Glosse: Epischer 6:5-Sieg über stolze Spanier

21.5.2017, 06:00 Uhr
Vielleicht sollten wir Jan Böhmermann und seine fünf Affen aus dem Gelsenkirchener Zoo einmal ranlassen.

© Rolf Vennenbernd (dpa) Vielleicht sollten wir Jan Böhmermann und seine fünf Affen aus dem Gelsenkirchener Zoo einmal ranlassen.

Selbstverständlich habe ich mir das Vorgeplänkel gespart. Ich habe den Fernseher erst eingeschaltet, als es ernst wurde. Kurz nach Mitternacht also. Aber was soll ich sagen? Es hat sich gelohnt. Deutschland 6. Spanien 5. Eine epische Schlacht, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. Als die Kamera die tapferen Kämpfer im ukrainischen Kiew in Großaufnahme einfing, sah man Tränen. Ich habe gedacht: Es müssen Tränen des Glücks, des Stolzes, des Triumphs gewesen sein.

Doch ich habe mich getäuscht. Es waren Tränen der Trauer, des Unverständnisses und der Verzweiflung. Denn Deutschland hatte zwar mit 6:5 gegen Spanien gewonnen, aber vor Deutschland waren halt noch 24 weitere europäische und außereuropäische Länder platziert bei der 62. Auflage des Eurovision Song Contest (ESC). Darunter solche Zwerge wie Zypern, Moldau und Armenien. Selbst die Österreicher, die musikalisch außer Conchita Wurst und Andreas Gabalier ja nicht viel zu bieten haben, landeten auf Rang 16 und damit außer Sichtweite von Schwarz-Rot-Gold.

Ich habe mich dann gefragt, warum die Deutschen beim weltweit größten Sängerwettstreit in den vergangenen Jahren immer so schlecht abgeschnitten haben. Seit dem Sieg von Lena im Jahr 2010 gab es nicht mehr viel zu feiern. Die Republik der ewigen Kanzlerin treibt den Rest des Kontinents mehr oder weniger vor sich her. Ann Sophie? Platz 27 von 27 im Jahr 2015 mit null Punkten. Jemie-Lee? Platz 26 von 26 im Jahr darauf. Und jetzt Levina: Platz 25 von 26.

In der falschen Zeitschleife

Hat immerhin Spanien geschlagen: Levina.

Hat immerhin Spanien geschlagen: Levina. © Julian Stratenschulte (dpa)

Wahrscheinlich laufen die heimischen Musikdesigner entweder der Zeit hinterher, oder sie sind dem Zeitgeschmack schon wieder ein paar Jahre voraus. Wenn international harmloses Disco-Geklingel angesagt ist, darf man darauf wetten, dass die ARD ein schwermütiges Folkore-Stück ins Rennen schickt. Ist Folklore wieder chic, sind die Deutschen garantiert mit Mainstream-Pop aus industrieller Fertigung dabei. Und wenn, wie diesmal, die siegreichen Portugiesen einen herzkranken Jazz-Sänger ein Liebesliedchen trällern lassen, dann ist halt das "Perfect Life", mit dem die bedauernswerte Levina am Start war, irgendwie deplatziert.

Vielleicht sollten wir es wieder mal mit Klamauk versuchen wie 1998 mit Guildo Horn ("Guildo hat Euch lieb") oder 2000 mit Stefan Raab ("Wadde hadde dudde da?"). Oder gleich den Satiriker Jan Böhmermann ranlassen. Der schaffte es mit dem abgefahrenen "Menschen Leben Tanzen Welt" immerhin in die Top Ten. Die Textbausteine aus profanen Kalender- und sinnfreien Werbesprüchen hatten fünf Schimpansen aus dem Gelsenkirchener Zoo zusammengestellt. Böhmermann hat das Quintett gleich als offizielle Texter bei der Gema angemeldet. Insofern wären sie jetzt auch startklar für den Eurovision Song Contest. Sie würden wahrscheinlich nicht nur Spanien, sondern mindestens den halben Rest des europäischen Kontinents schlagen. Und ich wäre garantiert nicht erst ab Mitternacht dabei.

ROBERT GERNER

 

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