Widerspruch? Corona-Inzidenz sinkt, Klinik-Belegung steigt

11.4.2021, 07:00 Uhr
Widerspruch? Corona-Inzidenz sinkt, Klinik-Belegung steigt

© Foto: imago images/Max Stein

Die Maxime "wir wollen mit unseren Entscheidungen nicht hinterherhinken, sondern vorgreifen", die Chefarzt Dr. Albert Götz gegenüber unserer Zeitung formulierte, war am Mittwoch von der Wirklichkeit eingeholt worden.

Ein Patientenansturm in den Nürnberger Notaufnahmen ließ den Rettungsdienst die Belastung der medizinischen Einrichtungen auf "Rot" stellen. Die Kranken wurden in der Region verteilt. Von den vier Kliniken des Koordinationsnetzes im Süden, zu denen Schwabach, Roth, Gunzenhausen und Weißenburg gehören, waren drei nur noch beschränkt aufnahmefähig.

Der in Roth angesiedelte Intensivmediziner Dr. Milan Wasserburger leitet dieses Koordinationsnetz und hat schon auch registriert, dass die Inzidenzen leicht sinken. Ganz anders aber verhält es sich mit den Belegungszahlen in den Krankenhäusern. Nachdem die Nürnberger Kliniken um Ostern rum Alarm geschlagen haben, war klar, dass das auch Auswirkungen auf die Region haben würde, was sich dann ja auch ganz schnell bestätigt hat.

 

Da dreht sich nicht alles nur um Covid-19. In Roth beispielsweise lag gestern ein Corona-Patient auf der Intensivstation und – nach einigen Entlassungen unter der Woche – noch sieben auf der Corona-Station. "Das waren in der zweiten Welle wesentlich mehr als momentan", hält Chefarzt Dr. Götz fest, "doch wir stellen uns auf eine höhere Belegung ein." Und das bei einem hohen Grundstock an "Normalpatienten". Es deutet sich eine Reduzierung der Operationen an.

Höchster Ausschlag der dritten Welle

Ein weiterer Gesichtspunkt: Unter Medizinern gelten die momentanen Infektionszahlen wegen der Osterferien und der Feiertage als weniger zuverlässig als üblich. Es wird weniger getestet und gemeldet. Mediziner haben auch einen anderen Kalender, der die vollen Häuser erklärt. Dr. Wasserburger: "Wir haben es jetzt mit den Infizierten vom Palmsonntag zu tun." Also bislang höchster Ausschlag der dritten Welle.

Dazu kommt, dass ein Klinik-Aufenthalt wegen der Auswirkungen der britischen Mutante wesentlich länger dauert als bei den Patienten der ersten und zweiten Welle. Weniger bekannt dürfte sein, dass es einen regelrechten Stau auf dem Weg von den Krankenhäusern zu den Reha-Kliniken gibt, worauf Dr. Wasserburger verweist.


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Covid-19-Patienten sind in vielen medizinischen Bereichen betroffen und können nicht einfach daheim auf die Weiterbehandlung warten. Sie müssen etwa von den Beatmungsgeräten auf der Intensivstation regelrecht abgewöhnt werden. Lange Liegezeiten bewirken Muskelschwund und Kreislaufprobleme. Manche Patienten müssen tatsächlich wieder laufen lernen. Dazu kommen Erscheinungen wie Gedächtnisschwäche. In die Entscheidung eines Besucherstopps fließen solche Bedingungen mit ein.

Vorbereitung auf Verschärfung

Dr. Götz ist sich bewusst, dass persönliche Kontakte für das Wohlbefinden und bei der Genesung von Patienten eine wichtige Rolle spielen. Deshalb habe die Kreisklinik in Roth auch nach dem Höhepunkt der zweiten Welle – anders als andere Häuser – Lockerungen zugelassen. Der "Eintrag von außen" berge momentan wieder das höchste Risiko für den Krankenhausbetrieb und den wolle man mit dem Besucherstopp reduzieren. Andersrum gesprochen heißt das, die Klinik bereitet sich auf eine Verschärfung der Lage vor.

Pflegedienstleiter Dieter Debus, der dafür verantwortlich ist, dass das Personal an den richtigen Stellen da ist, blickt nicht nur auf einen nie dagewesenen Verschiebe-Kraftakt zurück, der mit dem Ausbruch der Pandemie nötig wurde, sondern muss auch vorausschauen. Ihm fällt dazu eine Analogie aus dem Straßenverkehr ein: "Das ist wie eine Rettungsgasse auf der Autobahn. Du musst den Weg freihalten und weißt nicht, ob überhaupt ein Sanka kommt oder wie viele – oder ob sich der Stau von selbst auflöst."

Immerhin, einen Engpass wie zum Höhepunkt der zweiten Welle sieht er momentan nicht. Im Januar und Februar hatte das Virus verstärkt auch beim Pflegepersonal zugeschlagen. Diese Infektionen sind übrigens ein Grund, warum noch nicht alle Pflegekräfte geimpft sind. "Das wird in absehbarer Zeit deutlich besser", ist sich Debus sicher. Das wäre dann ein Faktor weniger, der das Management einer "Rettungsgasse" erschwert: "Der Aufwand für die Pflegekräfte den ganzen Tag in Schutzkleidung ist ungleich höher. Die brauchen auch einmal eine Verschnaufpause."

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