P 53: Die Wahl zwischen schlecht und sehr schlecht

7.7.2019, 06:00 Uhr
P 53: Die Wahl zwischen schlecht und sehr schlecht

© Foto: Robert Gerner

Wie mehrfach berichtet, führt die bisherige 220-Kilovolt-Hochspannungsleitung vom Umspannwerk Raitersaich im Landkreis Fürth auf relativ geradem Weg südlich an Nürnberg vorbei bis nach Ludersheim im Nürnberger Land. Von dort biegt die 1940 und 1947 gebaute Leitung nach Südosten ab und reicht bis vor die Tore von Landshut. Schon seit mindestens 2012 ist klar, dass die 220-KV-Leitung zu einer 380-KV-Höchstspannungsleitung hochgerüstet werden soll. Damit kann deutlich mehr Strom transportiert werden. Seit 2015 steht die "P53" genannte Trasse im Bundesbedarfsplangesetz. Damit ist der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, ein holländischer Staatskonzern mit Ableger auch in Deutschland, verpflichtet zu bauen.

Die Frage ist nur: wo? Grundsätzlich soll sich der "Ersatzneubau", wie er offiziell heißt, an der bisherigen Trasse orientieren. Nur dort, wo es zu schier unauflösbaren Konflikten mit Mensch und/oder Natur kommt, wird der so genannte Suchraum erweitert. Im speziellen Fall so weit, dass plötzlich eine "Südumfahrung" durch den nördlichen Landkreis Roth als eine von möglichen Alternativen in Plänen auftauchte.

Gesichtzüge entgleist

Diese mögliche Alternative war den betroffenen Bürgermeistern bei einem Treffen am 20. Mai in Schwabach vorgestellt worden. "Dabei waren uns dann doch die Gesichtszüge ein wenig entgleist", schilderte der Schwanstettener Bürgermeister Robert Pfann. Für ihn und einige seiner Kollegen war es bis dahin schlicht nicht vorstellbar, dass der Bauherr auf einer bisher nur 28 Kilometer langen Trasse von Raitersaich bis Ludersheim einen Umweg von zwölf Kilometer in Kauf nimmt. Das kostet, wenn die Freileitung tatsächlich durch Rohr, Kammerstein, Büchenbach, Rednitzhembach, Schwanstetten und Wendelstein in der vorgestellten Variante führen würde, 25 Millionen Euro mehr.

Tennet hätte wohl auf die verschiedenen Alternativvorschläge verzichtet, wenn es Katzwang nicht gäbe. Die Jura-Leitung durchschneidet den südlichen Nürnberger Stadtteil regelrecht. An einen 400-m-Abstand zur Wohnbebauung (200 Meter zu Mühlen und Einzelgehöften), wie er zwar nicht gesetzlich verankert, aber doch angeraten ist, ist hier nicht zu denken. Alle anderen kritischen Punkte wie in Wolkersdorf hätte man mit geringfügigen Verschiebungen wohl einigermaßen verträglich für Mensch und Natur hinbekommen.

Wie an der Perlenschnur

Wie dem auch sei: Ab 20. Mai war die "Südumfahrung" als mögliche Alternative in der Welt, und seither rumort es im Norden des Landkreises. Wie an einer Perlenschnur aufgereiht, gründeten sich in den vergangenen Wochen neue Bürgerinitiativen. Bürger und lokale Politik marschieren Seite an Seite, um die "Monstertrasse" (Bürgermeister Robert Pfann) zu verhindern.

Mitten drin im Getümmel: Tennet. Die Mitarbeiter des holländischen Konzerns müssen derzeit vielfach Blitzableiter spielen, das Thema ist hochemotional. Zur gemeinsamen Info-Veranstaltung für die Gemeinderäte aus Rohr, Kammerstein, Büchenbach, Rednitzhembach, Schwanstetten und Wendelstein waren mit Marius Strecker und Reinhard Hütter gleich zwei Tennet-Schwergewichte abkommandiert, letzterer immerhin zuständig für Planung und Genehmigung des Ersatzneubaus.

