Rohrer Rohmilch-Automat: Von der Kuh frisch in die Flasche

25.11.2015, 08:10 Uhr
Rohrer Rohmilch-Automat: Von der Kuh frisch in die Flasche

© Foto: Robert Gerner

Von der Kuh gewissermaßen ohne Umwege frisch auf den Tisch. Die Winklers haben eine neue Nische gesucht – und offenbar gefunden. Ein Besuch.

Michael Winkler zieht schnell 70 Cent aus der Hosentasche. Die wirft er in den kleinen Milchautomaten direkt am Wohnhaus. Aus einem kleinen Schränkchen holt er eine leere Flasche mit selbst designtem Aufkleber und stellt sie unter ein Röhrchen aus Edelstahl.

Er drückt den grünen Startknopf, und schon fließt die Milch. Winkler lässt den Knopf los, der Milchfluss versiegt. Er drückt den Knopf wieder, und die Flasche füllt sich. Am Ende hat der Automat „eine Portion“ ausgespuckt. Das entspricht ungefähr einem Liter. Wer in den Automaten nur 20 Cent einwirft, der erhält entsprechend weniger. Wer zwei Euro einwirft, der braucht drei Flaschen, um die ganze Milch abzutransportieren.

Kinder waren treibende Kraft

„Die Sache mit dem Milchautomaten war eigentlich die Idee meiner Frau“, sagt Michael Winkler. Doch Sabine Winkler winkt ab. Die drei Kinder – Sabrina, Manuela und Chris – seien die treibenden Kräfte gewesen.

Den Anstoß erhielten die Winklers bei einem Urlaub am Chiemsee. Da haben sie einen solchen Automaten erstmals gesehen – und waren von Beginn an Feuer und Flamme. Im nahen Oberasbach, wo es den ersten Milchautomaten im Landkreis Fürth gibt, haben sie sich dann näher informiert. Michael Winkler, ein gelernter Kälte- und Klimatechniker mit eigenem Zwei-Mann-Betrieb, hat beim Entwickler in Stuttgart den Bausatz gekauft und zusammengebaut, Anfang Juli ist der erste Milchautomat im Landkreis Roth, an dem 24 Stunden pro Tag Rohmilch abgezapft werden kann, in Betrieb gegangen.

Die dahinter stehende Idee ist so einfach wie bestechend. Bisher hat Winkler 100 Prozent seiner Produktion an die Bayernland-Molkerei in Fürth verkauft. So wie die meisten Landwirte in dieser Ecke des Landkreises Roth. Bis März gab es klare Richtlinie in Europa, wer wie viel Milch liefern durfte. „Milchkontingentierung“ hieß das in der Fachsprache.

Keine Milchquote mehr

Anfang April fiel diese künstliche Begrenzung der Milchmenge. Jetzt darf in Europa jeder so viel produzieren, wie er will. Das hat die Produktion gesteigert, aber erwartungsgemäß den Preis gedrückt.

Derzeit erhalten Bauern zwischen 26 und 27 Cent für den Liter Milch. Das reicht nicht, um langfristig wirtschaftlich produzieren zu können. Die großen Verbrauchermärkte mit Aldi als Marktführer diktieren die Preise. Die Molkereien geben den Druck an die Bauern weiter.

Suche nach Alternativen

Und die überlegen sich Alternativen. Die einen versuchen, die immer kleineren Margen pro Liter Milch durch eine Vergrößerung des Milchkuhbestandes auszugleichen. Andere probieren es mit der Selbstvermarktung. So wie die Winklers.

„Das ist natürlich nicht mehr als ein kleines Zubrot“, sagt Sabine Winkler. Die rund 70 Milchkühe auf dem Winkler-Hof in der Rohrer Ortsmitte – gut zu finden dank einer 1,50 Meter großen bemalten Kunststoff-Werbekuh – liefern an einem hochtechnisierten Melkroboter jeden Tag rund 1400 Liter Milch ab.

Direkt am Automaten verkauft wird davon derzeit vielleicht ein Prozent, der Rest geht nach wie vor an die Molkerei. „Aber der Anfang stimmt uns hoffnungsvoll“, sagt Michael Winkler.

Der Nebenerwerbs-Landwirt muss bei seinem Milchautomaten sicherstellen, dass sein Produkt nicht mit Keimen in Berührung kommt. Er schafft dies mit einem geschlossenen Kreislauf. Vom Melkroboter fließt die Milch direkt in einen großen Kühltank.

Zufriedene Kunden

Der hat seit Anfang Juli nicht mehr nur einen, sondern zwei Ausgänge. Den großen nutzt weiterhin das alle zwei Tage aufkreuzende Milchauto der Molkerei. Über den kleinen holt sich der nur eineinhalb Meter entfernt stehende Milchautomat jene Menge, die der Kunde draußen gerade angefordert hat.

In den ersten vier Monaten haben es die Winklers schon geschafft, sich eine kleine Stammkundschaft aufzubauen. Die Leute kommen aus Rohr, aber auch aus weiter entfernten Ortschaften wie Großschwarzenlohe. Autos mit Fürther Kennzeichen hat Sabine Winkler ebenfalls schon zum Automaten vorfahren sehen wie welche mit Ansbacher Nummer.

„Näher zusammenkommen“

Michael Winkler erhofft sich durch den Automaten nicht nur eine neue Einnahmequelle. Für ihn ist es auch die Chance, „dass Landwirte und Verbraucher wieder näher zusammenkommen“. Bei den Winklers herrscht jedenfalls wieder viel häufiger ein Kommen und Gehen. Die ersten Durstigen fahren schon um 5 Uhr vor, die letzten kommen gegen Mitternacht. „Das ist wie bei einem Drive-In in einem Schnellrestaurant“, sagt Sabine Winkler. „Mit dem Unterschied, dass es bei uns nur ein Produkt gibt.“

Das stimmt, das stimmt aber auch wieder nicht ganz. Verkauft wird tatsächlich nur Milch. Doch jedes Monat gibt es ein anderes Rezept der gelernten Hauswirtschafterin gratis dazu.

Bis zu vier Tage haltbar

Und hin und wieder helfen die Betreiber des Milchautomaten auch mit gut gemeinten Ratschlägen. Der erste lautet: nicht zu viel Milch auf einmal kaufen. „Rohmilch hält nämlich nur drei bis vier Tage, dann wird sie sauer“, betont Sabine Winkler.

Um auf der sicheren Seite zu sein, haben die Winklers auch an den Automaten den Hinweis geklebt, dass die Rohmilch vor dem Verzehr abgekocht werden sollte. Eine Vorgabe des Rother Veterinäramtes.

Selbst hält sich Michael Winkler aber nicht so streng an die Vorschrift. „Ich bin früher immer mit der Tasse in den Stall gelaufen und habe mir die frischeste Milch geholt, die man sich vorstellen kann“, erinnert er sich. Und auch heute schwört er auf die unbehandelte Rohmilch mit dem in Rohr üblichen Fettgehalt von gut vier Prozent. „Demgegenüber“, findet der Nebenerwerbslandwirt, „schmeckt die fettarme H-Milch aus dem Tetra-Pack vom Discounter doch die weiß gefärbtes Wasser“.

Keine Kommentare