Trump 2020: "Es würde schlimmer werden"

4.11.2020, 16:17 Uhr
"Zählt jede Stimme" steht auf dem Plakat. 

© Foto: John MACDOUGALL / AFP "Zählt jede Stimme" steht auf dem Plakat. 

Herr Lempke, wie haben Sie die Nacht erlebt?

Wayne Lemke: Ab Mitternacht kamen die ersten Prognosen und die allerersten Stimmen aus den Staaten. Der erste, wichtige Bundesstaat war Florida. Dort sah es anfangs gut für Joe Biden aus. Irgendwann dann nicht mehr. Da war ich sehr enttäuscht. Um 03.10 Uhr führte ich das erste Interview, da war ich noch bei guter Laune. Das bin ich jetzt noch immer (lacht).

Insgesamt war es ein komischer, ungewöhnlicher Verlauf. Es kamen dann erstmal keine Überraschungen mehr. Manche Staaten haben umgekehrt ausgezählt, weswegen dort teilweise lange Biden geführt hat – am Ende gingen die Staaten dann aber an Trump.

Trump 2020:

© Foto: Stefan Hippel

In Florida leben doch viele Latinx-Menschen, die wegen ihres Hintergrunds vielleicht eher Biden wählen könnten. Warum ging Florida trotzdem an Trump?

Wayne Lemke: Das hat man fast kommen sehen. Bei den Midterm-Elections 2018 hatten die Demokraten ein super Jahr und konnten überall Zuwachs verzeichnen – nur in Florida nicht. Es hieß dort im Vorfeld schon, dass man für die Biden-Kampagne nicht optimistisch gestimmt wäre. Dort leben auch nicht nur Menschen mit mexikanischen Wurzeln, sondern auch viele Exil-Kubaner oder Exil-Venezolaner. Die Menschen sind dort sozialistischen Strukturen entflohen. Trump sagt doch ständig, die Demokraten seien Sozialisten. Das hat in Miami den Unterschied gemacht.

Trump hat sich mittlerweile selbst zum Sieger gekürt. Ist das typisch Trump oder ist das eine Trotzreaktion aus Angst vor einer Niederlage?

Wayne Lemke: Beides. Er hält sich an keine Konventionen. Der Rechtsstaat ist ihm egal. Er sagt das, was er will. Er sagt zum Beispiel auch, Corona sei besiegt, obwohl die Zahlen steigen. Das fing damals schon an, als er erzählt hat, Barack Obama sei kein Amerikaner sondern in Kenia geboren. Die Leute wissen, dass er Dinge erfindet. Sie müssen es wissen. Manche finden es wohl lustig. Er spielt eine Rolle.

Durch die Corona-Pandemie setzten viele Menschen auf die Briefwahl. Kann das Trump nun in die Karten spielen?

Wayne Lemke: Trump kann behaupten was er will. Amerika ist ein Rechtsstaat. Trump hat nicht die Macht darüber, welche Stimmen ausgezählt werden und welche nicht. Ich habe das Vertrauen, dass das alles sauber ausgezählt wird. Problematisch wäre es, wie damals beim Fall Bush und Gore 2000, wo es um 537 Stimmen ging. In so einem Fall werden die Wahlzettel nochmal ganz genau angesehen. Wenn es aber um 10 .000 Stimmen oder mehr geht, wäre das nicht der Fall.

Vielen Amerikaner haben Corona-Tote zu beklagen haben. Hat das denn gar keinen Einfluss gehabt?

Wayne Lemke: Darauf habe ich keine eindeutige Antwort. In den Umfragen schien es vorher ein riesiges Thema zu sein, dass sein Management eine Katastrophe ist, beziehungsweise gar nicht stattgefunden hat. Wie die Leute jetzt gewählt haben, hat es sie wohl doch nicht zu sehr gestört. In den USA geht es viel um das Thema Freiheit. Trump sagt, dass die Menschen eine Maske tragen können, sie müssen aber nicht. Unter Biden haben wohl viele Angst vor Maskenpflicht und einem Lockdown. Es gibt dort nicht so einen Zusammenhalt, wie man es vielleicht aus Deutschland kennt. Hier sagen die Leute oft: "Das ist aber ungerecht!". Das hört man von Amerikanern nicht oft. Dort ist egoistisches Denken ausgeprägter.

Hat Biden es verpasst, Trumpwähler auf seine Seite zu ziehen?

Wayne Lemke: Er wurde genau deshalb nominiert. Trump ist auf dem Land immer noch stark, dafür hat Biden in den Vororten wieder mehr Zuwachs.

Welchen Einfluss hatte die Nominierung der Vize-Kandidatin Kamala Harris nun bei der Wahl?
Wayne Lemke: Es ist sehr umstritten, ob Menschen auch danach wählen, wer der Vize werden würden. Die Strategie bei Harris war, dass sie den Melting Pot der USA sichtbar macht. Die Demokratische Partei ist keine Partei für alte, weiße Männer. Dass es dort viele junge Wähler gibt, musste ausgedrückt werden. Wie viele Stimmen das letztendlich ausmacht, ist nicht klar. Vielleicht hier und da vereinzelt.


Was würden vier weitere Jahre Trump bedeuten?

Wayne Lemke: Ich befürchte, dass er in Sachen Nato noch trotziger werden würde. Dass er die Truppen in Deutschland abzieht, ist für mich der erste Schritt. Ich weiß nicht, in welchem Zustand die USA und die internationalen Beziehungen dann wären. Er ist bereits aus dem Pariser Klimaabkommen und der WHO ausgetreten. Es würde schlimmer werden.


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Und was käme bei einem Biden-Sieg auf die USA zu?
Wayne Lemke: Biden steht für das, wofür die demokratische Partei steht. Umweltschutz, Gesundheitswesen, Gerechtigkeit, Menschenrechte und internationale Verträge einhalten. Sein großes Anliegen wäre wieder einen respektvollen Ton in die Politik einzuführen. Er verkörpert ein bisschen das Ende der Spaltung der Gesellschaft.

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