Die Glosse: Corona und mein Leben mit dem Dashboard

20.9.2020, 06:00 Uhr
Wie viele haben sich gestern wieder angesteckt? Frag den Computer. Der weiß es.

© Jan Woitas, dpa Wie viele haben sich gestern wieder angesteckt? Frag den Computer. Der weiß es.

Seit Ausbruch der Pandemie bin ich Fan-Boy der Podcasts von Christian Drosten. Und von so genannten Dashboards.

Drosten kann das Virus so gut erklären, dass ich das Gefühl habe: Ja, Corona und ich, wir sind halt doch alte Bekannte, ich bin fast geneigt zu sagen: gute Freunde.

Dashboards wiederum sind Tabellen und Grafiken. Sie zeigen im Fall der Coronakrise an, wie viele Leute sich vorgestern wieder in Schwabach angesteckt haben (meistens: keiner), wie hoch die Zahl der neuen positiven Tests im Landkreis Roth, in Bayern, in Deutschland, in Indien, Brasilien und in Neuguinea ist.

Immer schön Sonntagsruhe

Die dazugehörigen Grafiken machen deutlich, dass das neuartige Virus bei uns in Good Old Germany immer schön Sonntagsruhe einhält, auch wenn angebliche Fachleute einen anderen Erklärungsversuch haben: den, dass nicht alle Gesundheitsbehörden am Wochenende Daten an das zuständige Robert-Koch-Institut übermitteln.

Allabendlich jedenfalls sitze ich vor meinem Rechner und lasse die blauen und gelben Balken vor meinem Auge vorbeiziehen, die mal größer und mal kleiner werden. Die aber nicht, anders als uns Donald Trump versprochen hatte, einfach wieder wie durch Zauberhand verschwinden, wenn es draußen warm ist.

Erbärmlicher Zustand

Dass die Gesundheitsämter in anderen Ländern in einem noch viel jämmerlicheren Zustand sind als in, sagen wir mal, Boris-Johnson-Großbritannien, macht das Corona-Dashboard der amerikanischen Johns-Hopkins-Universtität deutlich. Wer sich durch die Hitparade der am meisten von Corona gebeutelten Länder klickt, der stößt auf Platz 29 auf das kleine südamerikanische Ecuador.

Dort befindet sich das Virus seit Ende März in einer, um es ein wenig medizinisch auszudrücken, stabilen Seitenlage. Das heißt, die Zahl der täglichen positiven Tests schwankt so zwischen 100 und 2100.

Ganz besonders schlimm wütete es aber am 24. April, als sich gleich 11 536 Ecuadorianer auf einmal ansteckten. Das Land war danach so in Schockstarre, dass es in den folgenden Tagen keine einzige Neuinfektion mehr gab.

Wie durch Geisterhand

Das Virus, zumindest die ecuadorianische Form von Corona, kann aber nicht nur nehmen, es kann auch geben. So verzeichnet die Johns-Hopkins-Universität an einem wirklich denkwürdigen 7. September 2020 die eigenartige Zahl von minus 7953 Neuinfektionen. Ecuador schaffte es damit, die Gesamtzahl der positiven Tests vorübergehend wieder auf unter 100 000 zu drücken.

Noch einmal zur Verdeutlichung: An diesem 7. September hat sich nicht nur kein einziger Ecuadorianer neu angesteckt. Fast 8000 positive Tests lösten sich gewissermaßen in Luft auf.

Ich frag´mal den Drosten

Wie das geht? Vielleicht haben die Leute das gleiche Zeug geschluckt wie Trump, also dieses Hydroxychloroquin, das aber wohl nur bei Trump hilft, nicht aber bei normalen Menschen. Vielleicht haben sie in Ecuador auch einen Impfstoff und sagen es nur nicht, damit die Amis nicht gleich das ganze Land leerkaufen. Vielleicht ist es ein Rechenfehler der Universität. Ach, ich sollte mal bei Christian Drosten nachfragen.

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