Kirchenasyl: Ermittlungen gegen Schwabacher Pfarrer

28.3.2017, 05:58 Uhr
Kirchenasyl: Ermittlungen gegen Schwabacher Pfarrer

© F.: gw

Der Vorwurf: Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt von Asylbewerbern. Beide Pfarrgemeinden haben seit Herbst 2014 mehreren Flüchtlingen "Kirchenasyl" gewährt. Aktuell sind es noch drei Athiopier, die hier Zuflucht gefunden haben.

In den vergangenen Tagen sind in Bayern mehrere Fälle bekannt geworden, in denen die Staatsanwaltschaft gegen Pfarrer vorgeht. In Schwabach sind die beiden Pfarrer von den Ermittlungen Anfang Februar in Kenntnis gesetzt worden. Von der Polizei befragt wurden sie — teils aus Termingründen — bisher aber noch nicht.

Zellfelder und Schrollinger sind sich keiner Schuld bewusst. In einem Pressegespräch mit dem Tagblatt verweisen sie auf eine Übereinkunft beider Kirchen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor zwei Jahren, in der das Kirchenasyl in besonderen Härtefällen geregelt ist.

"Kein Rechtsbruch"

Rückendeckung erhalten sie sowohl von ihren kirchlichen Vorgesetzten als auch von ihren Gemeinden. "Die Diözese steht hinter mir", sagt Schrollinger.

"Das ist kein Rechtsbruch", betont Johannes Bienert. Der Rechtsanwalt ist ehrenamtlich im Pfarrgemeinderat St. Sebald engagiert und vertritt zum einen die drei Äthiopier, zum anderen nun auch Pfarrer Schrollinger. Wie es überhaupt zu den plötzlichen Ermittlungsverfahren kommen konnte, weiß auch er nicht, hat aber eine Vermutung: "Da sind wohl manche Beamte übereifrig."

Auch Dekan Klaus Stiegler hat kein Verständnis für die Ermittlungen: "Kirchenasyl ist ja nicht neu. Es hat alttestamentarische Tradition. Es ist eine Ultima Ratio aus der Sorge um Menschen. Es dient dazu, dass Menschenrechte auf diesem Weg geschützt werden. Daran zu rütteln, dient nicht dem Rechtsstaat."

Als Dekan hat es Stiegler nicht nur mit dem Fall in Schwabach zu tun, auch in Hilpoltstein ist die dortige Pfarrerin Verena Fries in einer ähnlichen Situation.

Hoffen auf Haßfurter Lösung

Stieglers Hoffnung ist, dass diese Ermittlungen ebenso enden wie die in Haßfurt. Gegen die dortige Pfarrerin wurden sie eingestellt. Die Schuld sei geringfügig, so die Staatsanwaltschaft, deshalb bestehe kein Interesse der Öffentlichkeit an Strafverfolgung.

Die Schwabacher Kirchenvertreter wollen die Situation deshalb auch nicht dramatisieren. "Ich bin nicht eingeschüchtert, ich sehe das ganz nüchtern", sagt Zellfelder. Schrollinger gibt zu, zunächst nicht so abgeklärt reagiert zu haben: "Ich habe mich schon verunsichert gefühlt. Es gibt ja diese Vereinbarung zwischen Staat und Kirche. Deshalb habe ich keinen Rechtsbruch gesehen."

Auch sehen sie keinen Anlass, aus den Ermittlungen ein Geheimnis zu machen. Zellfelder hat von sich aus das Tagblatt informiert. Auch Schrollinger hat einem Pressegespräch zugestimmt, um die Beweggründe für das Kirchenasyl zu erläutern.

Pfarrer entscheiden nicht alleine

Sowohl in St. Martin als auch in St. Sebald haben die jeweiligen Vorstandsgremien dem Kirchenasyl zugestimmt. Ermittelt wird gegen die beiden Pfarrer in ihrer Eigenschaft als deren Vorsitzende. "Wir hatten uns schon 2014 mit diesem Thema beschäftigt und einen Grundsatzbeschluss gefasst", berichtet Zellfelder.

Seitdem hat St. Martin fünf Mal Kirchenasyl gewährt: "Für ein christliche Familie aus Armenien, zwei Iraker, einen christlichen Iraner, einen weiteren Iraker und zuletzt für eine christliche Iranerin", listet Zellfelder auf.

In St. Sebald hatte schon Domkapitular Alois Ehrl erstmals einen Flüchtling in kirchlichen Räumen aufgenommen. Unter Pfarrer Schrollinger waren es bisher vier Fälle, von denen drei noch aktuell sind. Den genauen Ort will er aus Sicherheitsgründen nicht nennen.

Kirchenasyl ist ein Schutz vor Abschiebung. "Aber in diesen Fällen geht es nicht darum, eine Abschiebung in ein Krisengebiet zu verhindern", erklärt Johannes Bienert. Vielmehr wären die Flüchlinge gemäß dem Dublin-Verfahren in ein anderes EU-Land ausgewiesen worden, in diesem Fall Ungarn und Italien.

Doch gerade in diesem beiden Ländern gebe es erhebliche Zweifel an fairen Verfahren, betont Johannes Bienert. "Das hat sogar der Europäische Gerichtshof bestätigt."

Vertrauen in deutschen Staat

Ziel des Kirchenasyls ist es deshalb, die sechsmonate sogenannte "Überstellfrist" zu überbrücken und damit zu erwirken, dass das Asylverfahren in Deutschland durchgeführt wird. "Dann prüft das BAMF nochmal, ob ein Härtefall vorliegt", so Bienert. "Kirchenansyl ist also sogar eine Art Vertrauensbeweis für den deutschen Rechtsstaat", sagt Dekan Stiegler.

Gleichzeitig verpflichten sich die Kirchen gegenüber dem Staat, Kirchenasyl "nur in besonderen Fällen" zu gewähren, hebt Stiegler hervor. Alle Fälle würden auch von der Kirche geprüft. "Kirchenasyl wird nur gewährt, wenn ein personaler Bezug vorliegt", ergänzt Zellfelder. "Anfragen von außerhalb Schwabachs haben wir deshalb schon abgelehnt."

"Wir stellen uns ja nicht auf den Marktplatz und schreien: Hallo, hier gibt’s Kirchenansyl", sagt auch Pfarrer Schrollinger. "Wir hängen das nicht an die große Glocke." Ziel sei die konkrete Hilfe, ganz individuell.

"Und das hat überhaupt nichts Romantisches", betont Stiegler. "Die Flüchtlinge können die kirchlichen Räume nicht verlassen, können nicht einmal einkaufen gehen. Und für die Kirchengemeinden ist das eine große Belastung." In St. Martin und St. Sebald gibt es ehrenamtliche Helferkreise, ohne die das gar nicht möglich wäre. Die wolle und könne man nicht überlasten. "Wir gehen alles andere als leichtfertig mit dem Kirchenasyl um", betont Stiegler.

"Noch genauer hinschauen"

Ob es mit Blick auf die Ermittlungen auch in Zukunft noch Kirchenasyl in Schwabach geben wird? "Natürlich hat mich das nachdenklich gemacht", sagt Pfarrer Schrollinger. "Deshalb werden wir sicher noch genauer hinschauen. Aber ich kann nicht einfach sagen: Tür zu."

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