Top-Triathleten auf der Jagd nach der Gänsehaut

14.7.2016, 18:02 Uhr
Top-Triathleten auf der Jagd nach der Gänsehaut

© Salvatore Giurdanella

Bislang kreiste der 15. Challenge um eine Frage: Wird Jan Frodeno den Weltrekord von 7:41:33 Stunden knacken? Den hat Andreas Raelert 2011 in Roth aufgestellt – wo sonst, wenn nicht hier, auf der als schnellste der Welt angepriesenen Strecke, sollte Frodeno dieser Meilenstein gelingen? Olympiasieger ist er schon, Europa- und Weltmeister über die Langdistanz und den Ironman 70.3 auch, Hawaii hat er im vergangenen Jahr gewonnen.

Frodeno selbst geht nicht allzu offensiv mit dem Thema um, aber auch ziemlich locker. „Das wichtigste ist, das Rennen zu gewinnen“, sagt er auf der Challenge-Pressekonferenz. Aber natürlich lockt auch der Rekord. Denn Frodeno hat schon so viel gewonnen, da ist ein Titel, der Sieg bei der größten Langdistanz-Veranstaltung, nicht mehr so wichtig. „Ich motiviere mich immer durch die Stimmung und die Atmosphäre. Das ist stärker als ein Titel, weil es nachwirkt“, sagt Frodeno. „Ich erwarte und erhoffe mir Gänsehaut.“ Auf der anderen Seite rechne jeder mit seinem Sieg. Indem er sich große Ziele wie den Rekord setze und dementsprechend ein „Hype“ aufgebaut werde, steige auch der Druck, der den 34-Jährigen über die Ziellinie tragen soll.

„Ich mache es auch alleine“

An den Start geht Frodeno mit seinem Trainingspartner Nick Kastelein (Startnummer 17). Die beiden sind aufeinander eingestellt. Das Schwimmen im momentan mit 20,9 Grad ideal temperierten Kanal will der Weltmeister „offensiv angehen“ und dann das Rennen clever gestalten. Erst hintenraus wird auf die Zeit geschaut, sagt er. Und: „Zur Not mache ich das Rennen auch alleine.“

Eine Ansage an die Konkurrenz und Nils Frommhold, der seinen Titel verteidigen will. Der stapelt eher tief. „Den Druck macht ihr mir“, sagt der 29-Jährige. Aber er habe sich vorbereitet wie im vergangenen Jahr, als er in Roth mit 7:51,28 Stunden, der siebtschnellsten je gemessenen Zeit, ins Ziel kam. „Ich bin fit und gebe Gas“ — und freilich will Frommhold seinen Titel verteidigen. Aber die mediale Aufmerksamkeit und der Druck liege bei Frodeno. Es sei schließlich kein Duell – der vor allem auf dem Rad starke Tyler Butterfield aus Bermuda, der 26-jährige Joe Skipper aus Großbritannien oder der Franzose Cyril Viennot seien auch noch da.

Der 34-jährige Viennot bezeichnet sich dann aber doch als Außenseiter. Gleichwohl wäre es fantastisch, auf dem Podium zu stehen. Und auch der Deutsche Jan Raphael will sich lieber mit den Besten, „Nils und Jan“, messen und unter acht Stunden bleiben. Bleibt also am Ende Frodenos Jagd nach dem Weltrekord. Und wenn es damit nichts wird, könnte er einen anderen Rekord knacken und das Double holen: Bislang konnte kein Deutscher auf Hawaii und in Roth gewinnen.

Anders die Situation bei den Frauen. Mit der kurzfristigen Meldung der Weltmeisterin Daniela Ryf (wir berichteten) ist plötzlich eine weitere Top-Favoritin aufgetaucht. Da verschlug es Vorjahressiegerin Yvonne van Vlerken gar die Sprache. Sie gewann bisher drei Mal, startet zum sechsten Mal und kennt den Challenge in- und auswendig. „Ich könnte die Radstrecke im Schlaf fahren.“ Van Vlerken will ihren Titel unbedingt verteidigen, wäre dann die einzige Vierfach-Siegerin. Dafür hatte die Holländerin heuer Roth in den Mittelpunkt gestellt und sich intensiv vorbereitet: Sie war im Höhentrainingslager, ließ andere Rennen liegen, um ausgeruht zu sein und legte sich einen exakten Plan zurecht. „Ich bin den Verlauf mit allen Möglichkeiten durchgegangen.“ Nur Ryf hatte sie nicht auf dem Plan – und das ändert alles.

