Laizismus-Debatte

Der Engel muss weg! So strikt trennt Schwabachs Partnerstadt Les Sables Kirche und Staat

Gunther Hess

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8.9.2023, 15:00 Uhr
Nicht das Objekt des Streits, aber ein ganz ähnliches und nicht weit entfernt: die goldenen Statue des Erzengels Michael auf dem Dach der Abtei Mont-Saint-Michel in Westfrankreich. Im knapp 300 Kilometer entfernten Les Sables d'Olonne, der Partnerstadt Schwabachs, wurde nun eine andere Figur desselben Heiligen von öffentlichem Grund verbannt.

© Damien Meyer, dpa Nicht das Objekt des Streits, aber ein ganz ähnliches und nicht weit entfernt: die goldenen Statue des Erzengels Michael auf dem Dach der Abtei Mont-Saint-Michel in Westfrankreich. Im knapp 300 Kilometer entfernten Les Sables d'Olonne, der Partnerstadt Schwabachs, wurde nun eine andere Figur desselben Heiligen von öffentlichem Grund verbannt.

"Der Engel muss weg. Weil Frankreich die Trennung zwischen Kirche und Staat ernst nimmt, wird ein Heiliger von öffentlichem Grund geschoben - dreizehn Meter weiter." Dies war vergangenes Wochenende auch in deutschen Medien zu lesen. Ort des Geschehens: Schwabachs französischer Partnerstadt Les Sables d’Olonne.

Die dortige Stadtverwaltung stellte vor fünf Jahren die Statue des Heiligen Michael, die bis dahin im Hof einer Schule gestanden hatte, vor der Kirche auf. Doch die Freidenker vom Verein "La libre penseé" wiesen darauf hin, dass die Stadt Les Sables damit gegen das Prinzip des Laizismus verstoße. Laizismus ist ein religionsverfassungsrechtliches Modell, dem das Prinzip strenger Trennung zwischen Religion und Staat zugrunde liegt. Die Statue müsse weg, sie stehe auf öffentlichem Grund.

"Ajatollahs der Laizität"

Les Sables’ Bürgermeister Yannick Moreau nenne seine Gegner gerne die "Ajatollahs der Laizität", hieß es in der Berichterstattung. 94 Prozent der befragten Bürger sagten, die Statue solle stehenbleiben. Drei Gerichte gaben jedoch den Freidenkern recht: Die Statue muss nun weg.

Und sie kommt auch bald weg: Die Stadt hat der Kirche ein Stück Land verkauft, 53 Quadratmeter für 3000 Euro. Dort soll eine Rampe entstehen für Kirchgänger mit eingeschränkter Mobilität. Und für die Statue ist auch noch genug Platz. Um 13 Meter soll der Erzengel Michael verschoben werden - symbolträchtig und doch auch kurios.

Trennung von Staat und Kirche sehr ernst genommen

Unsere französischen Nachbarn nehmen es bitterernst mit der Trennung zwischen Staat und Kirche beziehungsweise Religion. Wie bei uns der Staat die Kirchensteuer einzieht, wäre in Frankreich undenkbar. Seit 1905 gilt dort das sogenannte Laizistische Prinzip.

Zwei Artikel des damaligen Parlamentsbeschlusses sind zentral: Artikel 1 garantiert jedem Bürger die ungehinderte Ausübung seiner Religion im Rahmen der öffentlichen Ordnung. Artikel 2 schreibt vor, dass der französische Staat Religionsgemeinschaften weder anerkennt, finanziert noch subventioniert.

Nach französischem Verständnis bedeutet Neutralität auch das Fernhalten von religiösen Bezügen aus dem öffentlichen Raum – zum Beispiel aus dem öffentlichen Raum der staatlichen Schule. Entsprechend gibt es in Frankreich keinen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen.

Das Tragen von religiösen Symbolen wie Kreuz, Kippa oder Kopftuch ist Schülern auf dem Schulgelände seit 2004 sogar per Gesetz untersagt. In Frankreich sind Religionsgemeinschaften in Form von privatrechtlichen Vereinen organisiert. Sie sind keine Körperschaften des öffentlichen Rechts.

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