Der Wolf im Landkreis Roth? Lösungen gesucht

3.3.2018, 05:58 Uhr
Der Wolf im Landkreis Roth? Lösungen gesucht

Neulich nahe Großweingarten. Das, was vom Fuchs übrig geblieben ist, sieht alles andere als appetitlich aus: Der Kopf liegt abgetrennt im weißen Schnee, blutige Wirbel ragen in die kalte Luft. "Ich bin mir zu 99,9 Prozent sicher", sagt Harald Fritsch, Vorsitzender des Jagdvereins Gunzenhausen und Jagdpächter im benachbarten Enderndorf – "das waren Wölfe!".

Dem Bayerischen Landesamt für Umweltschutz (LfU) erscheint der Sachverhalt keineswegs so klar: "Kann alles mögliche gewesen sein. Es ist nicht einmal mehr zu sagen, ob der Fuchs durch Gewalteinwirkung von außen zu Tode gekommen ist. Aasfresser gibt es in Bayern zuhauf...", interpretiert das LfU von Hof aus Fritschs Bildmaterial. Auch Karl Heubusch, Leiter der Hegegemeinschaft Spalt, mag nach ausgiebiger Inspektion des großen Gebietes, zu dem Großweingarten gehört, keinen "Wolfalarm" ausrufen.

Und dennoch, völlig ausgeschlossen ist es nicht. Der Wolf im Rother Landkreis? "Möglich", sagt Artenschutzreferent Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Immer öfter tappt Meister Isegrim schließlich in Fotofallen oder hinterlässt Fell- und Speichelspuren, freistaatweit. Im Bereich der Nationalparks Bayerischer Wald und dem tschechischen Sumava gibt es mittlerweile ein Wolfsrudel, aber auch bei Neumarkt oder Ansbach wurden schon Einzelexemplare auf der Durchreise gesichtet.

Ein Grund zur Panik wär´s nicht. "Es wird sehr viel Aufregung produziert", meint von Lindeiner. Aufregung, die größer sei als das, was draußen passiere.

Vorfälle wie sie Jagdpächter Fritsch schildert – dass mehr Rehe gerissen würden, bei Enderndorf zwei Ziegen verschwanden, zwei Pferde auf einer elektrisch umzäunten Koppel in verstörtem Zustand aufgefunden wurden und letztlich besagter Fuchs zu Tode kam – sind für Andreas von Lindeiner keine gültigen Indizien: "Das kann alles auch auf wildernde Hunde zurückgehen." Gleichwohl sei´s unumstößlich: Der Wolf kehrt zurück.

"Er könnte inzwischen jederzeit und überall in Bayern gesichtet werden", erklärt der Artenschutzreferent. Und das bedeute: "Man braucht eine Struktur".

Finanzielle Hilfen

Eine, die sowohl praktikable als auch finanzielle Hilfen für Herdenhalter in den Blick nimmt; die den Jägern die Sorgenfalten bezüglich einer sich verändernden Wald- und Wildlandschaft glättet, ihnen Handlungsoptionen bietet; und die nicht zuletzt auch den Wolf selbst sowie dessen Bedürfnisse unaufgeregt in den Fokus rückt.

Denn dass das Thema Herdenschutz nun "kräftig durchgerüttelt wird", steht für den anerkannten deutschen Wolfexperten Ulrich Wotschikowsky außer Frage. Dass sich das Landschaftsbild durch mehr Wolf-Präventionsmaßnahmen wie etwa Schutzzäune verändern werde, auch. Dass sich das Wild in Anwesenheit von Beute-greifern anders verhalte, "ist nichts Neues, sondern seit Millionen von Jahren so", bestätigt Wotschikowsky.

Aber dass der von Natur aus scheue Wolf per se eine Gefahr für den Menschen, speziell für Kleinkinder, darstelle – "das ist eine sehr weit hergeholte Möglichkeit", meint der Experte, der am Donnerstag im Rother Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten referierte. Tenor: "Man muss es sachlich angehen." Wotschikowsky gehört, wie auch Andreas von Lindeiner, zum "Netzwerk große Beutegreifer" – einer Arbeitsgemeinschaft aus überwiegend Ehrenamtlichen, die alle möglichen Hinweise über Wölfe im Freistaat zusammentragen und sich als Ansprechpartner zur Verfügung stellen. Region für Region.

