Nadine Rosani und Designerin Vanessa Cognard

Vielfalt als Faszinosum: "Kunst am Kamin" mit Skulptur und Design

Petra Bittner

Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung

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11.9.2020, 18:22 Uhr
Vielfalt als Faszinosum:

© Foto: Petra Bittner

Hier haben sich die Holzbildhauerin Nadine Rosani und Designerin Vanessa Cognard nicht nur den Traum vom "Schöner Wohnen" erfüllt, sondern auch eine Biennale auf die Beine gestellt, die inzwischen fester Bestandteil im Kulturkalender des Landkreises ist: "Kunst am Kamin" heißt sie.Bis dato fand die Ausstellung alle zwei Jahre an zwei Wochenenden im Oktober statt. Diesmal werden sich die kulturellen Scheunentore etwas früher öffnen: Schon am Freitag, 18. September, 19 Uhr, steigt die Vernissage. Danach geht’s weiter – extra lang.

"Das wird ein regelrechter Kunst- und Kulturherbst", stellt Vanessa Cognard fest und meint damit: Wegen der Fülle entfallener Termine, die jetzt gerade überall nachgeholt werden, darf heuer "coronagestreckt" ganze vier Wochenenden im Aberzhausener Stadel geguckt und gestaunt werden. Was lohnt. Nicht nur des reizvollen Ambiente wegen, sondern vor allem um der siebenköpfigen Gastkünstlerschaft willen, die das Duo Cognard/Rosani um sich geschart hat.

Malender Autodidakt

Da wäre zum einen Andreas Heindl aus Zell. Ein malender Autodidakt, der seine Passion inzwischen mit treffsicherer Könnerschaft paart. In seinen großformatigen Bildern steht meist der Mensch im Mittelpunkt – auf konkrete und doch sehr surreale Weise. Denn die Protagonisten dieser bonbonfarbenen Szenen empfehlen sich nicht nur als ihre eigenen Dubletten, sondern demonstrieren gleichzeitig rätselhafte Posen nebst zukunftsgewandten Blicken und präsentieren sich in ihrem So-Sein vor ganz viel symbolträchtiger Staffage.

Damit setzt der Künstler ein ums andere Mal ein interpretationsgeladenes Spiel in Gang, das den Betrachter zur reizvollen Auseinandersetzung fordert. Kein Wunder, dass er in diesem Jahr für den Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten nominiert war. Ebenfalls eine NN-Nominierte ist Antje Wolkersdorfer aus Fürth. Sie hat sich der "Ästhetik des Alltäglichen" verschrieben und richtet ihren künstlerischen Fokus auf all das, woran Tag für Tag vorbeigeschaut wird: Umverpackungen und deren Inhalte.

So exponiert dargestellt, offenbart sich der schnöde Charme glänzend eingehüllter Paprika, luftdicht versiegelter Wurst oder seriell gestapelter Eierkartons, um gleichzeitig auf das fragwürdige Konsumgebaren einer satten Gesellschaft zu verweisen. Parallel dazu feiert Wolkersdorfer in abstrahierend gefassten Naturschilderungen die fragile Schönheit der Welt.

Kunst mit der Kettensäge

Eine "alte Bekannte, die fast schon zum Inventar gehört", wird ihre Werke eigens von München gen Heideck transportieren: Am liebsten mit der Kettensäge spürt Elsa Nietmann dem Wesen der Dinge nach. Und obwohl sie gern rohe Kanten stehen lässt, sind ihre Figuren alles andere als grobschlächtige Kerle, ganz im Gegenteil.

Bei Nietmann liegt die Kraft des Ausdrucks in der Haltung des Kreatürlichen. Wer erinnert sich noch an den drahtigen Wolf, den sie vor Jahren durch den Aberzhausener Stadel schleichen ließ? Ähnliches gilt übrigens für ihre Aktmalerei: Auch hier ist es weniger die konkrete Form, die sie interessiert, als vielmehr eine Innerlichkeit, die nach außen gekehrt werden will.

Heimspiel! Die Heideckerin Gabriele Breuer rückt bei "Kunst am Kamin" mit einer Auswahl an Keramikarbeiten an. Ihre Gefäße, Reliefs und Objekte sind der Natur nachempfundene Morphismen. Aus einer Art Papierpulpe erschafft sie ferner Plastiken, bei denen kaum etwas ist, wie es scheint. Denn die Figuren verraten am Ende rein gar nichts mehr von ihrer faserigen Beschaffenheit. Breuer versieht das Material vielmehr mit einer Beschichtung, die eher Bronze als Werkstoff vermuten ließe.

