Wie der sanfte Mainzer aus Köln nach Roth kam

17.8.2018, 05:50 Uhr
Wie der sanfte Mainzer aus Köln nach Roth kam

© Foto: Martin Regner

"Ich mag das Auto. Ich muss ehrlich sagen, dem trauere ich jetzt schon nach", sagt Manfred Klittich. Klittich ist seit 42 Jahren Fachdienstführer für den Fernmeldedienst beim Roten Kreuz und hat den anno 1979 in Mainz gebauten und nach Köln erstausgelieferten Bus im Jahr 2000 selbst nach Roth geholt.

Wer genau hinschaut, kann den vorherigen Einsatzort des alten Busses immer noch von der Karosserie ablesen: Direkt hinter der Vordertür über dem Kotflügel, wo früher einmal der Schriftzug "Berufsfeuerwehr Köln" aufgeklebt war, zeichnen sich die längst entfernten Buchstaben heute noch als dunklere Schatten auf dem signalorangen Lack ab.

Heute einfach zu groß

An die Überführungstour von Köln nach Franken vor 18 Jahren kann sich Klittich noch gut erinnern: "Der Bus ist zwölf Meter lang und 2,50 Meter breit. Auf der Autobahn war das kein Problem, aber auf dem Weg rein nach Roth habe ich gedacht, ich nehme alle Ampeln und Verkehrsschilder mit. Es ist beim Lenken halt schon was anderes, wenn man zwei Meter vor der Vorderachse sitzt." Wegen seiner Vergangenheit bei der Kölner Feuerwehr ist der Bus auch nicht in dem für das Rote Kreuz üblichen Beigeton, sondern in Signalorange lackiert.

Der Grund für die bevorstehende Außerdienststellung des Busses in Roth ist aber nicht sein Alter von inzwischen fast 40 Jahren. Auch technische Defekte gibt es keine: "Der hat erst wieder seine vorgeschriebene Sonderprüfung ohne Mängel bestanden, so wie jedes Mal", sagt Klittich nicht ohne Stolz."

Nein, mit dem baldigen Dienstende hat es eine völlig andere Bewandtnis, erklärt Michael Languth als stellvertretender Einsatzleiter beim Roten Kreuz: "Der ist heute einfach zu groß. Früher war der das einzige Einsatzleit-Fahrzeug im ganzen Landkreis. Da ist auch die Feuerwehr und die Polizei mit eingestiegen, wenn was los war. Heute haben die alle ihre eigenen Fahrzeuge und die sind kleiner und wendiger."

Andererseits haben die voluminösen Dimensionen auch ihre Vorteile: Im Innenraum etwa ist Platz für einen breiten Konferenztisch, an dem sich ganze Einsatzteams besprechen können. Im hinteren Bereich gibt es vier hochmoderne Computerarbeitsplätze, die in keinem größeren Kontrast zu dem betagten Fahrzeuginterieur stehen könnten: Hier schwarze Flachbildschirme aus dem 21. Jahrhundert, dort Schranktüren und Regale mit einer Oberfläche aus braun gemasertem Holz-Imitat, die es so auch in jedem deutschen Wohnzimmer der 1980er-Jahre hätte geben können.

Der Besprechungsraum ist im Winter besonders beliebt. Er ist beheizbar und so können sich ausgekühlte Rettungskräfte hier zwischendurch aufwärmen, wenn sie längere Zeit in winterlicher Kälte im Einsatz sein müssen. Außen am Heck stehen zwei ausfahrbare Lichtmasten mit Scheinwerfern zur Ausleuchtung von Einsatzstellen bei Nacht zur Verfügung. Ebenfalls im Fahrzeugheck, allerdings versteckt hinter einer breiten Klappe, arbeitet der luftgekühlte Motor mit 232 PS.

Vertraute Kanten

Das Fahrgestell stammt von der einst renommierten Marke Magirus-Deutz aus Ulm, die mit ihrem Omnibuswerk in Mainz zeitweise zum zweitgrößten Bushersteller Deutschlands aufstieg. "Die Sanften aus Mainz" lautete ein zeitgenössischer Werbeslogan des Unternehmens, den Klittich nur bestätigen kann: Das Fahrgefühl an Bord beschreibt er als komfortabel und der Fahrer wird nicht nur von einer Servolenkung, sondern auch einer Automatik unterstützt.

In den 1980er-Jahren wurde die Marke Magirus-Deutz, die inzwischen zum Iveco-Konzern gehörte, aufgegeben. Das Mainzer Bus-Werk musste 1982 schließen. Die eckig-kantigen Formen des dort gebauten Busses könnten manchem Betrachter heute trotzdem noch sehr vertraut vorkommen: Nicht nur als Schul- und Linienbus, sondern auch als Bahn- und Postbus stand der Typ L117 in den 1970er- und 1980er-Jahren fast an jeder Straßenecke in Deutschland.

Inzwischen ist der L117 beinahe ausgestorben, nur einzelne wenige Exemplare haben in Sammlerhand überlebt. Außer dem Einsatzleitwagen aus Roth gibt es nur noch ein einziges weiteres Fahrzeug dieses Typs in Deutschland, das noch im aktiven Einsatzdienst steht. Dieses stammt von der Berufsfeuerwehr in Frankfurt am Main und gehört heute einer kirchlichen Organisation in Hattingen.

 

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