Ausflugstipp

Sand, Wässerwiesen und ein Schloss: Wandern von Katzwang nach Reichelsdorf

1.12.2021, 10:45 Uhr
Neben viel Grün beeindruckt auch die Sandgrube bei Wolkersdorf.  

© Mathias Orgeldinger, NN Neben viel Grün beeindruckt auch die Sandgrube bei Wolkersdorf.  

Wir wandern von der S-Bahn-Haltestelle Katzwang nach Süden. Auf dem Katzwanger Bahnweg erreichen wir Schwabacher Gebiet, durchqueren eine Nürnberger Enklave und wenden uns am Waldrand nach Norden. Die Zickzacklinien der Gebietskörperschaften stören uns nicht, denn sie sind nur auf der Karte sichtbar.

Auch hier kommt man vorbei: das Waldstromer-Schlösschen.  

Auch hier kommt man vorbei: das Waldstromer-Schlösschen.   © Mathias Orgeldinger, NN

Viel erstaunlicher ist der schnelle Übergang vom Ortsrand zu Wiesen, Obstplantagen, Äckern und Wäldern. Hinter einem Erdwall verbirgt sich die Sandgrube bei Wolkersdorf. Die Sandlagerstätte entstand in der letzten Eiszeit, die vor etwa 10.000 Jahren endete.

Sie besteht größtenteils aus grob- und mittelkörnigen Flussablagerungen. In den fränkischen Sandgebieten finden sich aber auch Flugsande, die während der Eiszeit von den westlich gelegenen Keuperbergen angeweht wurden. Die Keuper-Sandsteine der Frankenhöhe entstanden vor über 200 Millionen Jahren aus zusammengepressten Flussablagerungen noch älterer Gebirge.

Sand als wichtige Ressource

Der Kreislauf zwischen Sandstein und Sand würde wohl ewig weitergehen, hätte der Mensch nicht den Beton erfunden. Sand ist nach Wasser die zweitwichtigste Ressource der modernen Zivilisation. Jährlich werden 40 Milliarden Tonnen abgebaut, neunmal mehr als Rohöl.
Nach Recherchen des Deutschlandfunks verbraucht allein China schätzungsweise circa 55 Prozent der weltweiten Sand- und Kiesproduktion und hat in vier Jahren mehr verbaut als die USA in mehr als 100 Jahren. Jährlich wird etwa doppelt so viel Sand verbraucht, wie alle Flüsse der Welt nachliefern können.

Gerade im Herbst hat die Natur einen besonderen Zauber, wie hier an der Rednitz nahe dem Pumpenhaus bei Reichelsdorf.  

Gerade im Herbst hat die Natur einen besonderen Zauber, wie hier an der Rednitz nahe dem Pumpenhaus bei Reichelsdorf.   © Mathias Orgeldinger, NN

Zwar gibt es genügend Wüstensand, doch dessen Körner sind klein und glatt geschliffen, können sich nicht ineinander verhaken und sind daher als Baustoff ungeeignet. Meeresstrände und Flüsse lassen sich nicht beliebig ausbeuten, und auch hierzulande stößt der industrielle Sandabbau auf massiven Widerstand.

Naturschutz- und Landschaftspflegeverbände haben im Jahr 2000 das Projekt „SandAchse Franken“ ins Leben gerufen, um die verbliebenen Sandflächen mit ihrer seltenen Flora und Fauna zu schützen. Die Infotafel an der Sandgrube bei Wolkersdorf informiert über Uferschwalben, Kreuzkröten und Blauflügelige Sandschrecken, deren Lebensraum bedroht ist.

Malerisch ist der Eingang zu einer Obstplantage, an der die Wanderung vorbeiführt. Das Betreten ist leider nicht erlaubt.  

Malerisch ist der Eingang zu einer Obstplantage, an der die Wanderung vorbeiführt. Das Betreten ist leider nicht erlaubt.   © Mathias Orgeldinger, NN

Im Oktober 2021 startete das bayernweite Projekt „Natur auf Zeit“ zum Schutz bedrohter Amphibien. Naturschützer und Unternehmer stellten in der Sandgrube bei Wolkersdorf eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit beim Schutz von Amphibien in den Abbaugebieten vor. Bayernweit nehmen 50 Betriebe teil, davon sieben aus Mittelfranken.

