Flurneuordnung: Ein Spiegelbild der Gesellschaft

12.7.2020, 06:00 Uhr
Flurneuordnung: Ein Spiegelbild der Gesellschaft

Und die Flurneuordnung und Dorf-erneuerung im Jahr 2020? Treffen in Dürrenmungenau vor dem schmucken Feuerwehrhaus. Elfriede Engelhardt, Projektleiterin für Dürrenmungenau am Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) in Ansbach, und ihr Stellvertreter Stefan Winter haben Ordner voller Pläne mitgebracht. Dürrenmungenau mag ein kleines Dorf sein mit kaum 300 Einwohnern. Aber es geht um insgesamt 464 Hektar. Jeder Quadratmeter will verplant sein.

Am Ende bleiben – und das unterscheidet die Flurbereinigung des 20. von der Neuordnung des 21. Jahrhunderts – immerhin 9,6 Hektar für so genannte Landschaftspflegeflächen übrig. Für ökologisch wertvolle Bereiche, in der Traktoren und Feldfrüchteanbau noch nicht einmal die zweite Geige spielen sollen.

Wichtige zwei Prozent

Das sind zwar nur etwas mehr als zwei Prozent des gesamten Umgriffs. Aber gerade um diese zwei Prozent geht es Abenbergs Bürgermeisterin Susanne König an diesem sonnigen Morgen. Deshalb hat sie die Fachleute vom ALE Ansbach, Vertreter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), der Unteren Naturschutzbehörde am Rother Landratsamt, des Landschaftspflegeverbands und natürlich der örtlichen Teilnehmergemeinschaft zusammengetrommelt.

Alle sagen, dass eine solche Flurbereinigung eine komplexe Sache ist. Es ist nicht nur das altbekannte Tauziehen zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen, das Ausbalancieren der Forderungen der Praktiker vor Ort auf der einen und der Behördenvertreter auf der anderen Seite. Auch innerhalb der Gruppen gibt es mitunter Meinungsunterschiede. Wenn Naturgartenprofi Birgit Helbig, die stellvertretende Pflanzmeisterin der Teilnehmergemeinschaft, das alleinige Sagen hätte, dann würde das Ergebnis sicher ein wenig anders aussehen als wenn Pflanzmeister Hans Ludwig Körner, der Dürrenmungenauer "Schlossherr", einfach "durchregieren" könnte.

Kann er aber natürlich nicht, denn Flurbereinigung ist zuerst und zuletzt immer ein Miteinander-Projekt. Das Wort "Kompromiss" wird hier ganz groß geschrieben. Im Idealfall ist das Ringen um den richtigen Weg wie ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Widerstreitende Interessen

Trotzdem: Dr. Renate Brunner vom AELF vertritt logischerweise eher die Interessen der Landwirtschaft, Nicole Menzel vom Landschaftspflegeverband und Ruth Schleicher von der Unteren Naturschutzbehörde müssen aufpassen, dass Bodenbrüter wie die rund um Dürrenmungenau vorkommende geschützte Feldlerche, der Vogel des Jahres 2019, nicht unters Mähwerk kommen. Und das Amt für Ländliche Entwicklung muss all diese Interessen bündeln und möglichst gut unter einen Hut bringen.

Ist das zu schaffen? Mit dem bisherigen Ergebnis in Dürrenmungenau ist Projektleiterin Engelhardt recht zufrieden. Wenn man einmal vom zeitlichen Ablauf absieht. Das Verfahren wurde 1995 (!) angeordnet – heuer könnte man Silberjubiläum feiern, so denn Feiern in Corona-Zeiten möglich wären.

Richtig los ging es aber erst 20 Jahre später. Mal wechselte die Zuständigkeit (nach Ansbach), mal musste die Stadt Abenberg den Fuß vom Gaspedal nehmen, weil in anderen Dörfern auch überall Flurneuordnungsverfahren liefen.

Flächen sind neu verteilt

Ja, sagt Engelhardt, es habe lange gedauert. Doch das Ergebnis sei gut geworden. Die Flächenneuverteilung ging im Vorjahr über die Bühne. Die Widerspruchsfrist läuft zwar noch, doch von ganz großer Unzufriedenheit der wenigen Dürrenmungenauer Vollerwerbslandwirte (nur noch vier) und der Nebenerwerbsbauern hat die Projektleiterin nichts gehört. "Das passiert ja auch nicht von heute auf morgen, sondern ist ein langwieriger Prozess mit vielen, vielen Gesprächsrunden", erklärt sie.

