Filmpremiere
Kriegserinnerungen: So weit weg und doch so nah
12.9.2021, 06:00 UhrDie Rednitzhembacher Kahnfahrt entwickelt sich immer mehr zur "Allzweckwaffe": Dorado für große und kleine Wassersportler; Anlaufpunkt für Alt-Hembacher, die sich mangels traditioneller Wirtschaften hier zum Stammtisch treffen; Musikbühne, wenn Kahnfahrt-Betreiber Roland "Doc Knotz" Laschinger und seine Freunde zur Blues-Session laden; und seit Donnerstag auch Open-Air-Kino.
Gezeigt wurde, gewissermaßen in Welt-Uraufführung, Markus Dörnbergers Dokumentarfilm "Als der Krieg nach Rednitzhembach kam". Ursprünglich geplant als Sechs-Minuten-Beitrag zum neuen Rednitzhembach-Film, entwickelte das Werk mit jedem neuen Drehtag ein größeres Eigenleben.
"Am Ende hatte ich neun Stunden Filmmaterial. Das wäre meinen Hauptdarstellern gegenüber unfair gewesen, das alles auf nur wenige Minuten einzudampfen", sagte Filmemacher Dörnberger, der selbst in Rednitzhembach aufgewachsen ist, im Vorfeld der Premiere.
Zu anschaulich berichteten das Ehepaar Kimmelzwinger, Hans Berthold und der bei den Dreharbeiten gerade 101 Jahre alt gewordene und inzwischen verstorbene Georg Müller von den 1930-er und 1940-er-Jahren in dem damals 700 Einwohner zählenden Dorf.
Drei Jahre Arbeit
Drei Jahre hat Dörnberger an dem jetzt knapp eine Stunde umfassenden Werk gearbeitet, von der ersten Idee bis zur Musikauswahl und bis zum fertigen Schnitt. 400 Stunden Arbeit steckte er hinein.
Herausgekommen ist ein sehr ruhiges, feinfühliges und emotionales Werk, das manchmal zum Lachen animiert, manchmal aber auch erschütternd ist. Dörnbergers Stärke: Er stellt sich nie in den Mittelpunkt, nur an einer Stelle ist seine Stimme einmal kurz aus dem Off zu hören. Stattdessen lässt er seine Protagonisten einfach erzählen. Verbunden mit ruhigen Kamerafahrten und langsamen Überblendungen entsteht so ein Bild, das sich festsetzt in den Köpfen der Zuschauerinnen und Zuschauer.
Der richtige Krieg, soviel sei an dieser Stelle verraten, kam relativ spät nach Rednitzhembach. Erst 1944/45 war er vor Ort richtig spürbar, als immer häufiger die englischen und amerikanischen Bomber am Himmel auftauchten und die Front allmählich näher rückte. Indirekt spürbar war der Wahnsinn, der 60 Millionen Menschen das Leben kostete, aber schon viel früher. Die jungen Männer wurden eingezogen. "Mindestens 30 könnte ich aufzählen, die nicht mehr zurückgekommen sind", erzählt Georg Kimmelzwinger im Film.
Erst Helden, dann Geächtete
Kimmelzwinger und seine Frau Grete waren im Krieg Jugendliche. Hans Berthold, heute 84, hat den Krieg mit den Augen eines Kindes verfolgt. Und Georg Müller hat den Russland-Feldzug hautnah miterlebt. "Der Krieg ist grausam" erzählt Müller im Film. "Wir gingen als Helden fort und kehrten als Geächtete zurück."
Dörnberger verknüpft in seiner Dokumentation die Erzählungen der vier Rednitzhembacher mit schon älteren Episoden seines Films "Herr Ott erzählt". Georg Ott ist Markus Dörnbergers Onkel, und der Ur-Schwabacher erzählt mit fast stoischer Gelassenheit unter anderem vom - wahrscheinlich versehentlichen - Luftangriff auf Schwabach in der Nacht zum 13. Oktober 1941.
Schwabach und Rednitzhembach waren schon immer eng verwoben. Zu Kriegszeiten war Hembach tatsächlich noch Vorort der Goldschlägerstadt. Und im April 1945, da wurde das Schicksal Schwabachs eben auch in Rednitzhembach mitentschieden. Die schon befohlene Sprengung der Rednitzbrücke konnte in letzter Sekunde verhindert werden.
Wenig später standen standen darauf US-amerikanische Jeeps und Panzer - 100 Meter von der Kahnfahrt entfernt, wo Markus Dörnbergers Doku Weltpremiere feierte. Im nahen Gasthaus "Zum Deutschen Reich", heute ein Friseursalon, wurde am 20. April 1945 die kampflose Übergabe Schwabachs an die Amerikaner verhandelt.
Wichtiges Zeitdokument
Wann und wie der Film einem größeren Publikum zugänglich gemacht wird, ist noch unklar. Man sollte ihn in Schulen zeigen, sagte Stellvertretender Landrat Walter Schnell, einer der ungefähr 150 Premiergäste. "Es ist ein ganz wichtiges Zeitdokument für uns alle", warb Bürgermeister Jürgen Spahl.
Zur Premiere konnte übrigens nur einer der vier Hauptdarsteller kommen: Hans Berthold. Er war überaus zufrieden mit dem, was er zu sehen bekam. "Schön hast Du´s gemacht, Markus", sagte er - und fragte gleich nach der Spendenbox, um einen Schein hineinzustecken. Diese Idee würde richtigen Filmstars, die Millionen-Gagen fürs mitmachen einstreichen, bestimmt nie in den Sinn kommen.
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