Schöne, neue Chorwelt

21.4.2019, 06:00 Uhr
Schöne, neue Chorwelt

© Christian Klenk

Nein, dem Zufall will Heiß gerade an diesem Hochfest der christlichen Kirche nichts überlassen. Erst Recht nicht, weil er dann zusammen mit den ihm anvertrauten Chören eine seiner Abschiedsvorstellungen in Eichstätt gibt, ehe er als Domkapellmeister nach Regensburg wechselt. Und damit Kraft seines Amtes Chef der weltberühmten Regensburger Domspatzen wird – ein "Traumjob".

Musik und Gesang. Beides spielte immer eine große Rolle in der Familie. Vater Otto Heiß, Gredings Altbürgermeister, nahm Sohn Christian schon als kleinen Jungen mit in die Kirche und rauf auf die Orgel-Sitzbank zum sonntäglichen Orgeldienst. Bereits als Zehnjähriger trat Heiß junior bei Messen in die Fußstapfen seines ersten Lehrmeisters.

Die Eltern erkannten das Talent, förderten es und als der Grundschüler die Aufnahme-Prüfung für die Regensburger Domspatzen bestand, wurde Christian Heiß einer von ihnen. Bis zum Abitur. Danach studierte er Kirchenmusik, wurde 1999 Eichstätter Domorganist, drei Jahre später Domkapellmeister.

Die Orgel, auch "Königin der Instrumente" genannt, faszinierte ihn als Kind schon genauso wie heute. "Ein gutes Orgelspiel zieht Menschen unmittelbar in den Bann. Weil es eine Sache des Gefühls ist, weniger des Verstands." Und da Heiß Kirchenmusiker aus Überzeugung ist, lautet sein Credo: "Im besten Fall stärkt die Musik das gesprochene Wort."

Diese Forderung gilt für den studierten Kirchenmusiker nicht nur instrumental, sondern auch gesanglich. Als Eichstätter Domkapellmeister ist für Heiß das Orgelspiel seit Jahren "nur" noch Nebenbeschäftigung. Im Hauptberuf aber kümmert er sich seit 20 Jahren um insgesamt acht Chöre, von denen vier im Dom und zu anderen Anlässen auftreten.

Musik, Gesang und Wort als harmonische Einheit — darum ist Ostern für Heiß eine Herausforderung. Im positiven Sinn. "Der Karfreitag mit seiner Trauer und der Ostersonntag mit der überbordenden Freude über das Leben — inhaltlich und musikalisch könnten die Pole nicht weiter auseinander gehen." Entsprechend intensiv hat sich der scheidende Eichstätter Domkapellmeister mit seinen Chören darauf vorbereitet.

Chorarbeit ist für den dreifachen Familienvater Teamarbeit und dem (Leistungs-)Sport nicht unähnlich. "Da wie dort braucht es klare Spielregeln; einen Teamchef, der weiß, was er will und der weiß, was er tut; der fördert ohne zu überfordern; der Potenzial sieht und motiviert."

Das macht für ihn den Unterschied zwischen Kirchenmusik an der Orgel und der mit Chören aus. "Im Gegensatz zur Orgel ist ein Gesangsensemble ein lebendiger Organismus, mit dem ich agieren und auf den ich reagieren muss."

In den vergangenen Jahren hat Christian Heiß mit vielen Menschen gearbeitet. Mit unterschiedlichen Talenten, unterschiedlichem Können. Mit Grundschülern, Senioren, Frauen, Männern. Künftig, als Leiter der Regensburger Domspatzen, wird das anders. Dann gehören die Terminpläne seiner acht Chöre, mit denen Heiß durchschnittlich zweimal die Woche probte, der Vergangenheit an.

Die Zukunft gehört einem Chor mit Weltruhm – allesamt Knaben- und Männerstimmen. Proben an fünf Tagen die Woche, plus Sonderproben, plus Auftritte im Dom, plus Konzerte und Konzertreisen in der ganzen Welt, plus Arbeit in einem weitaus größeren Rampenlicht als bisher. Das ist Heiß’ neue Chorwelt.

Und weil er schon ahnt, dass er auf die Missbrauchsfälle, die in jüngerer Zeit für Schlagzeilen gesorgt haben, angesprochen wird, kommt er der Frage zuvor: "Nein, davon haben wir nie etwas mitbekommen."

Als vor etlichen Wochen die Stelle des Regensburger Domkapellmeisters europaweit (!) ausgeschrieben war, weil sich der amtierende Roland Büchner in den Ruhestand verabschiedet, bewarb sich Heiß. Zur Bewerbung gehörte auch eine Probestunde mit den "Domspatzen", die ein Mitspracherecht bei der Auswahl ihres Chorleiters haben. "Scheint ganz gut gelaufen zu sein", mutmaßt Heiß nach entsprechend positiven Rückmeldungen – samt Zusage von seinem künftigen Chef, dem Regensburger Domprobst Dr. Franz.

Für Heiß geht damit ein Herzenswunsch in Erfüllung. Daraus macht der 51-Jährige keinen Hehl. Sich auf ein einziges Chorensemble voll konzentrieren zu können. Eines, für das "Singen und Musik zum Leben dazu gehört wie Essen und Schlafen."

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