Auch die Dorferneuerung ist zuletzt gut voran gekommen. Die Dorfstraßen, durch jetzt die Naherholer mit ihren Bikes rollen und über die Kirche und das Wasserschloss staunen, sind neu asphaltiert. An manchen Häusern ist frische Farbe zu sehen, hie und da sind kleine, gepflasterte Plätze entstanden. Neben dem Fischbach, der das Dorf durchzieht, soll noch ein Spielplatz gebaut werden. Und die Straße von Dürrenmungenau bis zur B 466, vorbei an Pippenhof und Weihermühle, muss noch gerichtet werden. "Schritt für Schritt" gehe das, sagt Bürgermeisterin König.

Elfriede Engelhardt mahnt in solchen Phasen, in denen es manchem nicht schnell genug geht, zu Geduld. Der Staat fördert die (öffentlichen) Maßnahmen bei Flurbereinigung und Dorferneuerung zwar derzeit mit 59 Prozent. Aber 41 Prozent bleiben halt doch bei der Kommune vor Ort hängen, im Fall Dürrenmungenau also bei der Stadt Abenberg. "Das muss man sich auch erst einmal leisten können."

Fortwährende Pflege und Betreuung

Bei den Landschaftspflegeflächen geht es Bürgermeisterin König darum, "dass wir diese Flächen nicht nur einmalig ausweisen, sondern dass wir sie tatsächlich richtig und nachhaltig pflegen und entwickeln, um den Naturerhalt zu fördern". Ein klassisches Beispiel für solche Pflegeflächen sind mindestens fünf Meter breite Schutzstreifen entlang des Fischbachs. Das gilt nicht nur für Wiesen, sondern auch für Äcker, was den Eintrag von Dünger in das Gewässer spürbar reduzieren dürfte.

Dann entstanden inmitten der Äcker fünf Meter breite Lerchenstreifen. Hier können Feldlerche und andere Bodenbrüter ungestört brüten. Auch für zahllose Kleinstlebewesen sind diese langen Streifen wichtige Rückzugsgebiete.

Darüber hinaus sind in Dorfnähe relativ einfache Regenrückhaltebecken in die Landschaft modelliert worden. Über sie werden nicht nur die neuen (gepflasterten) Wege entwässert. Sie helfen auch, dass bei einem Starkregen, wie es ihn in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben hat, das Wasser nicht mehr wie in einem Sturzbach durchs Dorf schießt.

Wer sich später mal um diese Öko-Nischen kümmert? Die Stadt Abenberg hat auf jeden Fall den Landschaftspflegeverband ins Boot geholt. "Wir im Rathaus haben dafür keine Fachleute. Da muss man sich die Expertise halt einkaufen", sagt Rathauschefin Susanne König. Manches übernehmen später aber auch die Landwirte ganz freiwillig oder in Form des Vertragsnaturschutzes. Einen Teil der Flächen können sie ja noch extensiv (also sehr, sehr zurückhaltend) bewirtschaften.

So groß wie ganz Niederbayern

Dr. Renate Brunner vom AELF kämpft im Prinzip um jeden Hektar für die Landwirtschaft. Die hat, so sagt sie, in Bayern seit 1970 durch immer neue Baumaßnahmen wie für Autobahnverbreiterungen (A 6!), Bundesstraßenverbreiterungen (B 2!), für immer neue Bau- und Gewerbegebiete Produktionsflächen verloren, die – und jetzt kommt’s – der Größe von ganz Niederbayern entsprechen.

Ruth Schleicher von der Unteren Naturschutzbehörde am Rother Landratsamt, über deren Schreibtisch in der Hochphase mehr als 20 Flurbereinigungsverfahren gleichzeitig gelaufen sind, hat schon Verständnis für die Landwirtschaft. Schließlich werde zumindest zum Teil über deren ureigenste Flächen bestimmt. "Uns liegt nicht daran, die Bauern zu trietzen", betont sie. Aber im Naturschutz gebe es nun einmal viel konkretere Vorgaben als früher, die man Kraft Amtes kontrollieren müsse. "Und gerade das Artenschutzrecht wird immer strenger."

"Glücklicherweise immer strenger", rufen da die anderen. Denn ansonsten wäre Dürrenmungenau zwar immer noch Dürrenmungenau. Aber halt auch bald ein Dorf ohne Feldlerchen-Population.

 

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