Was tun mit dem Biber? Leben und leben lassen

9.6.2019, 06:30 Uhr
Was tun mit dem Biber? Gegner und Befürworter sitzen gemeinsam an einem Runden Tisch.

© Felix Heyder/dpa Was tun mit dem Biber? Gegner und Befürworter sitzen gemeinsam an einem Runden Tisch.

Denn auf der Suche nach geeigneten Quartieren dringt der Pelzträger zusehends in die Kulturlandschaft vor. Ein putziger Pummel, der nicht nur seine beschuppte Kelle, sondern auch Konfliktpotenzial hinter sich herzieht. Versuch einer Bestandsaufnahme.

Wo steht denn eigentlich, dass es bei Hempels unterm Sofa nicht auch recht hübsch aussehen könnte? Wer in Roth der Verlängerung des Meckenloher Weges bis zur B2-Brücke und weiter folgt, wähnt sich bald einem natürlichen Wirrwarr gegenüber: Entlang des Brunnbachs, der sein Bett hier verlassen hat, ziert aufgetürmtes Geäst die Umgebung; Baumstämme haben ihre vertikale Position aufgegeben, liegen nun über- und untereinander, andere recken ihre angenagten Stümpfe gen Himmel.

Dazwischen: Sattgrüne Grasfelder, die sich am morastigen Untergrund laben und sanft im Wind wippen, während die Frösche gemeinsam mit den Vögeln ein Lied gegen den vorbeidonnernden Schwerlastverkehr auf der nebenliegenden Bundesstraße angestimmt haben.

Naturschutz

Für Richard Radle, den Vorsitzenden der Rother Ortsgruppe im Bund Naturschutz (BN), "ein einzigartiges Bioptop". Eines, wie es nur der Biber hinbekommt: "Er macht sich seinen Lebensraum zurecht und man sieht direkt vor Ort, was passiert." Anfang April hatte der BN-Mann eine Gruppe Interessierter durch dieses Revier geführt, den Leuten Biberburg wie -bauten vorgeführt und festgestellt: "Die Akzeptanz ist da!"

Radle freut´s umso mehr, als der pelzige "Castor fiber" ein Ökomanager par excellence sei: Er renaturiert begradigte Flussverläufe, erzeugt mit seinen Dammbauten Wasserrückhaltesysteme, schafft neue Strukturen am Ufer wie im Wasser. Und: "Im Hinblick auf die Biodiversität ist ganz erstaunlich, was sich da alles einfindet" – Insekten, Amphibien, Vögel, Fische. Ja, Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich die Artenvielfalt in Anwesenheit des Bibers "sogar relativ rasch erhöht".

Im Landkreis Roth tut sie das mittlerweile in etwa 80 Revieren, die von rund 500 Exemplaren bevölkert werden. Die fleißigen Baumeister mit ihren charakteristischen orange-gelben Frontbeißerchen sind aktiv an Schwarzach, Thalach, Rezat, Rednitz, Roth, am Hembach, Brunnbach, Finsterbach oder an der Aurach. Unter anderem.

Landwirtschaft

Denn weil die Population seit den 1990er Jahren, als der Biber den Landkreis Roth für sich entdeckte, kontinuierlich gestiegen ist, dringt er inzwischen auch in erwerbswirtschaftlich genutzte Bereiche vor. Maximilian Schneider, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes Roth, kennt die Berichte von in Biberöhren eingesunkenen Landwirtschaftsmaschinen, von völlig vernässten Wiesen, vom sich rasch verändernden Eigentum der Bauern. "Hier müsste schnell durchgegriffen werden können", sagt Schneider – geht aber nicht.

Gemäß nationalem und EU-Recht ist der Biber nämlich unbedingt zu schützen, "obwohl der Bestand gesichert ist", wundert sich Schneider. Wenn also jemand einen Biber von seinem Nutzgrund und -boden entfernen möchte, "muss das abgearbeitet werden". Im Klartext: Vor der Erteilung einer Abschussgenehmigung stehe unter Umständen allerlei (vorgeschriebener) Aufwand auf der Agenda – in Form von Dammrückbauten, dem Einsatz von Gittermatten, der Installation eines Elektrozauns, dem Rückschnitt des Futterholzes oder Ähnlichem.

