Glosse: Sitzen wie ein aufrechter Christenmensch

15.9.2019, 05:58 Uhr
SUVs - die dunkle Bedrohung.

© Jan Woitas/dpa SUVs - die dunkle Bedrohung.

In Berlin ist der Fahrer eines SUV mit hoher Geschwindigkeit auf einen Bürgersteig gefahren und hat dabei vier Menschen getötet. Dieser tragische Unfall wird zum Anlass genommen, über den Sinn von "Sport Utility Vehicles" zu diskutieren.

Die Autoindustrie hat hier einen genialen Begriff ersonnen, der auf gut Deutsch gar nicht mehr so gut klingt: "Sport-Nutzwert-Auto". Und außerdem gar nicht stimmt. Mit Sport haben diese Panzer wenig zu tun. Ihr Nutzwert ist begrenzt. Lediglich Auto stimmt.

So elend breit

Die Verkaufszahlen von SUVs sind beeindruckend, die Autoindustrie hat anscheinend einen neuen Trend losgetreten. Aber warum nur? Nun, sinnvoll sind die SUV-Dickschiffe nicht. Denn, was nützt die große Bodenfreiheit auf unseren glattgebügelten Bundesstraßen und Autobahnen? Wofür sollen die großen Lastwagen-Reifen gut sein, mit denen man mühelos auch über ganz dicke Steine fahren kann?

Und warum zum Teufel sind diese Fahrzeuge so elend breit, dass man fast ein Fernglas braucht, wenn man als Fahrer das rechte vordere Ende sehen will? Von hinten ganz zu schweigen, aber da gibt es ja "Assistenzsysteme". Die SUVs sind auf unseren Straßen etwa so sinnvoll, wie ein Mountain-Bike für den Straßen-Radler. Also gar nicht.

Mal kurz hineingewickelt

Autos haben sich früher stets an Formel-1-Rennwagen orientiert. Der "Formel-1-Zirkus" diente der Entwicklung von Dingen, die uns im Kfz-Alltag Freude bereiten sollten. Das zumindest wurde uns stets erzählt.

Dazu gehörte wohl auch das Fahren im Liegen mit flach und weit nach vorne gestreckten Beinen. Kein Problem, wenn sich der Fahrer da irgendwie in sein Fahrzeug hineinwickeln muss. Und das Aussteigen geht auch nicht so einfach, denn der Pilot liegt ja schließlich in seinem Boliden. Also einerseits aufstehen und andererseits dann irgendwie doch noch die Füße auf den Boden jenseits des Schwellers kriegen. Mit zunehmendem Alter wird dieses Problem schwerer zu lösen.

Wen interessiert der Spritverbrauch?

Deshalb haben SUVs einen Wahnsinnsvorteil gegenüber den Autos, wie sie früher waren. Viele Autokäufer gehen ins Autohaus zum Anschauen und zum Probesitzen und stellen fest: In so einem SUV kann man sitzen wie ein aufrechter Christenmensch und muss nicht auf dem Rücken liegen, wie ein Rennwagen-Pilot. Das Ein- und Aussteigen geht wunderbar glatt. Da sind dann die Größe des Vehikels und sein Gewicht und der Spritverbrauch zweit-, dritt- und viertrangig. Man will es ja schließlich bequem haben.

Insofern muss man über Sinn oder Unsinn eines "Sport Utility Vehicles" anders diskutieren. Die Schlüsselfrage lautet: Warum hat uns die Autoindustrie außer Kleinbussen nicht schon längst so bequeme Fahrzeuge zur Verfügung gestellt?

 

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