Jury beeindruckt

Europäischer Architekturfotografiepreis geht nach Rednitzhembach

23.7.2021, 06:04 Uhr
Zumindest das Licht dringt aus der Metropole weit in den ländlichen Raum vor. Eines der vier Bilder der Serie von Oliver Heinl, mit der er den renommiertesten europäischen Architekturfotografiepreis gewonnen hat. Aufgenommen hat er es mitten in der Nacht. Es dokumentiert die so genannte "Lichtverschmutzung", ein immer größer werdendes Umweltproblem.

© Oliver Heinl Zumindest das Licht dringt aus der Metropole weit in den ländlichen Raum vor. Eines der vier Bilder der Serie von Oliver Heinl, mit der er den renommiertesten europäischen Architekturfotografiepreis gewonnen hat. Aufgenommen hat er es mitten in der Nacht. Es dokumentiert die so genannte "Lichtverschmutzung", ein immer größer werdendes Umweltproblem.

Wer durch die Homepage von Oliver Heinl (www.heinl-foto.de) scrollt, der kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Unendlich viel Sehenswertes aus der Welt der Architektur, aus der Welt der Baustellen und aus der Welt der Industrie. Neue Blickwinkel, faszinierende Details, ungewöhnliche Perspektiven, kreative Lichtgestaltung. Zu sehen sind: viele, viele klassisch schöne Bilder.

Doch jetzt hat der 55-jährige Rednitzhembacher sein Spektrum noch einmal erweitert und damit den wichtigsten und mit 6000 Euro dotierten europäischen Architekturfotografie-Preis "architekturbild" gewonnen. Den gibt es seit 2003, alle zwei Jahre wird ein neues Motto ausgerufen. Oliver Heinl beteiligt sich regelmäßig. 2005 gab es einmal eine "Anerkennung". Ansonsten ging er bislang leer aus.

Der Ritterschlag

Bis jetzt. Da wählte die renommierte Jury, bestehend aus Fotografen, Architekten, Redakteuren, Museumsleitern, Stiftungsvertretern und dem Vorstand des ausschreibenden Vereins "architekturbild e.V.", seine Vierer-Serie auf Platz eins. "Das ist der Ritterschlag", freut sich Heinl. "In meiner Vita macht sich das richtig geil."

"Das Urbane im Peripheren" hieß in diesem Jahr das Leitmotto des Wettbewerbs. Frei übersetzt: Wie wirkt sich großstädtische Architektur im ländlichen Raum aus?

Und wo ist die Architektur?

Wer sich Oliver Heinls ungewöhnlich düstere Siegerbilder aber anschaut, der wird auf den ersten Blick nicht viel von Architektur erkennen. Und klassisch schön sind die Fotos auch nicht. Mehr zu erahnen als zu sehen sind die Schattenrisse von schwach beleuchteten Ställen, von dunklen Scheunen und dunklen Mini-Gebäuden. Aufgenommen wurden die Bilder in Leuzdorf bei Rohr, in der Nähe von Allersberg und bei Möning im Kreis Neumarkt.

Siegerehrung in coronagerechtem Abstand. Oliver Heinl (li.) nimmt im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt den mit 6000 Euro dotierten ersten Preis entgegen.

Siegerehrung in coronagerechtem Abstand. Oliver Heinl (li.) nimmt im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt den mit 6000 Euro dotierten ersten Preis entgegen. © Harald Jotz-Munique

Das Besondere erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Obwohl die Bilder im Herbst 2020 mitten in der Nacht entstanden sind mit einer Belichtungsdauer von 15 bis 20 Sekunden, ist doch auf jedem Bild am Firmament in weiter Ferne ein orangefarbenes oder weißes Licht zu erkennen. Leuzdorf ist mindestens 20 Kilometer von Nürnberg entfernt, Allersberg knapp 30, Möning rund 35.

Anerkennung auch aus dem Rathaus: Oliver Heinl (li.) bei einem Besuch bei Bürgermeister Jürgen Spahl.

Anerkennung auch aus dem Rathaus: Oliver Heinl (li.) bei einem Besuch bei Bürgermeister Jürgen Spahl. © Robert Gerner, NN

Und doch strahlt Nürnbergs nächtliche Beleuchtung weit ins Umland hinaus. So kann also das Urbane auch ins Periphere vordringen, ganz ohne Baustelle, ganz ohne Baumaschinen, ganz ohne Architektur, ganz ohne Glitzer- und Spiegelpaläste. "Die Lichtverschmutzung", sagt Oliver Heinl, "ist auch auf dem Land enorm". Sie stört nachtaktive Tiere, sorgt dafür, dass manche Menschen schlechter schlafen und verhindert einen klaren Blick auf den Sternenhimmel.

Angenehm subtil

Den Preis für seine Siegerserie nahm Oliver Heinl dieser Tage im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt entgegen. Jury-Mitglied Andreas Meichsner würdigte in seiner Laudatio die "angenehm subtile Darstellung" der Bilder, die zum Eintauchen und damit zur Auseinandersetzung mit einem zunehmenden Umweltproblem anregen, "ohne dabei lehrhaft sein zu wollen".

Oliver Heinl lernte den Beruf des Fotografen von der Pike auf. Nach der Ausbildung bei einem Fotografen in Feucht erkannte er aber schnell, dass das klassische Geschäft der Fotografen - Familienfeiern, Hochzeiten, besondere Schulveranstaltungen, Porträtfotografie - nichts für ihn ist. Er machte sich 1992 selbstständig und konzentrierte sich auf Aufträge aus Industrie und Wirtschaft sowie von Architekten. Daneben hat er mit seiner Frau einen Verlag gegründet, der ihre eigenen (Foto-)Bücher herausbringt.

Heinls Einsatzgebiet ist ganz Europa, coronabedingt war er die vergangenen eineinhalb Jahre aber fast ausschließlich in Deutschland unterwegs. Meist liefert er Auftragsarbeiten zu festen Konditionen ab, der Wettbewerb von architekturbild ist für ihn die Chance, sich künstlerisch weiterzuentwickeln.

Heinls Bilder und die Fotoserien der weiteren Preisträger (zwei gleichwertige zweite Preise, vier Auszeichnungen und 20 Anerkennungen) sind derzeit im Frankfurter Architekturmuseum zu bewundern. Oliver Heinl will die Schau aber in absehbarer Zeit nach Nürnberg holen, vielleicht in die "Galerie Auf AEG". Ein Datum dafür steht aber noch nicht fest.

Anerkennung für Robert Schlaug

Irgendwie erstaunlich: Die insgesamt 27 Preisträger kommen aus ganz Europa (allerdings mit Schwerpunkt Deutschland). Aber immerhin zwei davon aus der Region. Neben dem Sieger Oliver Heinl aus Rednitzhembach freute sich auch fünf Kilometer weiter, in Roth, ein Fotograf über eine der 20 "Anerkennungen": Robert Schlaug, der schon mal die hässlichen Seiten der bayerischen Gewerbegebiete in ein Buch gepackt hat, hat wirklich monströse Architektur auf dem flachen Land direkt in seiner Nachbarschaft aufgespürt und kontrastreich abgelichtet; zum Beispiel das weiß in die Landschaft gestanzte Hochregallager von Keller & Kalmbach direkt an der Autobahn-Ausfahrt Hilpoltstein.

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