Hinzu käme: "Viele betroffene Landwirte sind es leid, im Schadensfall einen Antrag zu stellen, weil die Bürokratie so aufwändig ist", weiß Maximilian Schneider. Also ließen sie´s lieber bleiben, zumal man ohnehin nicht wisse, wie viel Geld am Ende aus dem Biberentschädigungsfonds noch herausspringe. Der nämlich ist für ganz Bayern mit 450 000 Euro gedeckelt, wobei die jährliche Schadensumme etwa doppelt so hoch wäre.

Doch auch wenn – wie Schneider es gutheißen würde – der Schutzstatus des Säugers gelockert würde, damit man sich einschlägiger Probleme schneller und unbürokratischer entledigen könnte, resigniere man nicht, sondern kooperiere. Mit dem Bibermanagement des Landkreises Roth, das seit 2006 seinen Dienst tut.

Bibermanagement

Ingrid Küttinger von der Unteren Naturschutzbehörde und fünf ehrenamtlich agierende Biberberater haben diese Aufgabe inne. Küttinger kennt natürlich die ökologischen Vorteile, die der hydrophile Vierbeiner mit sich bringt. Gleichwohl hat sie auch ein offenes Ohr für die Anliegen der Land-, Teich- und Forstwirte, denen Meister Bockert bisweilen stark zusetzt. Hier Ausgleich und Gleichgewicht herzustellen, ist ihr Job – und manchmal wohl auch die Quadratur des Kreises.

Dennoch, Ingrid Küttinger sieht´s pragmatisch: "Manche können mit dem Biber leben, manche nicht; manche sind Vollerwerbslandwirte und brauchen jeden Grashalm; manche Bauern bleiben halt zehn Meter von den Uferbereichen weg; manche sind frustriert, weil sie vom Entschädigungsfonds nichts kriegen, manche arrangieren sich ..." – So oder so. Für jeden gelte es im Einzelfall Verständnis und Hilfsoptionen zu entwickeln sowie Entschädigungsmöglichkeiten auszuloten.

Letztere könnten aber nur dann greifen, wenn beim Landratsamt Meldung erstattet würde. Und zwar innerhalb einer Woche nach Feststellung der Schäden. Dann nimmt ein Biberberater die Situation vor Ort in Augenschein, den Schadensfall auf, prüft, welche Maßnahmen Sinn machen, welche Fördermöglichkeiten es gibt und klärt die weitere Vorgehensweise mit dem potenziellen Antragsteller ab.

Biberberater

Einer, der das seit 14 Jahren praktiziert, heißt Peter Metka. Der Biberberater, der in Personalunion auch stellvertretender Vorsitzender der Teichgenossenschaft Schwabach-Roth ist, erinnert sich noch gut an jene Zeiten, als die Fronten zwischen Naturschützern, Teichwirten und Bauern "total verhärtet" waren. Gelinde gesprochen: "Eine Katastrophe!" Inzwischen habe sich "auf allen Seiten ein Lerneffekt eingestellt", konstatiert Metka, sodass die Devise mittlerweile laute: "Leben und leben lassen". Niemand wolle den Biber ausrotten, darin sei man sich einig. Und sofern der sich in einem Gebiet aufhalte, wo er keinen Schaden anrichte, "soll er da auch bleiben".

Weil der Biber aber nun mal keinen Unterschied zwischen Natur- und Kulturlandschaft kenne, müsse man mit den auftretenden Problemen umgehen. Dazu hat sich ein runder Tisch im Landratsamt etabliert, an dem sich die betroffenen Verbände regelmäßig versammeln, um ihre Sicht der Dinge darzulegen und Lösungen zu finden. Das hätte dazu geführt, "dass wir heute ein gutes Miteinander pflegen", meint Metka. Diese Situation zeichne den Landkreis aus, "obwohl wir an jeder Ecke Biber haben".