In nördlicher Richtung erreichen wir auf Waldwegen die Rednitzaue mit der fünfbogigen Eisenbahnbrücke, die 1845 aus Sandsteinquadern erbaut wurde. Deutsche Truppen sprengten die beiden südlichen Bogen des Viadukts im April 1945, amerikanische Experten vom Office of Military Government (OMG) ließen sie 1946 in Betonausführung wiederherstellen.

Wässerwiesen und U-Bahn

Wir folgen zunächst dem Lauf der Rednitz und biegen dann entlang der Stadtgrenze nach Norden bis zur S-Bahn-Haltestelle Reichelsdorfer Keller. Hier unterqueren wir die Schienen und erreichen nach wenigen Minuten die Bewässerungswiesen der Rednitzaue. Die „traditionelle Wässerwiesennutzung in Franken“ wurde 2020 in die Liste des immateriellen Kulturerbes des Freistaates Bayern aufgenommen.

Ein Blick durch die alten Führungsschienen zum Aufstauen des Wassergrabens mit einem Holzschütz.  

Ein Blick durch die alten Führungsschienen zum Aufstauen des Wassergrabens mit einem Holzschütz.   © Mathias Orgeldinger, NN

Der erste schriftliche Nachweis der Wiesenbewässerung stammt aus Katzwang und datiert auf das Jahr 1421. Zwar hat sie, anders als im Alten Ägypten, keine Hochkultur hervorgebracht, doch als nachhaltiger Kontrast zur industriellen Landwirtschaft taugt sie allemal.
Über ein weit verzweigtes Netz von Kanälen und „Holzschützen“ (Schieber beziehungsweise Platten zum Aufstauen von Wasserläufen) werden die Wiesen in der Zeit von Mai bis September je nach Trockenheit etwa zwei- bis viermal bewässert. Ein altes Pumpenhäuschen bei Reichelsdorf erinnert an den technischen Aufwand, der noch Anfang des 20. Jahrhunderts betrieben wurde.

Die Wiesenbewässerung, die die meist sandigen Böden der Rednitzaue mit Wasser und Nährstoffen versorgt, ist zwar nachhaltig, doch leider auch sehr arbeitsintensiv, so dass sie heute nur noch mit öffentlichen Geldern aufrechterhalten werden kann. Die Natur bedankt sich mit Frischluftschneisen im Sommer und einer hohen Artenvielfalt.

Die alte Eisenbahnbrücke über die Rednitz von 1845 bei Wolkersdorf.

Die alte Eisenbahnbrücke über die Rednitz von 1845 bei Wolkersdorf. © Mathias Orgeldinger, NN

Am Rand des Wiesengrundes taucht das Waldstromer-Schlösschen von Reichelsdorf auf. Der dreigeschossige Herrensitz stammt aus dem 16. beziehungsweise 17. Jahrhundert, ein Vorgängerbau ist 1377 als Besitz der Waldstromer belegt, die zu den ältesten Patrizierfamilien Nürnbergs gehören.

Renovierung als Großprojekt

Über die Jahrhunderte teilten sich mehrere Familien den Besitz. Ein Wappen der Familie Kötzler ziert den von toskanischen Säulen gesäumten Eingang. Im Jahr 2000 kaufte der Unternehmer Klaus Renner das marode Gebäude mit dem 6000 Quadratmeter großen Grundstück.
„Die Renovierung ist ein Projekt für Jahrzehnte“, sagt er. „Ich muss den Denkmalschutz, den Denkmalensembleschutz, den Landschafts-, Wasser- und Naturschutz sowie den EU-Naturschutz beachten.“ Der Teufel liegt im Detail: So ist die Brücke nur eine Anmutung und die Hauswand teilweise nur sandsteinartig verputzt.

Nach Renners Plänen soll der „unbeachtete Landsitz“ mit Barock- und Renaissancegarten neu entstehen, wobei die Sichtachse nicht auf den Eingang, sondern nach Südosten weist. Wir wenden uns nach Nordosten und beenden die Wanderung an der S-Bahn-Haltestelle Reichelsdorf.