Abstrakt und expressiv

Ebenfalls aus der Landeshauptstadt kommend, wird Margit Memminger zu Gast sein in Aberzhausen. Sie hat sich einem abstrakten Expressionismus verschrieben, der mal farbig, mal monochrom, aber immer sehr vielschichtig daherkommt. Memminger kombiniert, übermalt, zieht Lagen ab und verleiht dem Malgrund auf solche Weise Charakter: Narbig, schrundig, gebrochen erzählt er die Geschichte seines Werdegangs. Die Gedanken der Besucher wird Memminger diesmal aber vor allem mit einer Videoarbeit ins Rollen bringen ...

Reinhard Netter aus Liebenstadt liebt Holz. Er gibt dem Werkstoff Raum, indem er die individuelle Zeichnung des Materials, seine Maserung, hervorhebt und vorhandene Risse oder Brüche einfach zulässt. Netter zollt der natürlichen Ressource auf solche Weise Respekt und die dankt es ihm mit einer anziehenden Formensprache, in welcher Werk und Künstler miteinander zu kommunizieren gelernt haben.

Reinhard Netters Drechselarbeiten sind somit "Sinnesgefäße", die nicht nur den Seh-, sondern auch den Tast- und Geruchssinn bedienen. Übrigens: Am letzten Ausstellungs-Wochenende, dem 10./11. Oktober, startet er mit Drechselvorführungen vor Ort durch!

Nicht nur Tassen im Schrank

Wer bei Porzellan an nichts anderes als Tassen und Teller denkt, darf sich von Veronika Riedl aus Aufseß eines Besseren belehren lassen. Dass der Werkstoff zu mehr taugt, als nur Gebrauchskeramik, stellt Riedl imposant unter reinweißen Beweis: Spinnen, Ameisen oder Libellen werden unter ihrer Regie zu filigraner Kunst; ebenso nehmen Tierschädel und Knochen in der Werkstatt der Oberfränkin zerbrechliche Gestalt an.

Wären da noch die Gastgeberinnen selbst: Nadine Elda Rosani mag´s gern groß. Kraftvoll geht die Bildhauerin auf Tuchfühlung mit "ihrem" Holz und lässt es Menschlich-Figürliches gebären. Da erstehen dann Typen – keine idealen, nein – sondern gebrochene, gespaltene, grobe. Und doch verleiht Rosani ihnen meisterlich Ausdruck, Haltung, Würde. Dieses berührende Paradox, das nicht selten aus den Arbeiten spricht, hat ihr bereits so einige Lorbeeren eingetragen, zuletzt den "artig"-Sonderpreis in Kempten.

Vanessa Cognard ist zwar in erster Linie Organisatorin und Koordinatorin von "Kunst am Kamin", versteht sich aber auch als Grafikerin vortrefflich aufs Geschäft. Von ihr sind in der Ausstellung überdimensionale Porträts zu sehen – "colorierte Skizzen auf Leinwand" – aus einem Mix aus Acryl, Kreide und Aquarell. Dabei gehe es ihr "gar nicht primär um die dargestellten Personen", sondern um Momentaufnahmen, in denen sich Emotionen spiegeln ...

"Die beste Schau, die wir je hatten"

Mit Blick auf all diese "Arbeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen" dürfe man sich also auf "eine vielfältige Ausstellung" freuen. "Wir sind sogar überzeugt", so Vanessa Cognard und Nadine Rosani unisono, "dass das die beste Schau wird, die wir je bei uns hatten ..."

Info"Kunst am Kamin 2020 – extra lang" beginnt mit der Vernissage am Freitag, 18. September, 19 Uhr. Am Samstag, 19., und Sonntag, 20. September, ist jeweils von 17 bis 20 Uhr geöffnet. Weiter geht´s am Wochenende 26./27. September. Auch da können sich Kunstinteressierte von 17 bis 20 Uhr mit den Arbeiten befassen. Das dritte Öffnungswochenende umfasst den 3./4. Oktober, 17 bis 20 Uhr. Am Samstag, 10., und Sonntag, 11. Oktober, ist "Kunst am Kamin" zum letzten Mal zu sehen: Zwischen 14 und 20 Uhr tut der Stadel seine Tore dann als "Außenstelle" des "Offenen Ateliers" der GEDOK Franken auf, die an diesem Tag auch in die Hilpoltsteiner Residenz zu einer Gemeinschaftsausstellung ihrer Mitglieder lädt. Hygienekonzept und weitere Updates zu "Kunst am Kamin 2020" unter www.projektkulturhof.com

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