„Weil wir niemals vergessen dürfen“

10.11.2015, 16:50 Uhr
„Weil wir niemals vergessen dürfen“

© Foto: Elke Bodendörfer

Einer, der alljährlich diese Feier besucht, ist der Biburger Alfred Pfaller. Der mittlerweile 89-Jährige erinnert sich noch gut daran, was er als zwölfjähriger Bub miterlebte. „Ich fuhr mit meiner Mutter am Tag danach nach Thalmässing. Wir wollten beim Schülein (ehemaliges jüdisches Haushaltswarengeschäft) einkaufen. Die Schaufenster waren eingeschmissen.“

Frau Schülein habe ihnen erzählt, dass die beiden Kinder bereits nach Amerika ausgereist seien. Familie Schülein wollte ihnen so schnell wie möglich folgen. Verkaufen durften sie ab diesem Tag sowieso nichts mehr. Es sei alles beschlagnahmt worden. Dieses Erlebnis hat sich bei dem älteren Herren eingeprägt. Er kann es nicht vergessen. Und das sei auch gut so, wenn sich alle Generationen daran erinnern, wozu Rassenwahn und Hetze gegen Andersgläubige oder vermeintlich Andersartige führen können. Gerade jetzt, wo angesichts der vielen Flüchtlinge in Deutschland wieder ausländerfeindliche Parolen an der Tagesordnung seien. Dies machten sowohl Thalmässings Pfarrer Rudolf Hackner als auch 2. Bürgermeisterin Ursula Klobe in ihren Ansprachen deutlich, denen etwa zwei Dutzend Teilnehmer beiwohnten.

Klobe ging auf die Geschichte der Juden in Thalmässing ein, die dort bereits seit 1409 urkundlich nachgewiesen sind. 1835 habe es 335 jüdische Einwohner gegeben, ein Drittel des Kernorts Thalmässing. Nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler wurden die Juden systematisch von der NSDAP hinausgedrängt. 1933 lebten nur noch vier Familien in Thalmässing.

In der Reichspogromnacht blieb die Thalmässinger Synagoge zumindest außen verschont, wusste Pfarrer Rudolf Hackner zu berichten. Sie war ein Jahr zuvor geschlossen worden. Das noch darin befindliche Mobiliar wurde allerdings zerstört. Später wurde das Gebäude als Getreidespeicher und als Turnhalle genutzt. 1972 wurde es abgerissen. In unmittelbarer Nähe steht nun ein Gedenkstein.

Thalmässinger Mittelschüler sind gerade mit Pfarrer Hackner dabei, Erinnerungstafeln für geschichtsträchtige Gebäude und Stellen in der Marktgemeinde zu erstellen — eine davon ist für den Platz an der ehemaligen Synagoge gedacht. „Weil wir niemals vergessen dürfen“, wie Hackner mehrfach betonte.

Ursula Klobe machte keinen Hehl daraus, dass sie mit Sorge beobachte, dass Fremdenfeindlichkeit wieder auf dem Vormarsch sei und dass Populisten mit billigen Sprüchen Stimmung gegen andere machen. Nun seien „aktive Geduld“ und Offenheit gefragt. „Es hat keinen Zweck, mit Hass auf Hass zu reagieren“, sagte die Lokalpolitikerin, die froh ist, dass die Thalmässinger sich sehr tolerant zeigen.

Mit Kerzenlicht, jüdischen Liedern und einem Gebet wurde die Erinnerungsfeier ausgeschmückt. Abschließend legte jeder Teilnehmer einen Stein an den großen Gedenkstein. Weil wir niemals vergessen dürfen. Schalom.

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