Rother Tafel: Corona hat uns in die Spur gebracht

17.1.2021, 06:00 Uhr
Rother Tafel: Corona hat uns in die Spur gebracht

© Foto: Tobias Tschapka

Denn da stehen sie: Jeden Samstag ab 13.30 Uhr. Roth, Friedrich-Ebert-Straße 12. Menschen, zu denen das Leben vielleicht einmal ungnädig war. Sie tragen Tüten unterm Arm, Taschen in der Hand und eine Geschichte auf den Schultern. Manche wollen erzählen, manche lieber nicht. Weil diese Geschichten oft (noch) kein freundliches Ende gefunden haben. "Drum dürfen wir niemanden dort draußen hängen lassen", sagt Richard Ströfer und rückt sich die gelbe Strickmütze zurecht.

180 Personen werden unterm Telekom-Turm im Rother Wohnviertel "Eigenheim" wöchentlich mit Lebensmitteln versorgt; in der Außenstelle Hilpoltstein sind 90 Namen gelistet. Gegen Vorlage eines Bedürftigkeitsnachweises und für maximal drei Euro gibt es hier wie dort Obst, Gemüse, Backwaren, Milchprodukte, Hygieneartikel ... – je nachdem, was in den Läden und Märkten abfällt, die von den ehrenamtlichen Fahrern regelmäßig angesteuert werden, um dort Waren zu laden. Waren, die sonst keiner mehr so recht will. An die 40 Adressen seien´s inzwischen.

Auch Richard Ströfer ist vor etwa einem Jahr als Fahrer zur Tafel gestoßen. Inzwischen hält er die organisatorischen Fäden mit in der Hand. Als Gleicher unter Gleichen. Das wird ausdrücklich betont. "Krasse Hierarchien" solle es hier nicht geben.

Man sei auf einem "sehr guten Weg", bestätigt Robert Gattenlöhner, seit vier Jahren 1. Vorsitzender der hiesigen Einrichtung mit Hauptsitz in Roth und besagter Ausgabestelle in Hilpoltstein. Ja, man segle auf Konsolidierungskurs. "Endlich!"

Es ist ein ehrlicher Stoßseufzer, den der 64-Jährige zum Himmel schickt. Denn "die Harmonie", die aktuell im 32-köpfigen Rother Team herrsche und die Richard Ströfer mehrfach ins Feld führt, sei "keine Selbstverständlichkeit", untermauert Gattenlöhner.

Man habe sie sich erarbeitet, Stück für Stück – in einem "langwierigen Prozess".

Der begann für den Lokalpolitiker 2016. Es war gewissermaßen das "Jahr der Hoffnung" bei der Tafel: Ende November wählte man sich dort Robert Gattenlöhner, den bekannten Rother Stadt- und Bezirksrat sowie Chef der "Partei für Franken", zum neuen "Vorndran".

Ein zwingendes Votum, zumal das Ehepaar Wonitzki die Leitung nach etlichen Jahren abgegeben hatte. Ohne geregelte Nachfolge. "Ich blieb damals zuversichtlich, dass wir jemanden finden", kommentiert Heinz Ripka, stellvertretender Tafel-Vorsitzender und Koordinator in Hilpoltstein, das Geschehen rückblickend. Doch Fakt war: Es brannte.

"Rother Tafel vor dem Aus?", titelte die Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung noch im Oktober desselben Jahres. Man bangte also um den Fortbestand. "Weitergelaufen ist der Laden trotzdem", weil nach dem Ausscheiden der Wonitzkis mehrere Mitglieder die Lenkungsaufgaben unter sich aufgeteilt hätten und eine verlässliche Helferschar "auf Zack war". Allerdings: "Laut Vereinsrecht musste unbedingt ein eingetragener Vorsitzender her, sonst wär´s das gewesen", erinnert sich Ripka.

Ein Repräsentant, Teamplayer, Netzwerker und Spendenakquisiteur sollte es sein. Mit Gattenlöhner habe man dieses "Multitalent" gefunden, weiß Heinz Ripka heute. "Der Robert ist sehr gut vernetzt, geht auf Politik, Wirtschaft und Vereine zu." Er nutze seine Kontakte. "Faszinierend und Gold wert" findet Ripka das. Schließlich lebe die Tafel von den Spenden, um die sich Gattenlöhner kümmere.