Und weil Metka als Teichgenosse selbst weiß, wie lästig des Nagers Präsenz sein kann, rät er zur Prävention. Er habe die Ufer seiner Gewässer "versteint" und sieht´s nicht nur als Biberschutz, sondern "Investition in die Zukunft meiner Anlage". Außerdem gebe es Zuschüsse über ein laufendes Teichbauprogramm.

Teichgenossen und Fischer

Jens Simson, Geschäftsführer der Teichgenossenschaft Schwabach-Roth mit ihren aktuell etwa 230 Mitgliedern, ist da etwas skeptischer: Baumaßnahmen zum Schutz vor dem Biber wären trotz allem "sehr aufwändig und teuer". Zumal man ja "keine Riesenbeträge mit dem Teich erwirtschaftet, kann man sich das in der Regel nicht leisten", glaubt er.

In eine ähnliche Richtung argumentiert Gerd Hofmann, der Vorsitzende des Fischereivereins Roth. Außerdem: Anfang des Jahres hätten sich zwei seiner Anglerkollegen bei der vom Verein gepachteten Weiheranlage in Lösmühle "fast den Hals gebrochen". Der Biber hatte hier ganze Arbeit geleistet. Nach der Ortsbegehung mit einem Biberberater, habe man sich auf verschiedene Reparaturmaßnahmen geeinigt, die die Fischer durch viel Eigenleistung auffangen. Aus dem Biberentschädigungsfonds gebe es dafür aber nicht einen müden Cent, "weil wir keine Erwerbswirtschaft betreiben", ärgert sich Hofmann. "Wohl kaum die intelligenteste Lösung", beklagt der FV-Chef.

Ausblick

Angesichts einer "schwierigen und komplexen" Gemengelage fordert Gerd Hofmann "klarere Linien, die nicht so viel Frust erzeugen". Im Fall der Fischer also: "direkte Entschädigungsmöglichkeiten".

Für Jens Simson von den Teichgenossen braucht es vor allem "übergeordnete Lösungen". Zwar werde seitens des Bibermanagements am Landratsamt bereits allerhand unternommen, doch müsse der Eingriff in die Population "auf höherer Ebene" erfolgen, findet er – "nicht durch Fangen und Wegschießen", sondern "schon, bevor sich der Biber ausbreitet".

Das mit der Ausbreitung sehen der Landtagsabgeordnete Volker Bauer (CSU), zugleich Vorsitzender der mittelfränkischen Jägerschaft, und Richard Radle vom BN nicht ganz so dramatisch: Die jährliche Reproduktionsrate, zitiert Bauer die Statistik, liege bei 30 Prozent. Und nachdem "Wohnraum" auch bei Bibers inzwischen knapp sei, würde eine Vielzahl von Jungtieren auf ihrer Suche nach einer geeigneten Bleibe häufig bei Revierkämpfen getötet; der Straßenverkehr tue ein Übriges, erläutert Radle.

Was tun mit dem Biber? Leben und leben lassen

© Foto: Petra Bittner

Für ihn ist der Biber somit "kein Problemtier". Schon aus dem Grund, "weil er sich nicht in der Fläche, sondern nur an Gewässern aufhält". Man könne daher "vernünftig gegenhalten", ist der Rother BN-Vorsitzende überzeugt: etwa mit Vergrämungsmaßnahmen an Teichen, Ersatzflächen für Landwirte und in allerletzter Konsequenz der Entnahme. Fakt sei: "Es gibt Mittel und Wege."

Auch das Credo von Teichgenosse und Biberberater Peter Metka lautet: "Man kann was tun!" Wenngleich es zu überlegen gelte, die vorhandenen Bürokratismen vielleicht doch etwas zu lockern. Wie auch immer – Metka ist zuversichtlich: "Man hat da in den vergangenen zehn Jahren eine wahnsinnige Entwicklung durchlaufen – das Thema wird sich auch in Zukunft weiterentwickeln." Drum hält er´s überzeugt mit Radle, Bauer, Küttinger und Co.: "Wir sind auf einem guten Weg!"

Fragen zum oder Probleme mit dem Biber? Die Untere Naturschutzbehörde gibt Auskunft unter Telefon (09171) 81-1433.

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