P 53: Die Wahl zwischen schlecht und sehr schlecht

© Foto: Robert Gerner

Beide machten deutlich, dass aus ihrer Sicht das Hochrüsten der Stromleitung nötig ist, um den vielen Strom aus erneuerbaren Quellen besser im Land zu verteilen und um die Engpässe in Bayern zu beheben. Gerade für die Metropolregion Nürnberg sei die Juraleitung ein wichtiges Rückgrat. Sie räumten darüber hinaus ein, dass die Jura-Leitung auch für den europäischen Stromhandel sehr wichtig sei.

Was die beiden Tennet-Vertreter den Gemeinderatsmitgliedern aus den sechs Gemeinden sonst noch erzählten, war eine Zusammenfassung des bisher schon Bekannten. Das wichtigste in Stichworten:

Die Fakten

Erstens: Die einzelnen Varianten sind noch nicht bewertet, es gibt auch noch keine Vorfestlegung, welche Alternative man bevorzugen würde.

Zweitens: Noch befindet sich das Projekt in der informellen Phase. Nächstes Jahr soll das Raumordnungsverfahren beginnen, danach schließt sich das Planfestellungsverfahren an. Gebaut wird wohl frühestens in sieben Jahren.

Drittens: Die Strommasten für die 380-KV-Leitung sind in der Regel zwischen 50 und 55 Meter hoch und damit 15 bis 20 Meter höher als die der bisherigen 220-KV-Leitung. Wird schützenswerter Bannwald überspannt, müssten wohl noch etliche Meter draufgesattelt werden. Die Masten müssen gewaltige Lasten tragen. Entsprechend groß sind die Fundamente: 14 mal 14 Meter für normale Masten, bis zu 20 mal 20 Meter, wenn durch Richtungsänderungen mehr Seitenkräfte wirken.

Die Hoffnung: Erdverkabelung

Immer wieder in die Diskussion geworfen wird das Stichwort Erdverkabelung. Bei den Höchstspannungs-Gleichstromtrassen von Nord nach Süd wurden die gesetzlichen Vorgaben entsprechend geändert. Hier werden jetzt vermehrt Schächte gebuddelt statt Stahlmasten in die Landschaft gestellt.

Bei Drehstrom ist die Technik nach Auskunft von Marius Strecker noch in der Pilotphase. "Wir haben da noch nicht so viel Erfahrung." Doch diese Möglichkeit haben auch die Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl, Alois Karl, Marlene Mortler und Florian Oßner in einem Brief an den zuständigen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ins Spiel gebracht. Dazu müssten jedoch die gesetzlichen Grundlagen geändert werden. Immerhin: Signale in diese Richtung gibt es.

Daran knüpfen viele Mandatsträger und viele Bürger im nördlichen Landkreis ihre Hoffnungen. Könnte man durch Erdverkabelung den kritischsten Punkt Katzwang auflösen, dann erscheint eine nördliche Variante der Juraleitung fast am wahrscheinlichsten, die entlang der Autobahn A6 und der A3 wohl am wenigsten Konfliktpotenzial bergen würde.

Doch eines machte Marius Strecker vor den Gemeinderäten deutlich: "In einem dicht besiedelten und oft zersiedelten Land wie Deutschland wird es die optimale Lösung nicht geben. Das wird immer ein Abwägen zwischen einer schlechten und einer sehr schlechten Lösung sein."

Resolution in Arbeit

Wie geht es jetzt weiter? Offiziell war das Treffen der Mitglieder von sechs Gemeinderäten keine Sitzung, sondern eine interne Informationsveranstaltung. Beschlossen werden konnte also nichts. Sicher ist aber, das machten die sechs Rathauschefs Felix Fröhlich, Walter Schnell, Helmut Bauz, Jürgen Spahl, Robert Pfann und Werner Langhans deutlich, werde es eine gemeinsame Resolution geben, an deren Text noch gefeilt wird. Der Inhalt in fünf Worten zusammengefasst: Nein zur Südumfahrung der Juraleitung.

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