Macht die Bahn wirklich mobil?

20.6.2012, 19:43 Uhr
Macht die Bahn wirklich mobil?

© Tschapka

Da ist zum Beispiel Johann Hartl. Jeden Tag fährt der Gmünder Bürger mit dem Zug nach Nürnberg. Der Einstieg ist problemlos, da die Züge jeweils von Gleis 1 abfahren, das sehr gut erreichbar ist. Schwierig wird die Rückkehr. Hier hält der ankommende Zug auf Gleis 3. Knackpunkt ist die Unterführung der Gleise. Lange Treppen stellen hier Barrieren auf. Deshalb muss Johann Hartl jeden Tag eine Station weiter fahren, nach Mühlstetten. Von dort bringt ihn dann das Rote Kreuz nach Hause. „Über eine halbe Stunde kostet mich jeden Abend dieser Umweg, von den 162 Euro ganz zu schweigen, die ich für diesen Service jeden Monat zuzahlen muss“, so Hartl.

Für Bürgermeister Ben Schwarz ist dies Beweis genug: „Der Bahnhof Georgensgmünd muss barrierefrei ausgebaut werden, und zwar jetzt!“. Dieser Forderung stimmen die Anwesenden bei. Lautstark. „Meines Erachtens ist das nicht nur eine Frage der Gleichbehandlung nach dem Gesetz, sondern auch eine Frage der Vernunft“, sagt der Rathauschef. Schließlich sei die Gemeinde Georgensgmünd ein wichtiger Anlaufpunkt nicht nur für Pendler.

Wochentags nutzen über 300 Schülerinnen und Schüler die Bahn zu den weiterführenden Schulstandorten nach Roth, Schwabach, Nürnberg und Weißenburg. Auch die demographische Entwicklung rechtfertige die Prognose eines steigenden Bedarfs an öffentlichen Verkehrsmitteln der Bahn – mit barrierefreiem Zugang. „Laut Prognose wird der Anteil der über 65-jährigen Menschen in unserer Region in den nächsten Jahren um 50 Prozent steigen“. Schwarz verweist außerdem auf das große Pflegeheim am Ort.

Mehrfach haben bereits seine Vorgänger im Amt — Klaus Wernard und Eva Loch — auf diesen Missstand hingewiesen. Der Erfolg: gleich Null. Dafür wurde die Gemeinde stets mit Standardfloskeln und Textbausteinen schriftlich vertröstet. „Dabei erfüllen wir sämtliche Voraussetzungen für einen Ausbau“, sagt Schwarz und erinnert an eine Rede von Bahnchef Grube zum Jahresbeginn. Demnach sei es vordringliches Ziel der Bahn, so bald wie möglich für alle Bahnhöfe mit mehr als 1000 Reisenden pro Tag einen stufenfreien Zugang zu schaffen. Schwarz kontert: „In Georgensgmünd haben wir aber ein Fahrgastaufkommen von rund 2000 Personen am Tag. Unser Appell lautet deshalb, halten Sie ihre Versprechen ein und lassen sie die Menschen, die unsere Unterstützung verstärkt brauchen, nicht im Stich!“

VdK-Kreisvorsitzender Otto Heiß bläst ins selbe Horn: „Der Werbeslogan ‚Die Bahn macht mobil?’ muss für alle Menschen gelten, denn mobil zu sein ist heute unverzichtbar“. Dann erinnert er, dass die Bundesregierung vor gut drei Jahren die Behindertenrechtskonvention unterzeichnet habe. „Barrierefreiheit ist kein Almosen, sie ist Menschenrecht!“, so Heiß, der bei der Bahn deshalb noch viel Nachholbedarf sieht, und das nicht nur in Georgensgmünd.

Geld sinnvoll investieren

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler ist eigentlich keine Demogängerin. „Aber in diesem Fall ist das Anliegen voll und ganz berechtigt und deshalb haben sie meine volle Unterstützung“. Die Politikerin aus Lauf ist mit der Thematik vertraut, denn in ihrer Familie gibt es auch einen Rollstuhlfahrer.

Landrat Herbert Eckstein poltert drauf los: „Die Bahn soll das ihr zur Verfügung stehende Geld nicht nur in prestigeträchtige Großprojekte stecken“. Er fordert die Entscheidungsträger auf, sich einmal selbst die Situation vor Ort anzusehen und nicht ihre Stellvertreter zu schicken.

Und was sagt die Bahn? Herbert Kölbl, Vertreter des Bereichsleiters Süd und somit für die bayerischen Bahnhöfe zuständig, macht den Anwesenden kaum Hoffnungen. Die Haltestelle Georgensgmünd sei in einem guten Zustand, und da derzeit keine Sanierung anstehe, würde sich auch in absehbarer Zeit nichts an der Situation ändern. Von den über 5700 Bahnhöfen in Deutschland seien bis jetzt rund 2000 barrierefrei ausgebaut, 3700 würden noch fehlen, davon viele in Bayern. „Unser Tagesgeschäft be-steht darin, diesen Ausbaustau abzubauen“, so Kölbl, der aber auf den Vorschlag von Bürgermeister Schwarz eingeht, gemeinsam ein Konzept zu den technischen Aspekten auszuarbeiten und die Realisierung eines barrierefreien Ausbaus des Bahnhofs zu überprüfen.TOBIAS TSCHAPKA

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