LesArt-Matinee mit Satiriker Eckhard Henscheid

12.11.2013, 09:14 Uhr
LesArt-Matinee mit Satiriker Eckhard Henscheid

© Schmitt

Schluss ist danach allerdings noch nicht. Die Schlange derer, die Bücher signieren lassen wollen ist ziemlich lang. Das verwundert nicht. Schließlich gilt Eckhard Henscheid als einer der bedeutendsten Satiriker und Romanciers der Gegenwart.

Als Mitgründer und Autor so bedeutender Blätter wie „Pardon“, „Titanic“ und „Konkret“ hat er sich auch als bissig kommentierender Chronist der Nachkriegsgeschichte einen Namen gemacht. Als damaliges SPD-Mitglied hat er Willy Brandt 1969 im Wahlkampf unterstützt.

Geistreicher Humor

Mit der heutigen SPD verbindet ihn offenbar deutlich weniger. „Sie muss sich erst wieder bewähren in meinem Kopf“, sagt Henscheid. Das hindert Moderator Werner Sittauer nicht, ihn als „Fixstern, der viele seiner Kollegen überstrahlt hat“ zu bezeichnen. Er verstehe es, sagt der SPD-Stadtrats-Fraktionschef, „Synapsen und Zwerchfell gleichermaßen zu stimulieren“.

39 Jahre hat der Oberpfälzer Henscheid in Frankfurt gelebt und gearbeitet. Bei der „LesArt“ stellt er seine Autobiographie vor. „Denkwürdigkeiten“ ist nicht nur ein Blick auf diese Zeit. Das Buch ist eine kleine Geschichte der Bundesrepublik, wie man sie noch nicht gelesen hat, und das Selbstporträt eines großen deutschen Autors.

Torwart im Gedächtnis

Seine Lesung daraus konzentriert sich auf die ersten 20 Lebensjahre, die er im nahen Amberg verbrachte, weshalb er in seinen Büchern auch Berührungspunkte zu Schwabach dokumentiert hat. Als Fußballfan mit außerordentlich gutem Gedächtnis kann er nämlich nicht nur die Aufstellung der Club-Meistermannschaft von 1948 sowie beider Teams im Finale von Bern 1954 wiedergeben. „Ich hatte schon immer Talent zum Auswendiglernen.“ Henscheid kennt auch Egon Loy, den Torwart des TSV 04 Schwabach, der in der Bayernauswahl und zehn Jahre bei Eintracht Frankfurt gespielt hat.

Henscheid hat sich seine ersten Sporen als Reporter bei der Heimatzeitung verdient. Davon berichtet er ausführlich. Der Redaktion stellt er kein gutes Zeugnis aus.

Immerhin hat er angeblich Berichte über Veranstaltungen, Theateraufführungen und Konzerte geschrieben, die er gar nicht besucht hat. Der Gipfel aber ist ein erfundener Musikzirkel, über den er jahrelang so lebendig und glaubwürdig geschrieben hat, dass eines Tages zwei Musiklehrer des Amberger Gymnasium bei der Redaktion anklopften, um nach den Verantwortlichen dieser Vereinigung zu fragen.

Musikalisches Familien-Trio

Der „widerborstige Humorist“, wie sich Henscheid selbst nennt, war in ihm also schon früh angelegt. Durchgesetzt hat er sich aber erst spät, wie Henscheid versichert. Nach dem Studium der Germanistik und Publizistik in München. Zuerst habe er nämlich sein Talent auf dem Gebiete der Malerei und der Musik entdeckt. Das familiäre Hausmusik-Trio bestand aus der Geigen-Schwester, dem Posaunen-Vater und ihm mit dem Akkordeon. In dieser Besetzung spielten sie so schaurig-schöne Stücke wie den „Haushamer Plattler“ und den „Schlittschuhwalzer“.

Lediglich ein gequetschter Finger habe seine Karriere als Weltklassepianist vereitelt. Einen überragenden bildenden Künstler Henscheid muss es ebenfalls gegeben haben. In seiner Jugend hielt er sich jedenfalls für vergleichbar mit Albrecht Dürer. „Meine Marienbilder hätte er nicht besser gekonnt.“

Jugend in Amberg

Eckhard Henscheid erzählt in seinem Buch von dem, was sein Leben prägte: Die Jugend in Amberg, der Geschmack von Kokosnüssen und der Duft des Katholizismus, liebe Freunde und Lieblingsfeinde wie Reich-Ranicki, den er einmal als Autor „reinen Unsinns“ brandmarkt. Henscheid darf das. Er notiert mit stilistischem Raffinement bissig komisch und hintergründig wie immer, immens klug und gebildet wie gewohnt.

Reich-Ranicki ist für ihn kein Maßstab. Henscheid hat einen eigenen Sound entwickelt. Ein wunderbares Spezialgemisch aus Hoch- und Niedersprache mit erfrischend eigensinnigen Wortkombinationen.

Wer blanken Humor so rebellisch im Feuer kritischen Geists zu kunstvoller Satire schmiedet, der könnte auch Franke sein. Solch ein Oberpfälzer darf immer wieder gerne zum Mittagessen nach Schwabach kommen.

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