Vorreiter in Schwabach

Erste Fahrschule in der Region bietet Unterricht im Elektroauto an

3.1.2022, 05:50 Uhr
Die Fahrschule Steyer in Schwabach bietet für den Fahrunterricht jetzt ein Elektroauto an.

© Felix Kirmann, NN Die Fahrschule Steyer in Schwabach bietet für den Fahrunterricht jetzt ein Elektroauto an.

E-Mobilität löst in der Öffentlichkeit auch eine emotionale Diskussion aus. Aus welchen Gründen haben sich die Steyers für ein Elektroauto entschieden?

Die unerwartete Antwort lautet: Man brauchte im Sommer schnell ein neues Auto, berichtet Tom Steyer. „Im Autohaus konnte uns aber niemand sagen, wann wir ein neues Fahrzeug bekommen. 2022? Wann genau, konnte man uns nicht versprechen.“ Und: „Wegen der Knappheit von Halbleitern und Mikrochips gab es für uns keine Neuwagen mit Dieselmotor. Ein Jahreswagen wäre teurer gewesen als ein Neuwagen mit Fahrschulrabatt“, erläutert Uwe Steyer.

Zufall war Vater der Idee

Eher durch Zufall habe der Mitarbeiter des Autohauses dann den verfügbaren VW I.D 3 Pro S gefunden. „Weil der sofort zu bekommen war, haben wir uns für das E-Auto entschieden.“

Man sehe sich als Versuchskaninchen, da noch nicht genügend Erfahrungswerte existieren, wie sich ein Elektro-Auto im Alltag schlägt. Dennoch bewerten beide den Schritt als richtige Entscheidung.

Wollen die Steyers als erste Fahrschule mit E-Auto ein ökologisches Vorbild mit Alleinstellungscharakter sein? Die vielen unsicheren Variablen bei einem E-Auto wie etwa in Bezug auf Wiederverkauf oder Verschleiß im Fahrschulbetrieb beurteilen die Fahrlehrer zwar kritisch, dennoch sehen sie Handlungsbedarf im Individualverkehr. Uwe Steyer: „Man steht im Alltag vor Unbequemlichkeiten und Herausforderungen. Ich habe Glück, dass ich das Auto in der Garage laden kann. In Wohnblöcken ist das aber nicht der Fall.“

Günstiger grüner Strom

Er zeigt mir eine App auf seinem Smartphone, die die Ladeleistung und die Kapazität des Akkus anzeigt. „An der Steckdose lädt das Auto mit zwei Kilowattsunden. Das gibt mir zehn Prozent in einer Stunde.“ Von den Stadtwerken habe er sich einen neuen Zähler in die Garage bauen lassen, der in Zukunft auch eine eigene Ladesäule mit elf kWh beziffern soll. „Für diesen Zähler bekomme ich nur grünen Strom. Der ist sogar günstiger“, führt er aus. „Es ist mir wichtig, wenn ich die Umwelt schonen will, alles zu tun, was ich kann, um grüner zu sein. Auch mit dem Strom, denn Mobilität hinterlässt immer einen Abdruck.“

Das erwarte er auch von den Herstellern in Bezug auf die Rohstoffbeschaffung und die Herstellung der Autos, sonst verlagere sich der Schmutz nur. „Als reiches Land muss Deutschland in diesem Thema Vorreiter sein“, betont er.

Über den Fahralltag mit dem E-Auto können die beiden Fahrlehrer noch kein endgültiges Fazit ziehen. „Dafür sind wir mit 3000 Kilometern noch nicht lange genug damit gefahren“, sagt Tom Steyer. Das Fahren aber sei hervorragend, insbesondere die geringe Lautstärke und das schöne Beschleunigen genießen sie. Außerdem „lernen wir von Tag zu Tag mehr dazu“, lacht Uwe.

Ein Härtetest

Die Fahrschule ist für Autos mit Schaltgetriebe ein Härtetest. Meistens halten sie den nur drei Jahre lang durch. Mit dem Automatikgetriebe des E-Autos, so vermuten die Steyers, können sie vielleicht vier oder fünf Jahre lang fahren.

Trotzdem sei das Auto für den Arbeitsalltag eines Fahrlehrers noch nicht genügend ausgereift. So sei die Sicht des Fahrlehrers auf die Anzeigen nicht optimal. Und eine Änderung der Software für Fahrschulen sei nicht in Planung. „Leider haben die Fahrlehrer keine Lobby, die im Austausch mit den Herstellern steht. Eigentlich müsste das in deren Interesse sein, denn wir testen die Autos auf Herz und Nieren“, merken die beiden Fahrausbilder an.