Dem schmeichle das zwar, doch hätte es auch Zeiten gegeben, "in denen ich hinschmeißen wollte", gesteht Robert Gattenlöhner. Gerade in den Anfängen habe er "unglaublich viel Überzeugungsarbeit" zu leisten gehabt. Allein mit der Devise, die Tafel müsse "fit für die Zukunft" gemacht werden, sei er ordentlich angeeckt. "Ich wollte ein paar Strukturen verändern, aber manche haben gemeint, da will jemand ihre ganze Welt auf den Kopf stellen", kann er heute scherzen. War nicht immer so: "Eine Mitgliederversammlung, in der´s um kleine Satzungsanpassungen gehen sollte, ist seinerzeit komplett aus dem Ruder gelaufen. Nur als Beispiel."

Ungeachtet dessen hielt er am eingeschlagenen Weg fest. Denn Gattenlöhner sah wohl: "Da haben Helferinnen und Helfer so lange und oft am Stück gearbeitet, bis sie ausgelaugt waren. Geht gar nicht." Gleichzeitig hätte man die Ausläufer der Flüchtlingskrise zu spüren gekriegt: "Zeitweise waren doppelt so viele Kunden am Hof wie sonst". Dennoch sei auch diese Phase "irgendwie bewältigt" worden – "miteinander. Bloß so geht´s"

Vor dem Hintergrund sei schließlich noch deutlicher geworden: Um mit den personellen Ressourcen hauszuhalten, musste dringend an einigen Stellschrauben gedreht werden. Ähnlich dem Vorbild Hilpoltsteins, wo feste Helfergruppen in vierwöchigem Turnus an den Start gehen. Zwar könne man die Rahmenbedingungen "nicht eins zu eins vergleichen", aber "wir haben mittlerweile verschiedene Modelle durchgespielt", erklärt Gattenlöhner.

Konkret: Die Rother Tourenpläne wurden umgestellt, die Zeiten der Einsatzkräfte reformiert, um deren jeweiliges Arbeitspensum zu drosseln. Sortiert, eingeräumt, verteilt und gefahren werde nunmehr im Schichtbetrieb. "Klappt ganz gut", meint Richard Ströfer. Mittlerweile greife "ein Rad ins andere".

Samstags kämen aktuell 15 bis 20 Personen zum Einsatz – Fahrer, Beifahrer, Aussortierer, Regalbestücker, Verteiler. Gegen 7 Uhr verlasse der erste Wagen das Grundstück, um die Lebensmittelgeschäfte und Landwirte der Umgebung aufzusuchen. Um 14 Uhr beginne die Ausgabe und gegen 18.30 Uhr würden sich die Türen in der Friedrich-Ebert-Straße wieder schließen.

Doch auch unter der Woche gebe es allerhand zu tun. "Gerade da könnten wir noch Leute brauchen, die regelmäßig ein paar Stunden zur Verfügung haben", so Gattenlöhner. Vor allem Fahrer.

Carola Klemenz kann dazu nur ermuntern. Jene Tage, da sie selbst bedürftig war und bei der Tafel anstand, sind zwar vorüber, doch von den Leuten hier komme sie nicht mehr los: "Man fühlt sich wie in einer Familie!" Also helfe sie nun mit, sei doch Ehrensache – "... weil die Stimmung total positiv ist", ergänzt Richard Ströfer. Zum allgemeinen Glück fehle nur noch ein neues, intaktes Kühlfahrzeug und vielleicht ein einfaches EDV-Verwaltungsprogramm.

Auch Heinz Ripka, der von Hilpoltstein aus auf die Kollegen blickt, urteilt anerkennend: "Die Richtung stimmt!" Wenn sich nun noch ein paar helfende Hände mehr fänden, die bei der Stange blieben, fasst Gattenlöhner zusammen, "dann wären wir nah dran an ´optimal`!"

Kontakt: Tel. (01 51) 56 84 95 02, E-Mail: info@rother-tafel.de

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