Brandstiftung

Weil sie aus Leidenschaft löschen: Feuerwehrmänner legten absichtlich Brände

18.5.2021, 18:33 Uhr
Weil sie aus Leidenschaft löschen: Feuerwehrmänner legten absichtlich Brände

© Christian Wiediger via www.imago-images.de

Stefan (21) löschte für sein Leben gern. Freiwillig leistet er aktiven Dienst bei der Feuerwehr in einem Ortsteil der Stadt Roth, unter seinen Kameraden, so ist Jugendgericht des Amtsgerichts Nürnberg zu hören, war er sehr beliebt. Doch wie brennend sein Ehrgeiz wirklich war, dies ahnte keiner bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Am 4. Mai 2020 gegen 0.30 Uhr züngelten aus dem Gebälk einer geretteten Holzhütte noch die Flammen, als Stefan L. (21) und Jürgen F. (21) vorläufig festgenommen wurden. Mitten im Löscheinsatz. "Wir ahnten schnell", so schildert der federführende Kriminalhauptkommissar der Kripo Schwabach, "dass die Täter bei der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr aktiv sind, denn jeder Tatort lag im Umkreis von höchstens einem Kilometer."

Drei Wochen vorher, am 12. April 2020, hatte die Serie begonnen. Damals schleppten Stefan L. und Jürgen F. gegen 21 Uhr zwei Ölkanister zu einer abseits gelegenen Straße und zogen eine Ölspur auf dem Asphalt. Später schlüpften die Feuerwehrmänner in ihre Uniformen und halfen bei der Reinigung. Der Stadt Roth entstanden 185, 82 Euro Kosten.

10.000 Euro Kosten für Feuerwehreinsätze

Stefan L. und Jürgen F. sind keine Jugendlichen, die auf der Straße rumhängen und eben mal eine Mülltonne anzünden, weil sie nichts Besseres zu tun haben. Beide sind voll berufstätig, beide engagieren sich ehrenamtlich bei der Feuerwehr - und dort waren sie gerne gesehen. Doch in den nächsten Jahren werden sie auch arbeiten müssen, um die Schadenersatzforderungen der Zivilprozesse begleichen zu können, die ihnen bevorstehen. Dazu sind allein 10.000 Euro Kosten für die von ihnen provozierten Feuerwehreinsätze entstanden. Und als verurteilte Brandstifter wird die Stadt Roth beide Männer voraussichtlich künftig von ihrem Dienst ausschließen.

Wie es überhaupt soweit kommen konnte? Auch ein Vorstand der Freiwilligen Feuerwehr sitzt im Zuhörerraum des Nürnberger Amtsgerichts, das Jugendgericht tagt als Schöffengericht, und schüttelt den Kopf. Stefan L. und Jürgen F. (die Namen der Betroffenen wurden geändert) waren unter den Kameraden der Feuerwehr beliebt, sagt er. Niemand hätte ihnen all dies zugetraut. Er selbst sei noch immer fassungslos.

Die einzige Erklärung für ihr Handeln liefern die Angeklagten selbst: In der Corona-Pandemie sei ihnen langweilig gewesen, ihnen stand der Sinn nach Abenteuer. Nie und nimmer sollte ein Mensch zu Schaden kommen, im Grunde legten sie die Brände nur, um anschließend zu helfen, so tragen es ihre Rechtsanwälte vor.

Löschen als Gemeinschaftserlebnis

Das Löschen eines Brandes ist ein Gemeinschaftserlebnis, als Mitglieder der Feuerwehr genießen Stefan L. und Jürgen F. Anerkennung - ging es ihnen darum? Die Angeklagten gestehen die Vorwürfe, die Suche nach dem Motiv bleibt im Jugendgericht oberflächlich.

Am 13. April 2020 übergossen sie gegen 21 Uhr einen Holzstapel auf einem Waldgrundstück mit Benzin, zündeten ihn an - um anschließend als Feuerwehrleute zum Einsatz zu fahren. Kurz nach dem Einsatz, gegen 22.40 Uhr, steckten sie den nächsten Holzstapel in Brand. Der Sachschaden jener Nacht betrug 600 Euro, die Kosten für beide Feuerwehreinsätze summierten sich auf 2252,39 Euro.

