Zu Beginn Unterschriften im Fünfminutentakt

31.1.2019, 16:43 Uhr
Zu Beginn Unterschriften im Fünfminutentakt

© Foto: Jürgen Leykamm

Mit dem Gongschlag greift der Eysöldener Norbert Schäffer zuerst zum Kugelschreiber. Er ist immerhin der Landesvorsitzende des LBV (Landesbund für Vogelschutz in Bayern) und einer der Sprecher des Volksbegehrens. Der LBV ist einer der Träger des Gesetzesentwurfs. Weitere sind der Bund Naturschutz, die Grünen sowie die ÖDP.

Der Erstunterzeichner in der Marktgemeinde ist begeistert, welch große öffentliche Aufmerksamkeit die Initiative erregt. Allein am Tag vor dem Startschuss hätten sich in den Zeitungen Bayerns fast so viele Berichte mit ihr beschäftigt, wie es Tage im Jahr gibt. "Wenn wir von Haus zu Haus gingen, hätten wir noch mehr Chancen auf viele Unterschriften", ist er überzeugt.

"Wenn in Thalmässing jeden Tag 50 Personen unterschreiben, erreichen wir unser Ziel der zehn Prozent zumindest lokal." Doch in ganz Bayern braucht es diesen Prozentanteil der Stimmberechtigten.

Im Rathaus der Thalachgemeinde geht es relativ flott voran. In den ersten 80 Minuten werden schon 16 Unterschriften verzeichnet. Im Lauf des Tages gewinnt die Initiative zusehends an Fahrt. Gerade auch in den Städten wie Roth und Hilpoltstein.

"Hier ist die Hölle los", beschreibt Roland Hitschfel, Leiter des Rother Ordnungsamts am Nachmittag die Situation im Rathaus der Kreisstadt. Der erfahrene Beamte gibt offen zu: "An so einen Andrang für ein Bürgerbegehren kann ich mich nicht erinnern." Für ihn auffallend: "Der Anteil der älteren Bürger, die hier unterschrieben haben". Und trotz der Wartezeiten, die sich sogar zwischenzeitlich ergeben, "ist überhaupt kein Gemurre zu hören", so Hitschfel.

Auch in Hilpoltstein haben die Rathausmitarbeiter am Tag eins alle Hände voll zu tun. Schließlich müssen die Personalien eines jeden Einzelnen, der zum Unterschreiben kommt, geprüft werden. "Hier ist richtig viel los", gibt Frank Kössler kurz und knapp aus dem Rathaus II der Burgstadt zu Protokoll.

Zurück nach Thalmässing zum Auftakt: Eine der Ersten, die hier den Stift zum Unterschreiben zückt, ist Braureichefin Marlies Bernreuther. Sie unterstütze das Volksbegehren, weil sie damit "den Stein ins Rollen bringen wolle", sagt sie.

Man wolle "eine gute Diskussion anfachen", pflichtet ihr Ursula Klobe bei, Chefin des Eysöldener Obst- und Gartenbauvereins. Denn was auf freiwilliger Basis gegen das Artensterben geschehe, genüge nicht.

Es sei allerdings ein Irrtum zu glauben, dass über das Volksbegehren die Landwirte zu irgendetwas gezwungen werden sollen, so Schäffer. Im Gegenteil: den hiesigen Kleinbauern gelte es, den Rücken zu stärken. Das Problem stelle eher die Agrarindustrie dar. Und es sei im Falle des Erfolges nicht der einzelne Bauer zum direkten Handeln, sondern die Staatsregierung aufgefordert, den rechtlichen Rahmen der Umsetzung abzustecken.

"Ein guter Tag"

Insekten und Hofbesitzer profitierten gleichermaßen und deswegen dürfe man sich heute auch über einen "guten Tag für Bienen und Landwirte" freuen, betonte der LBV-Vorsitzende.

Außerdem seien bei der Verwirklichung des Vorhabens auch die Privatpersonen und Kommunen gefragt, machte Klobe, selbst 2. Bürgermeisterin der Marktgemeinde, deutlich. Ein Vorgarten rein aus Stein müsse nicht sein und nicht jeder kommunale Grünstreifen müsse abgemäht werden, nur damit es "aufgeräumt" aussehe. Sie geht davon aus, dass die Millionenmarke an Unterschriften geknackt wird.

Ist das geschafft, muss der Landtag über den Gesetzesentwurf des Volksbegehrens entscheiden. Lehnt er ab, kommt es zu einem Volksentscheid, in dessen Rahmen in München auch ein entsprechender Alternativvorschlag erarbeitet werden muss.

In den Reihen der Unterstützer ist auch Claudia Dollinger, die in Offenbau einen Biolandhof mitsamt Bauernhof-Kindergarten betreibt, dabei. Die vergangene Woche stand dort unter dem Thema "Insekten". Ein Ergebnis davon ist eine große Bienencollage, die die Biobäuerin zum Unterschreiben mitgebracht hat.

Teilweise Verständnis

Die Bedenken ihrer konventionellen Kollegen, die etwa um Fördergelder bangen, kann sie zwar teilweise verstehen. Hat aber einen grundsätzlicheren Ansatz: Wenn das Artensterben in dem Tempo weitergehe, "brauchen wir uns über Förderungen gar nicht mehr zu unterhalten", befindet sie. Denn dem Ableben der Tiere folge zwangsläufig das der Menschen.

Bisherige Maßnahmen, den rasanten Verlust der Arten zu stoppen, seien gescheitert. "Die Zeit ist abgelaufen!" so Schäffer – ein "Weiter so" könne es nicht mehr geben.

In drei Jahrzehnten seien sowohl in Bayern wie in ganz Deutschland und EU weit die Fluginsekten um 75 Prozent zurückgegangen und die Zahl der Schmetterlinge um die Hälfte. In der Agrarlandschaft wiederum tummelten sich nur noch halb so viele Vögel wie noch vor 40 Jahren.

Leider beschleiche viel zu viele Zeitgenossen das Gefühl, man könne ja nichts tun, bedauert Dollinger. "Aber das stimmt nicht; es gibt Möglichkeiten, etwas zu ändern – manchmal genügt dazu bloß eine Unterschrift."

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