Heitere und traurige Erinnerungen

29.6.2009, 00:00 Uhr

Wichtige Lektion

Am Anfang entführte die Autorin die Frauen mit einer lustigen Episode in das Nürnberger Café Beer in der Breiten Gasse. In den Nachkriegsjahren konnte man schon an der Kleidung erkennen, wer zu den Armen und wer zu den wenigen Reichen gehörte. Die Hauptfigur Felicitas, ein kleines Mädchen, lernte bei diesem Besuch im Café von ihrer Großmutter eine wichtige Lektion fürs Leben: Zivilcourage ist ein wichtiges Rüstzeug, um der Ungleichheit oder Ungerechtigkeit die Stirn zu bieten.

In der zweiten Geschichte geht es um Flucht und Vertreibung aus Oberschlesien. Vater, Mutter und deren Töchter sind im Februar 1945 mitten im Flüchtlingstreck, der in einer Bahnhofshalle nahe Dresden übernachtet. Mitten in der Nacht werden die Flüchtlinge mit dem Zug weitertransportiert, doch die kleine Familie schläft nach vielen durchwachten Nächten so fest, dass sie nichts vom Aufbruch merkt. Morgens machen sie dem Bahnhofsvorsteher Vorhaltungen, dass er den Warteraum nicht kontrolliert habe. Nach einer Schweigeminute sagt er: «Sie werden mir ewig dankbar sein, dass ich die Kontrolle vergessen habe. Der Zug mit den Flüchtlingen wurde von englischen Bombern zerschossen. Niemand hat überlebt.»

Ingeborg Höverkamp konnte für ihren Familienroman «Zähl nicht, was bitter war...» auf Feldpostbriefe ihres Vaters, ihrer Großeltern und ihres Onkels zurückgreifen, die ein erschütterndes Bild jener Kriegsjahre vermitteln.

Rudolf wird 1944 mit 17 Jahren zunächst in Italien und in Afrika eingesetzt, bevor er an die russische Front versetzt wird. Kurz nach seiner Einberufung schreibt er an seine Mutter, die ihm berichtet hatte, dass sein Freund immer noch daheim sei: «Ich würde mich schämen, immer noch in der Heimat zu sein, während meine Kameraden ihr Leben riskieren.» Aber drei Monate später, nach furchtbaren Erlebnissen an der Front, schreibt er nach Hause: «Er (mein Freund) soll für jeden Tag dankbar sein, an dem er noch zu Hause sein kann.» Ab April 1945 erhält keiner der Familienangehörigen mehr Post von dem Sohn. Er war gefallen. Der Bruder des Gefallenen, der auch in der Hölle Russland ist, schreibt nach der Todesnachricht an seine Mutter: «Obwohl ich im Kessel von Tscherkassy alle Briefe zurücklassen musst, kann ich mich genau erinnern, was er (mein Bruder) geschrieben hatte: ,Wenn ich fallen sollte, schreib Mutter, sie soll nicht weinen. Sie soll stolz sein auf ihren Sohn, der sein Leben für

sein Vaterland geopfert hat.‘»

Goldene Uhr als Geschenk

Zum Abschluss las Ingeborg Höverkamp ihre heiteren Erinnerungen an ihre Erstkommunion Mitte der fünfziger Jahre. Die Geschenke waren damals bescheiden. Die Kommunionkinder freuten sich riesig über eine Pralinenschachtel, Blumenstöcke und Sammeltassen. Am Sonntagmorgen betrachtet das Kommunionkind Felicitas begeistert die Pralinen und beißt eine besonders verlockende an. Da fällt ihr die Mahnung des Pfarrers ein, ja nichts zu essen! Das Kind überlegt, ob es noch einmal zur Beichte gehen muss. Nein, es war ja keine absichtliche Sünde, aber den Eltern sagte sie lieber nichts davon. Nach der feierlichen Messe ging’s zum Uhrmacher. Felicitas sollte sich eine goldene Uhr aussuchen dürfen. Jedes Familienmitglied riet ihr zu einer anderen Uhr, bis sie völlig verwirrt war. Sie entschied sich dann für die Uhr, die ihre geliebte Großmutter empfohlen hatte, um ihr eine Freude zu machen.

Ingeborg Höverkamp gab noch einen Überblick über wichtige Marksteine in ihrem Roman «Zähl nicht, was bitter war ...», der den Zeitraum von 1888 bis heute umfasst und der eng mit der Zeitgeschichte verknüpft ist. Das Buch ist im Buchhandel vergriffen, die Autorin hat noch einige Exemplare, die man bei ihr in Leerstetten erwerben kann. Der Roman kann auch in der Gemeindebücherei Schwanstetten ausgeliehen werden.

Ingeborg Höverkamp,: «Zähl nicht, was bitter war...», 235 Seiten.