Knochenarbeit für ein kühles Bier

5.1.2013, 10:00 Uhr

An manchen Tagen heuerten 20 bis 30 Männer an. Und es waren meistens Maurer, die während des Winters auf dem Bau keine Arbeit hatten. Bei klirrender Kälte schufteten die Handwerker, bohrten, sägten und wuchteten die schweren Eisbahnen aus dem zugefrorenen Alten Kanal auf hölzerne Schubkarren und Pritschenwagen.

Eisbrocken, die die Brauereien für die Herstellung und Lagerung des Bieres bis in den Sommer hinein dringend brauchten.

Reichtümer konnten die Tagelöhner mit dem Eisschlagen in Riedenburg, in Berching, Neumarkt, Fürth oder Erlangen nicht ansammeln — aber sie konnten ganz gut über den Winter kommen. „Jeder bekam eine ordentliche Brotzeit, ein kräftiges Essen, manche haben nach der schweren Arbeit fünf bis sieben halbe Bier getrunken, im Gasthof gab es a warme Stubn und a Musi“, erinnert sich Brauereichef Franz Xaver Gloßner aus Neumarkt an seine Kindheit.

Eisschneider krankenversichert

Für die Brauerei-Saisonarbeiter hatte die Eiszeit auch eine soziale Komponente: In den Jahren 1904 bis 1906 zahlte beispielsweise eine Fürther Brauerei Beiträge an die Allgemeine Ortskrankenkasse in Lindelburg — für die Arbeiter, die am Ludwig-Donau-Main-Kanal beim „Eisschneiden“ im Einsatz gewesen waren.

Wie die Obstlose am Alten Kanal wurde das Recht zur Eisgewinnung versteigert. Den Zuschlag bekamen meist die Brauereien, die dann in Neumarkt am Hafen, an der Freystädter und der Buchberger Brücke sowie am Blomenhof loslegen durften. Das Bergen des Eises war für die Erlanger Brauer sehr komfortabel: Der Kanal führte direkt am Burgberg vorbei — nur ein paar Schritte entfernt vom weitläufigen Kellergelände, auf dem damals wie heute die Bergkirchweih stattfindet.

Starke Männerfäuste in grimmiger Kälte

Ein Zeitungsartikel aus dem Kriegsjahr 1940 beschreibt die Eiszeit in Forchheim: „Am Kanal draußen herrscht in diesen Tagen Hochbetrieb. Da sind die ,Eisbrecher‘ den ganzen Tag an der Arbeit, um den großen Eissegen zu bergen; starke Männerfäuste teilen die weite Eisfläche des Kanals in große rechteckige Eisschollen, die dann mit langen Haken an die Ufer gezogen und aufgestapelt werden. Von dort werden die Eisstücke auf Wagen geladen, von starken Gäulen oder auch von einem Bulldog in die Stadt gefahren und dann in den Eiskellern der Brauereien und Metzgereien aufgeschichtet.

Von früh bis abends sind die Männer bei der grimmigen Kälte tätig, um den Bedarf an Eis möglichst rasch zu decken, denn man kann nicht wissen, wie lange die gegenwärtige Witterung anhält. Und vorsorgen ist bekanntlich besser als das Nachsehen haben.“

In Berching strömten die Saisonarbeiter aus den umliegenden Ortschaften ins Tal, um sich am Ludwigskanal ein Zubrot zu verdienen. Zu füllen waren nicht nur die weitläufigen Berchinger Bierkeller. Auch Beilngrieser Brauereien beschafften sich das begehrte Eis in Berching. Dort wollten die Biersieder ihre eisigen Lager möglichst bis zum berühmten Rossmarkt Anfang Februar gefüllt haben.

Obwohl schon um 1880 die ersten elektrischen Kühlanlagen auf den Markt kamen, bedienten sich viele Braustätten noch lange aus natürlichen Gewässern. Die Neumarkter Glossner-Brauerei schaffte beispielsweise 1927 die erste Kältemaschine an — um dennoch jahrzehntelang auch das Eis aus der Wasserstraße zu holen. „In Neumarkt war der Kanal die wichtigste Eisquelle“, erinnert sich Franz Xaver Gloßner.

Und es ist nicht allzu lange her, dass tatsächlich noch Eisquader ans Kanalufer geschleppt wurden: Bis Ende der 50er Jahre finden sich Hinweise auf das Eisschlagen. Brauereichef Gloßner erinnert sich noch an seine Lehrzeit auf dem Adlersberg bei Regensburg, als die Wirte 1960 noch mit Natureis beliefert wurden. Der Bierhistoriker und Initiator des Neumarkter Brauereimuseums meint, dass das bis Mitte der 60er weiterging.

Rinnen fürs Schmelzwasser

Und so hat es funktioniert: Die Eisbahnen wurden in den zahlreichen Felsenkellern eingelagert, durch dicke und doppelte Wände, durch Tore und Schleusen gegen die Außentemperatur abgeschirmt. Außerdem gab es direkt in den Brauereien Eiskeller. Der Glossnersche in Neumarkt hatte die Abmessungen zwölf mal fünf mal sieben Meter. Er wurde komplett mit Eis aus dem Kanal gefüllt. Mit riesigen Holzhämmern verdichteten die Brauer das Eis, um Luftkammern zwischen den Blöcken zu tilgen.

Das Gefrorene lagerte auf Holzrosten, durch die das eiskalte Schmelzwasser über Rinnen in die Lagerkeller abfloss und dort sein kühlendes Werk tat. Waren damals die Winter wirklich strenger? Ältere Mitmenschen erinnern sich, dass das Eis am Alten Kanal bis zu 25 Zentimeter dick war.

Neumarkter Brauereimuseum im Glossner-Bräu, Schwesterhausgasse 9, montags bis samstags von 10 bis 19 Uhr (sonntags Ruhetag), auch Gruppenführungen.

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