Wendy ist der „Boss“ an der Spülstraße

20.5.2016, 17:02 Uhr
Wendy ist der „Boss“ an der Spülstraße

© Foto: Elke Bodendörfer

Dass Wendy überhaupt bei ihm arbeitet, sei „aus der Not geboren“, sagt Möltner. Es werde immer schwieriger, Saisonarbeitskräfte zu finden, die bereit sind, von Mai bis September in der Küche und beim Saubermachen zu helfen und bei schlechtem Wetter daheim zu bleiben. Seit er 1989 das Strandhaus Birkach als Pächter übernommen hat, war der Gastronom schon immer auf osteuropäische Hilfskräfte angewiesen.

Als Möltner nun Mitarbeiter suchte, dachte an die vielen Asylbewerber im Landkreis und rief im Landratsamt an. Noch am gleichen Tag nahm Maria Müller vom Helferkreis Hilpoltstein mit den Möltners Kontakt auf und stellte Wendy vor. Dann ging es Schlag auf Schlag. Die emsige Helferin besorgte die erforderlichen Papiere. Ein Arbeitsvertrag wurde unterschrieben und seit 1. April arbeitet Wendy in Birkach.

Der sympathische 32-Jährige spricht bereits fast fließend Deutsch. Bei Winfried Möltner ist der Äthiopier der „Boss“ an der Spülstraße, er richtet die Tische her, macht sauber, stellt die Schirme auf und ab und zu darf er auch schon als Schankkellner in den Kiosk.

Auch die Engelmanns vom Grashof beschäftigen zwei Äthiopier. Einer ist der 28-jährige Solomon, ein Bekannter von Wendy, der in Hilpoltstein in der Asylbewerberunterkunft unter der Burg lebt und im vergangenen Herbst angefragt hat, ob es einen Job für ihn gibt. Willi Engelmann sagte, er müsse über den Winter erst einmal Rad fahren und Deutsch lernen. Beide Aufgaben hat er erfüllt und so gehört er seit April zu Engelmanns Team. Auch wenn es mit dem Radeln nicht immer so einfach ist. Deutsche Verkehrsregeln sind ihm noch nicht so vertraut. Anton, der wie alle anderen aufgrund ihrer unaussprechlichen Namen so von seinem Boss „getauft“ wurde, hat bereits eine Saison in Grashof hinter sich. Hermine Engelmann hat ihn zufällig beim abendlichen Spaziergang getroffen, als er nicht mehr zu seiner Unterkunft in Allersberg fand.

Im Gespräch mit ihm stellte sich heraus, dass er früher in Addis Abeba im Catering-Bereich gearbeitet habe. Hermine Engelmann wurde hellhörig und fragte ihn, ob er Lust hätte, am Grashof zu arbeiten. Übers Landratsamt ging die Vermittlung schnell über die Bühne. „Die beiden sind so herzlich und freundlich“, schwärmt Willi Engelmann. Sie helfen beim Eisverkauf, beim Spülen, Abräumen – eigentlich fast überall, wo Not am Mann ist. Anton hilft manchmal auch in der Küche beim Gemüseschneiden, Kartoffelschälen und anderen vorbereitenden Arbeiten. „Er ist unheimlich fleißig und möchte mal Koch werden.“

Das deutsche Stammpersonal und auch die meisten Gäste kommen übrigens bestens mit den Helfern aus dem Ausland zurecht. Vereinzelt habe es aber schon Probleme mit Gästen gegeben, gibt Hermine Engelmann zu. Wenn Anton oder Solomon beim Eisverkauf nicht auf Anhieb „Schwarzwälderkirsch“ verstehen, wird der ein oder andere Gast schon mal ungehalten und unverschämt. „Wir stehen aber hinter den beiden.“

Engelmann und Möltner sind froh, dass die diesjährige Saison arbeitskräftemäßig gesichert ist. Ein paar Vorurteile sollen hier auch noch aus dem Weg geräumt werden: Nein, die Asylbewerber bekommen nicht nur 1,50 Euro Stundenlohn. Der Mindestlohn gilt in Deutschland für alle genauso wie die gesetzlichen Arbeitszeiten.

Und: „Die nehmen niemandem die Arbeit weg“, sagt Willi Engelmann. Deutsche, die das machen wollen, seien Mangelware.

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