Täglich bis zu acht Stunden im Matsch

23.11.2020, 06:00 Uhr
Täglich bis zu acht Stunden im Matsch

© Foto: Yevheniia Frömter

Die Maßnahme sei besonders wichtig, um den Fortbestand der einheimischen Schalentiere – insbesondere den der Malermuschel – zu sichern. Der Rothsee werde mit Donauwasser befüllt: "Dadurch werden Dreikantmuscheln aus dem Schwarzen Meer bei uns angespült." Laut Baier sei diese Muschelart extrem "invasiv" und besonders schädlich für die im Rothsee lebenden Muscheln. Die Dreikantmuschel benötigt, im Gegensatz zur Teichmuschel, harten Untergrund, auf den sie sich mit Fäden anheftet. Häufig werden auch die Schalen anderer Muscheln (auch lebender) als Untergrund verwendet, was bei Massenbefall für die betroffenen Lebewesen mitunter tödliche Folgen haben kann. Badende Menschen können sich zudem leicht an den messer-scharfen Schalenrändern schneiden.

Zu Wartungs- und Reinigungsarbeiten werde der Wasserspiegel des Rothsees jeden Herbst durch das Wasserwirtschaftsamt abgesenkt, so sterben die Dreikantmuscheln im Freien und bei tiefen Temperaturen ab. Damit die heimischen Teichmuscheln nicht das gleiche Schicksal erleiden, gilt es, diese Teichmuscheln einzusammeln und später wieder ins Wasser zu setzen. "Für uns ein guter Zeitpunkt, um tätig zu werden," so Baier.

Die unerwünschte Dreikantmuschel sei allerdings nicht das einzige Problem in diesem Gewässer. Über die Zuleitung des Wassers gelangten selbst Raubfische in den Rothsee: "Diese Tiere fressen unsere Fischarten, da sie ein völlig anderes Beuteverhalten gewohnt sind.

Nicht zuletzt beobachte Baier, dass immer mehr fremde Tierarten im Rothsee landen würden: "Natürlich ist es schön, im Gartenteich eine chinesische Teichmuschel zu halten." Diese Freude sei bei vielen jedoch nur von kurzer Dauer und die Tiere würden kurzerhand im Rothsee "entsorgt" werden. "Das wollen wir nicht." Von ausgesetzten Schildkröten bis hin zu exotischen Fischen werde so ziemlich alles im Rothsee gefunden, was das "Baumarkt-Tiersortiment" aufweisen würde, beklagt Baier.

Täglich bis zu acht Stunden im Matsch

© Foto: Yevheniia Frömter

Täglich bis zu acht Stunden im Matsch

© Foto: Yevheniia Frömter

Die Bekämpfung der Dreikantmuscheln stünde bei der Aktion allerdings deutlich im Vordergrund: Kaum größer als ein Daumennagel sei ein Exemplar der "Schädlinge". Durch ihre starken "Klebefüße" würden diese nicht nur den technischen Bauwerken stark zusetzen: "Sie verschließen unsere Muscheln, die dadurch sterben. Ein großes Problem." Im Bodensee würden laut Baiers Informationen gerade deshalb kaum noch einheimische Muscheln zu finden sein. "Wir wollen das verhindern." Bereits seit sieben Jahren kümmert sich Baier aktiv um diesen Missstand. "Wir haben mit einfachen Mitteln angefangen – mit Zangen und Eimern." Das Engagement sei sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Ämtern sehr gut angekommen: "Mittlerweile haben wir zur Arbeitserleichterung ein eigenes Boot und ein Amphibienfahrzeug zur Verfügung gestellt bekommen."

Dennoch: "Das Sammeln ist ein Knochenjob." Täglich stünden die freiwilligen Helfer bis zu acht Stunden "im Matsch". Mühevoll sammelt Baiers "harter Kern" von zehn Helfern nahezu jede Muschel zusammen – und das bei "Wind und Wetter." Noch vor kurzer Zeit wurden die Muscheln mit Eimern und Wannen auf ein Boot gehievt und in die Mitte des Rothsees gebracht: "Das ist kein Spaß, es ist brutal". Knapp 2500 Muscheln würden in einen großen Behälter passen: "Ein ganz schönes Gewicht." Diese Arbeit erledige nun überwiegend das Amphibienfahrzeug. "Eine Erleichterung und ein Beitrag zur Arbeitssicherheit. Wir sind sehr dankbar." Zudem ließe sich mit diesem Spezialfahrzeug ein noch größeres Volumen an Muscheln bewegen.

Kreativität sei dennoch gefragt: Greifzangen würden bis zur Perfektion selbst optimiert werden, um auch kleine Muscheln auflesen zu können.

Mit "Dunggabeln" aus dem Pferdestall könne mehr als das Doppelte an Muscheln gefunden werden. "Wir versuchen immer neue Möglichkeiten auszuprobieren, um effektiver und schneller arbeiten zu können", erklärt Manuel Werth an Baiers Seite. Der harte Einsatz habe sich bezahlt gemacht. "Wir erkennen Erfolge. Der Putzeffekt sorgte für einen Rückgang." Arbeit gebe es zukünftig noch genug: "Der Reproduktionsfaktor der Dreikantmuscheln ist Wahnsinn. Im Schlamm halten sich Millionen von Larven auf." Hier helfe nur "ein ordentlicher Frost".

Seit 2015 werde professionell gearbeitet. Zuvor kümmerten sich unterschiedliche Vereine um den Muschelerhalt. Die Schwierigkeit bestand darin, dass viele Helfer nur an Wochenenden zur Verfügung standen: "Ich brauche die Leute aber täglich und dauerhaft", so Baier. Dies sei nun sichergestellt. Die beiden Organisatoren seien vom Einsatz der ehrenamtlichen Helfer jedenfalls mehr als begeistert. Viele würden für diese Zeit sogar Urlaub beim Arbeitgeber einreichen oder nach einer Nachtschicht unmittelbar in die Gummistiefel steigen. "Ein beispielloses Engagement zum Artenerhalt in unserer Region."

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