Aber egal wo, es sei "Nervosität zu spüren", hat LBV-Mann von Lindeiner festgestellt. Umso dringender bedürfe es eines ausgewogenen Wolf-Managementplans. "Wir müssen das miteinander auf die Reihe kriegen", unterstreicht von Lindeiner und meint Landwirte, Jäger wie Artenschützer gleichermaßen. Doch den Rahmen habe letzten Endes die Politik zu spannen.

Kompromisse schmieden

Volker Bauer, hiesiger Stimmkreisabgeordneter im Landtag, ist kürzlich zum mittelfränkischen Bezirksvorsitzenden des Bayerischen Jagdverbands (BJV) gewählt worden. Auch für ihn gehe es in Sachen Wolf nun darum, Kompromisse zu schmieden: "Rubrik ,Leben und leben lassen’".

Dabei weiß Volker Bauer, was der Jäger fürchtet: die Dynamik, die mit dem Wolf in den Wald einzieht. "Landschaft der Angst" nennt man das Phänomen, wenn andere Tiere in Anwesenheit von Beutegreifern erhöhte Sensibilität an den Tag legen. Der MdL prognostiziert auf Basis dieses Umstands: mehr Wildunfälle, mehr Verbiss und weniger Abschuss, weil Reh & Co. lieber in Deckung bleiben.

"Man kann die Probleme aktuell nur schwer abschätzen", meint Bauer – "wie damals beim Biber." Weil der Nager nach seiner Auswilderung nämlich zusehends Schaden anrichte, sei der Entschädigungsfonds mittlerweile von 50 000 auf 450 000 Euro geklettert.

Auch die Eingriffe ins Landschaftsbild durch ein Mehr an Schutzumzäunungen sieht Bauer kritisch: "Was gewinnt man?" fragt er und löst die Rechnung selber auf: eine weitere Tierart zuungunsten einer sich verändernden Kulturlandschaft.

Worauf der Politiker aber unbedingt drängen will, das sei eine Regelung zur "Entnahme von Problemwölfen". Sprich: Abschuss der geschützten Vierbeiner "in bestimmten Fällen". Die konkrete Definition solcher Fälle werde nachzureichen sein.

Obschon er "den arithmetischen Mittelwert der Wahrheit" in puncto Wolf selbst noch nicht kenne, sieht auch Volker Bauer die Notwendigkeit zu handeln: "Die Leute brauchen Planungssicherheit", glaubt er und hofft darauf, "dass das Umweltministerium endlich in die Puschen kommt".

Diesen Ball schmettert Ulrich Wotschikowsky aber umgehend zurück: Nicht die "Wolfsfreunde" seien die "Bremser". Vielmehr blockiere das Landwirtschaftsministerium im Moment "alles, was darauf hinausläuft, mit dem Wolf ein Auskommen zu haben." Und Lindeiner ergänzt, dass ein vom Umweltministerium vorgelegter Entwurf des Managementplans seit Monaten bei Landwirtschaftsminister Brunner auf Eis liege.

Zur Sicherheit DNA-Analyse

Kurz: "Es werden noch erhebliche Diskussionen nötig sein", bilanziert Andreas von Lindeiner die bisherigen "Sitzungsmarathons" mit der "hohen Politik" zum Thema Wolf.

Diskutiert haben aber auch die Mitglieder des Hegerings Spalt in ihrer jüngsten Zusammenkunft. Aus gegebenem Anlass. Verblieben sind sie so: Sollten künftig verdächtige Rissfunde als etwaige Fingerzeige in Richtung Wolf weisen, würden diese sofort einer DNA-Analyse zugeführt. Denn zumindest in diesem Punkt wolle man dann möglichst schnell Eindeutigkeit haben...

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