Bier statt Wasser?

Ein trockenes „Herzlich Willkommen“ gibt es bei der Pressekonferenz trotzdem. „Ich habe zum allerersten Mal nicht gequatscht und das kommt nicht so oft vor“, beschreibt van Vlerken die Wirkung von Ryfs Nachmeldung. „Sie ist wirklich saustark.“ Sie habe schon mit Anja Beranek gesprochen, ob man Ryf nicht Bier ins Wasser mischen könne – Ryf nimmt den Scherz mit stoischem Blick auf.

Anders als van Vlerken hat sie sich für ihren ersten Start keine großen Pläne gemacht. Das wäre in Anbetracht der kurzen Zeit – sie hatte sich auf Frankfurt vorbereitet, war aber wegen einer Unterkühlung ausgestiegen – wohl auch nicht möglich gewesen, aber Ryf ist keine Frau großer Pläne. „Ich mache das wie bei meinem ersten Ironman in Zürich. Ich gehe einfach raus. Mein Plan ist, keine großen Pläne zu haben.“

Rekord des Idols muss warten

Einen Plan im Leben hat sie jedoch: Irgendwann will sie so schnell wie Chrissie Wellington sein, die 2011 die gültige Weltbestzeit von 8:18:13 Stunden aufstellte. „Das ist mein größtes Ziel, auf das ich jeden Tag hinarbeite.“ Im Gegensatz zu Frodeno peilt sie den Rekord aber nicht am Wochenende in Roth an: Das sei „unrealistisch“. Gewinnen will sie auch nicht unbedingt, sondern lieber das Beste aus sich herausholen. Damit wäre auch der Druck, den ihr die anderen Starterinnen als Top-Favoritin zuschieben, geringer. „Ich will cool bleiben. Das schnelle Rennen, das reizt mich.“

Neben van Vlerken muss sich Ryf mit Carrie Lester, der Vorjahreszweiten, auseinandersetzen. „Ich habe damals nicht alles aus mir herausgeholt“, sagt die Australierin. Da geht also noch was, auch wenn das Ziel zunächst lautet, die neun Stunden wieder einmal zu unterbieten. „Wenn das fürs Podium reicht – ok. Wenn nicht, hatte ich ein schnelles Jahr.“

Die Dänin Michelle Vesterby, 2014 Achte im Ziel, fühlt sich so gut wie nie zuvor. Im vergangenen Jahr war sie in Roth, um ihren Mann zu unterstützen. Der war aber „so langsam, das muss ich jetzt besser machen.“ Es wird nicht leicht für Ryf werden, prophezeit Vesterby. „Es ist toll, jemanden zu haben, den man jagen kann.“ Auch die Nürnbergerin Anja Beranek wollte sich, getragen von ihren vielen Fans, ganz oben aufs Podium stellen. Wie van Vlerken war sie im Höhentraining, hat das Laufen verbessert. Doch nun wäre ein Platz unter den ersten Drei schon sehr schön. „Die Konkurrenz ist wie immer stark.“

Die Organisatoren liegen vor dem Zeitplan. So steht dem Triathlonfestival mit 260 000 Zuschauern, bei dem allein am Challenge-Wochenende laut dem 2. Bürgermeister Hans Raithel neun Millionen Euro in die Stadt Roth fließen, nichts mehr im Wege. Und, wenn das Wetter mitspielt, auch Frodenos Angriff auf den Weltrekord. Einer seiner Wünsche wird sich aber auf jeden Fall erfüllen. „Jan wird über das ganze Rennen Gänsehaut pur haben“, prophezeit van Vlerken.

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