunde Land um Stauf – eine Würdigung“. Darin appellierte sie, die Geschichte der Exulanten weiterzutragen und nicht zu vergessen. In ihrem zweiten Gedicht „Herbstbetrachtungen“ schilderte sie im Thalmässinger Dialekt ihre Eindrücke über den Herbst.

Nach dem gemeinsam gesungenen Lied „Den Exulanten auf der Spur“ stellte Eberhard Krauß sein neues Buch vor. „Über 3000 Exulanten wanderten aus dem österreichischen Mühlviertel nach Franken aus“, berichtete er.

„Da viele Personen, beispielsweise die Mütter von Braut und Bräutigam, in den Kirchenbüchern nicht genannt werden und eine vollständige Dokumentation der Höfe bislang weder in Österreich noch in Franken vorliegt, waren es vielleicht sogar rund 6000 Exulanten.“ Erfasst werden könnten auch nicht die sogenannten „Ländler“, also die Oberösterreicher.

Welchen Repressalien die evangelischen Bewohner des Mühlviertels ausgesetzt waren, verdeutlichte Eberhard Krauß am Beispiel von St. Veit. „Die schwersten Strafen drohten ihnen im Tod“, berichtete Krauß. Sie wurden nicht im Friedhof, sondern beim Haus beerdigt oder im Garten verscharrt“, wie es in den Kirchenbüchern heißt.

Lutheraner wurden also nicht kirchlich beerdigt. In anderen Orten ist von Verfolgungen und Strafen die Rede. 1624 seien alle evangelischen Pfarrer und Lehrer ausgewiesen worden.

Warum kamen so viele Menschen aus dem Mühlviertel auf die Idee, ihre oberösterreichische Heimat zu verlassen? Eberhard Krauß hatte hierzu eine plausible Erklärung: „Die habsburgischen Kaiser wollten sogenannte Ketzer nicht in ihren Ländern dulden. Wer evangelisch bleiben wollte, der hatte Österreich zu verlassen.“ Krauß erforschte auch die Eheschließungen der Glaubensflüchtlinge. „Bisher glaubte man, dass die Exulanten der ersten Generation nur unter sich geheiratet haben, aber das stimmt nicht“, erklärte er. „Die Integration wurde schnell bewältigt. Das lag an der gleichen Sprache und am gemeinsamen lutherischen Glauben.“ Das Buch schließt ab mit verschiedenen Verzeichnissen. Diese Verzeichnisse können den Nachkommen der Exulanten helfen, bei ihren eigenen Familienforschungen ein Stück voranzukommen.

Eberhard Krauß: Exulanten aus dem oberösterreichischen Mühlviertel in Franken. Quellen und Forschungen zur fränkischen Familiengeschichte. Herausgegeben von der Gesellschaft für Familienforschung in Franken, Band 23. Nürnberg 2010, 500 Seiten, 39 Euro, ISBN 978-3-929865-53-0