Glosse: Wie der Neue den Journalisten-Chor entdeckte

6.5.2018, 06:00 Uhr
Wenn andere gut gelaunt singen, kann man entweder einstimmen - oder sich Taschentuchkügelchen in den Gehörgang stopfen.

© Horst Linke Wenn andere gut gelaunt singen, kann man entweder einstimmen - oder sich Taschentuchkügelchen in den Gehörgang stopfen.

Wenn man neu ist in einer Stadt - zum Beispiel, weil man als Zeitungsvolontär für mehrere Monate an die vorderste journalistische Front, also in eine waschechte Lokalredaktion wie die des Schwabacher Tagblatts, geschickt wurde -, dann kommt man ganz automatisch ins Vergleichen. Man schwankt zwischen: "Die sind aber komisch hier!", und: "Warum haben wir das bitteschön nicht zuhause?!"

In erste Kategorie fällt etwa, dass der hiesige Fluss den femininen Artikel die trägt, obwohl ein Bach doch eindeutig ein Er ist. Auch wenn er den Beinamen Schwa- trägt. Sprachliche Verwirrung ereilt den Neuankömmling auch am Marktplatz – der zugegebenermaßen sehr hübsch ist, Tourismusmanager würden gar sein "mediterranes Flair" rühmen, und man möchte durchaus nicht widersprechen. Zum Auftakt der Spargelsaison gibt es dort, so verraten es die Schilder der Händler, frischen "Spargel" zu erstehen. Gut, es wäre auch merkwürdig, wenn das Wort frisch in Anführungszeichen gesetzt worden wäre – dann müsste man ja an der Güte des sicherlich einwandfreien Gemüseerzeugnisses zweifeln.

Ist Spargel nur ein Code-Wort?

Doch auch im und um den Spargel herum haben Gänsefüßchen nichts zu suchen, suggerieren sie doch, dass hier der Spargel nur als Code-Wort benutzt wird. Wer weiß, was die Händler mit verschwörerischem Zwinkern unter dem Tisch hervorholen, wenn man sie um "drei Pfund von dem sogenannten Spargel" bittet. Nein, Spargel bleibt Spargel, am besten ganz direkt, ohne An- und in jedem Fall ohne Abführungszeichen. Allerdings liegen die Schwabacher Marktleute und Werbeschildtexter hier im Trend, kann man doch nahezu überall solchen harmlosen Ausrutschern begegnen.

So ein güldenes Dach macht was her

Nachahmen möchte man Schwabach als Bewohner einer in der Größe vergleichbaren Stadt indes auf anderen Gebieten: So ein vergoldetes Rathausdach glänzt schön und macht was her. Sehr angenehm ist auch die Hochfrequenz-Anbindung an die nächste Großstadt, die häufig als "Frankenmetropole" bezeichnet wird. Hier stehen die Anführungszeichen übrigens korrekt, denn Nürnberg liegt zwar zweifellos in Franken und stellt dessen ökonomisches Powerhouse dar – von Metropoldimensionen ist man dann aber doch noch ein Stück entfernt. Sei’s drum, man kommt jedenfalls schnell hin und wieder nach Schwabach zurück.

Der Spitalberg bebt von Gesang und Geträller

Bleibt noch ein echtes Alleinstellungsmerkmal: Schwabach beherbergt nämlich die wohl musikalischste Zeitungsredaktion Süddeutschlands! Da wird zwischen zwei Artikeln munter gesummt, gepfiffen, geträllert und tiriliert. Schlager sind genauso im Angebot wie aus dem Stegreif improvisierte Melodien mit Refrain aus Zeitungsmeldungsversatzstücken. Kreativität trifft in der Redaktion des Tagblatts auf beachtliches Lungenvolumen. Goldschlägerstadt? Ab sofort muss es Goldsängerstadt heißen!

Sollten Sie demnächst also bei warmen Temperaturen und geöffneten Fenstern eine größere Menschenansammlung am Spitalberg sehen, so stellen Sie sich dazu, denn es gibt etwas umsonst: ein Konzert des Schwabacher Journalistenchors. Sein Motto lautet: Von Schwabach lernen heißt singen lernen.

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