Am 15. April und am 19. April 2020 wiederholten sie ihr Spiel. Wieder besorgten sie Benzin an einer Tankstelle, wieder zündeten sie einen Holzstapel an. Und wieder traten sie als pflichtbewusste Feuerwehrleute in Uniform am Einsatzort an. Der Sachschaden diesmal: 3000 Euro, dazu 2168,66 Euro Kosten für den Feuerwehreinsatz.

Der Verdacht wuchs - entlarvt durch Telefonüberwachung

In Eckersmühlen, so schildert der Kriminalhauptkommissar, sorgten sich die Menschen damals zunehmend. Die Brände wurden größer. Und es war offensichtlich, dass es sich um Brandstiftung handelte, doch kein Motiv und kein Verdächtiger war in Sicht.

Dabei geriet Stefan L. rasch ins Visier der Kripo: Sein Handy war zu den Tatzeitpunkten in den Funkzellen an den Tatorten eingeloggt. Der Verdacht gegen ihn wuchs und er genügte, um sein Telefon überwachen zu lassen - und als Stefan L. am 3. Mai 2020 gegen 22 Uhr mit Jürgen F. telefonierte, hörten die Fahnder, dass nun ein noch größerer Brand geplant war.

Wieder sollte ein Holzstapel brennen, doch auch auf der Terrasse einer benachbarten Holzhütte wurde Benzin vergossen, und dazu zwischen der Hütte und dem Holzstapel jede Menge Klopapier ausgelegt. Die Tür der Hütte war zwar verschlossen, doch wirklich sicher konnten die jungen Männer nicht sein, dass nicht doch ein Mensch - etwa ein hilfloser Obdachloser - in der Hütte war.

Aus der Flammenfront im Wald wurde nichts: Diesmal informierte die Polizei die Feuerwehr, und Stefan L. und Jürgen F. wurden während der Löscharbeiten festgenommen.

Fast ein Jahr später haben sie viele Entschuldigungen vorgetragen. Jürgen F. hat einer Familie geholfen, deren Garten nach einem Brand wieder in Form zu bringen, beide haben angefangen, Schadenersatz zu leisten. Die Kosten der Feuerwehreinsätze stottern sie in Raten ab. Die Taten selbst müssen im Amtsgericht kaum noch aufgeklärt werden: Die Beweislast wiegt schwer, und die Angeklagten packten bei der Kripo schnell aus und wiederholen ihr Geständnis vor Gericht. So lautet die Frage vor allem, wie sie zu bestrafen sind.

"Hirnloses Tun"

Diese Überlegung ist im Jugendgericht grundsätzlich. Sollen die jungen Männer mit Nachsicht behandelt werden, um ihnen die Zukunft nicht zu verbauen oder muss den Heranwachsenden mit harter Hand eine Grenze aufgezeigt werden, weil ein zu mildes Urteil ihren eingeschlagenen Weg auf die schiefe Bahn bestätigt?

Gefängnisstrafen sind im Jugendgericht die letzte Möglichkeit - denn im Jugendstrafrecht geht es nicht um Vergeltung, sondern in erster Linie darum, Jugendliche und Halbwüchsige für die Gesellschaft zurückzugewinnen.

Stefan L. und Jürgen F. entschuldigen sich am Ende der Beweisaufnahme erneut. Zerknirscht betonen sie ihr "hirnloses Tun". Wie sich das Leben hinter Gittern anfühlt, wissen sie nach einigen Wochen in der U-Haft. In einer Mischung aus Angst und Reue beteuern sie zerknirscht, dies nie mehr erleben zu wollen.

Die Jugendgerichtshilfe, in Jugendsachen sind auch sozialpädagogische Gesichtspunkte gefragt, spricht von "Reiferückständen" und von "Abenteuerlust".

Doch aus Abenteuerlust derartige Straftaten zu begehen, sei kaum zu glauben. Die Angeklagten hatten "irres Glück", dass nicht mehr passiert ist, so Jugendrichter Marc Dereser in der Urteilsbegründung. Gemeinschädliche Sachbeschädigung (gemeint ist die Ölspur auf der Straße), Brandstiftung in vier Fällen und versuchte schwere Brandstiftung (der Holzstapel neben der Hütte) bringt beiden jeweils eine Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten ein. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt, beide bekommen einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt.