Mordprozess: War es tödliche Liebe?

22.3.2020, 12:00 Uhr
Der Mordprozess findet vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth statt.

© dpa/ Daniel Karmann Der Mordprozess findet vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth statt.

Josef H. (Name geändert) wirkt ruhig und gefasst. Anders als zum Prozessauftakt haben ihn Justizbeamte nicht mehr in Handschellen und Fußfesseln in das Gerichtsgebäude am Landgericht Nürnberg-Fürth geführt. Das hatte vergangene Woche ein wenig martialisch gewirkt. Denn dass H. nicht richtig gesund und nicht gut zu Fuß ist, das konnten Prozessbeobachter sehen. Selbst wenn er wollte: Er hätte alleine aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen gar nicht fliehen können.

Der zweite Verhandlungstag ist der Tag von Josef H. Über eine Stunde lang erzählt er aus den letzten fünf gemeinsamen Jahren mit seiner Frau: Wie bei Hilde H. (Name geändert) 2014 nach einer Hüft-Operation eher durch Zufall Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert wurde. Wie sie 2015 das Dahinsiechen ihrer ebenfalls krebskranken Schwester erlebt und schon damals zu ihm gesagt habe: "So lässt du mich bitte einmal nicht sterben." Wie es Hilde H. ab 2016 selbst immer schlechter ging, bis sie kaum noch 40 Kilogramm auf die Waage brachte. Wie sie Chemotherapie und Bestrahlung überstand, der Krebs aber trotzdem immer weiter in ihren Körper vordrang. Wie sie sich im Herbst 2018 einen Riss in der Lendenwirbelsäule zuzog und fortan an furchtbaren Schmerzen litt.

 

Selbstmord, aber wie?

 

Damals, so berichtete Josef H., hätten seine Frau und er beschlossen, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Die Frage sei nur gewesen: Wie? In der Schweiz mithilfe eines Sterbehilfevereins? Dafür war Josef H. zu gesund. Durch eine Überdosis Medikamente? zu unsicher. Durch Internet-Recherche sei er darauf gekommen, dass der Tod durch Ersticken schnell und vergleichsweise human sei. H. hat hier offenbar den aktiven Part gespielt. "Meine Frau hat immer nur gesagt, dass sie nichts mitbekommen will."

Für den 9. Januar 2019 hatte Hilde H. einen Termin beim Onkologen in Roth ausgemacht. Dorthin habe sie aber eigentlich nicht mehr gewollt, berichtete der Angeklagte. "Der 9. Januar war für uns also die Deadline", sagte er vor Gericht. Ab Weihnachten hätten sich alle Gespräche um den Freitod gedreht. Und als er dann am 7. Januar am frühen Morgen aufgewacht sei und seine Frau noch geschlafen habe, habe er sich über sie gekniet. "Und dann habe ich mit dem Kissen so lange zugedrückt, bis sich ihr Brustkorb nicht mehr gehoben und gesenkt hat", so H.

Vor psychischer und physischer Erschöpfung sei er im Bett neben seiner toten Frau eingeschlafen. "Fast wie im Koma" habe sich das angefühlt. Später bastelte er dann Brandsätze aus Spiritus und Kerzen, die er unter Einfluss eines Tablettencocktails schließlich anzündete. Seine Hoffnung: Durch die Medikamente würde er einschlafen und durch das Rauchgas beim Feuer schließlich sterben.

"Das hat aber leider nicht so gut geklappt", räumte er ein. Durch die Hitze sei er doch aufgewacht und sei instinktiv auf den Balkon der Dachgeschosswohnung gerobbt. Von dort hatte ihn dann die Schwabacher Feuerwehr mit einer schweren Rauchgasvergiftung geborgen.

Inzwischen tut ihm die Sache mit dem Feuer leid. Dass er damit auch andere Leute in Gefahr gebracht habe, sei ihm damals nicht klar gewesen.

Die Frage ist, wie glaubwürdig H.s Aussagen sind. In den nächsten Wochen werden noch zahlreiche Zeugen und Gutachter in den Gerichtsstand treten. Zwölf Verhandlungstage folgen noch. Das Urteil soll am 13. Mai fallen.