Im Alltag versuchen die Fahrlehrer noch, die Reichweite des Autos bei 80 Prozent Ladung einzuplanen und ihre Stunden entsprechend zu strukturieren. Dann kommt das Auto je nach Außentemperatur und Bereifung ungefähr 350 Kilometer weit. Das sei insbesondere bei den Autobahn- und Überlandfahrten ein wichtiges Planungskriterium.

Infrastruktur muss noch wachsen

In der Praxis erproben die Fahrlehrer erst noch die Koordination von Ladungszeiten und Fahrschulbetrieb. Die Infrastruktur der öffentlichen Ladesäulen sei noch nicht ausreichend ausgebaut, und viele Ladesäulen würden nicht die versprochene Ladeleistung liefern. „Dennoch wird es zusehends besser“, relativiert Uwe Steyer die Kritik.

Ist denn ein Führerschein auch mit einem Auto mit Automatikgetriebe möglich? Uwe Steyer klärt mich über den kombinierten Führerschein B197 auf. Dieser ermöglicht eine Fahrerausbildung sowohl mit Schalt- als auch mit Automatikgetriebe. Nach zehn Stunden mit Schaltgetriebe kann der Fahrlehrer mit einer Schaltkompetenzprüfung den Schülerinnen und Schülern die Freigabe für Schaltgetriebe bescheinigen. Uwe Steyer sieht „eher die Tendenz zur Automatik“. Aus diesem Grund werden Fahrzeuge mit Automatikgetriebe auch im Fahrschulalltag immer wichtiger.

Tom Steyer ist auch in der freiwilligen Feuerwehr aktiv. „Wir wissen noch nicht, was im Fall eines Unfalls ist“, äußert er sich besorgt. Für die meisten Feuerwehren seien Rettungen aus E-Autos noch Neuland. Das Auto lässt sich im Ernstfall schwer öffnen und durch die Entflammbarkeit der Lithium-Ionen-Akkus nur mit großem Aufwand in einem Löschcontainer löschen.

Einen solchen hätten aber meist nur große Berufsfeuerwehren. Die Fahrschule geht mit gutem Vorbild voran. Und Tom Steyer hat QR-Codes an das Fahrzeug angebracht, um den Rettungskräften einen einfachen Zugang zur Rettungskarte des Fahrzeugs zu ermöglichen.

Bei der Probefahrt im Schwabacher Stadtverkehr kann ich mich von den großartigen Fahreigenschaften des Autos überzeugen. „Der Wendekreis ist durch den Heckantrieb herrlich klein“, schwärmt Tom. Besonders komfortabel ist der Rekuperationsmodus, in welchem das Auto die Energie der negativen Beschleunigung zurückverwandelt. „Das vermindert auch den Verschleiß der Bremsen und den Ausstoß von schädlichem Bremsstaub“, merkt Tom Steyer an.

Mit Gefühl aufs Gaspedal

Beim Einparken in die Einfahrt erzählt Uwe Steyer von einer speziellen Problematik für Fahrschülerinnen und -schüler: „Das Auto beschleunigt sehr stark. Da muss man schon gefühlvoll mit dem Gaspedal sein, sonst macht es beim Einparken einen Satz nach hinten“, lacht er.

Doch wie relevant ist die Fahrausbildung mit einem E-Auto für die jungen Erwachsenen? „Selbst wenn sich die Schülerinnen und Schüler jetzt noch kein E-Auto leisten können, werden sie früher oder später eines fahren“, ist Uwe Steyer überzeugt.

„Der Verkehr hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Deshalb benötigen Fahrschülerinnen und Schüler mehr Übung, eben auch mit dem E-Auto. Das haben sie dann ihren Eltern voraus und sind gut auf eine potenzielle Zukunft der Mobilität vorbereitet.“

Trotz vieler Unsicherheiten und Unbequemlichkeiten haben sich die Steyers zu dem Schritt in die Zukunft entschieden. Als Pioniere können sie ihre Erfahrungen an die Fahrschülerinnen und -schüler weitergeben und erste Erfahrungen mit der Elektromobilität ermöglichen. „Wir stehen an einem Scheideweg“, beurteilte Uwe die Lage. „Wir haben jetzt den ersten Schritt in diese Richtung getan.“

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