Glosse: Hurra, Iltis und ich werden reich!

30.8.2020, 05:58 Uhr
Manchmal kommt die Rettung... per E-Mail!

© Jan-Philipp Strobel (dpa) Manchmal kommt die Rettung... per E-Mail!

Endlich! Seit Jahren, ach was sage ich, seit Jahrzehnten suchen wir Redakteure nach dem heiligen Gral – nach einer Möglichkeit, mit Qualitätsjournalismus in Zeiten des Internets Geld zu verdienen. Und jetzt kommt die Lösung sämtlicher Probleme einfach so per Mail bei uns hereingeflattert.

"Rezept gegen Zeitungssterben" heißt der Betreff dieser Mail, abgesendet von der vertrauenswürdigen Adresse "iltis11@gmx.de". Darin heißt es: "Printmedien geht die Luft aus? Zeitungssterben durch Corona? Kurzarbeit im Blätterwald? Das muss nicht sein!" Ich bin natürlich sofort Feuer und Flamme. Wie man die Aufmerksamkeit der Leser weckt, davon meine ich auch ein bisschen was zu verstehen – und dieser Iltis11, der weiß, was er tut! Der nächste Satz haut dann nochmal so richtig rein: "2 000 000 000 Euro Gründungskapital liegt bei der KfW bereit. Wir sollten es nutzen!" Menschenskinder, sind das viele Nullen. Spätestens jetzt hat er mich. Ich will das auch!

Das trifft (fast) alles auf mich zu!

Jetzt kommen allerdings die Bedingungen. Okay, mal sehen.

"Du bist arbeits- und eigentumslos..." – Äh, nicht wirklich.

"Du bist aus dem Hamsterrad gefallen..." – Ja, das könnte man schon so sagen.

"Alleinerziehende Mutter, verlorener Vater..." – Verloren! Das trifft es gut.

"Deine Kinder hungern..." – Nun ja, Hunger haben die schon ab und zu.

"Du bekommst nur minimale Sozialhilfe..." – Schlimmer, ich bekomme überhaupt keine Sozialhilfe.

"Du kannst einen PC bedienen und eine E-Mail schreiben..." – Na, selbstverständlich kann ich das.

"6000 Euro Gehalt sind dir nicht zuviel?" – Langsam wird es unheimlich; dieser Iltis weiß genau, wie es tief in mir drin aussieht.

Wir gründen eine Firma

Jedenfalls, ich soll ein Kurzporträt schicken und bekomme dann Infos. Wir – Iltis, ich und ein paar weitere Glückliche – gründen dann eine Firma und betreiben zwei sehr profitable Internetportale. Die Worte "sehr profitabel" sind unterstrichen. Das gefällt mir. Was ich dabei tun soll? "Wenig bis nichts." Das gefällt mir ebenfalls.

Dann eine Enttäuschung. Iltis schreibt: "Nur arme Leute bitte!" Mist, so richtig arm bin ich eigentlich nicht. Der nächste Satz lässt mich aufatmen: "Na ja. Wenn Du nicht arm bist, aber neue Wege gehen willst, darfst du dich auch melden. Wir finden dann schon eine Lösung."

Soll die Zeitung sehen, wo sie bleibt

Das finde ich fair. Ich habe nun eine Mail an Iltis aufgesetzt und freue mich schon auf die Millionen, die zu verdienen sind. Und dann hänge ich meinen Job an den Nagel! Ich wusste eigentlich schon immer, dass ich zu Höherem bestimmt bin. Den Kollegen gegenüber werde ich meinen Mund halten – soll die Zeitung doch sehen, wo sie bleibt.

Ich warte jetzt auf die Antwort von Iltis. Wahrscheinlich muss ich ihm noch ein paar Hundert Euro überweisen, schließlich übernimmt er ja die ganze Verwaltungsarbeit. Das wäre absolut nachvollziehbar. Und dann kann’s losgehen. Ich habe ein gutes Gefühl. Das ist der Beginn eines neuen, besseren Lebens!

(Alle Zitate sind tatsächlich aus der erwähnten Mail entnommen, die tatsächlich im Posteingang des Schwabacher Tagblatts gelandet war...)

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