Schiedsrichter aus Leidenschaft

22.4.2021, 17:21 Uhr
Schiedsrichter aus Leidenschaft

© Foto: Roland Jainta

An einen Gegenspieler während seiner aktiven Zeit als Fußballer beim TSV Wolkersdorf erinnert sich Heinrich Waag, der von seinen Freunden meist "Heiner" genannt wird, noch ganz genau. "Ich hatte es als Verteidiger bei einem Schülerspiel gegen den SV Unterreichenbach mit Manfred Ritschel zu tun!" Sehr viele Zweikämpfe auf dem Platz mit solch hochkarätigen Fußballspielern hatte er freilich danach nicht mehr. Waag: "Eine Verletzung beendete meine Laufbahn viel zu früh und zwang mich zu einem Wechsel ins ,schwarze Lager‘. Diesen Schritt habe ich allerdings nie bereut!"

Seit 1956 beim TSV Wolkersdorf

So trennten sich die Wege der beiden in Fußballerkreisen bekannten Persönlichkeiten. Manfred "Manni" Ritschel machte als Kicker Karriere, wurde später sogar Nationalspieler. "Heiner" Waag wurde Schiedsrichter. Noch immer ist er Mitglied beim TSV Wolkersdorf. Seit 1956 hält er seinem Stammverein die Treue. Inzwischen 65 Jahre lang.

Am heutigen 23. April feiert er seinen 75. Geburtstag. Ein Alter, das man ihm ehrlicherweise nicht ansieht. Scheint also doch nicht so sehr an die Substanz zu gehen dieser Schiedsrichter-Job. "Man muss die Kritik von außerhalb des Spielfelds so gut wie möglich ausblenden", sagt Heiner Waag. Dass nicht jeder Pfiff während seiner Laufbahn von allen auf dem Platz und jenseits des Spielfeldrandes akzeptiert werden könne, war für ihn klar. Im Fußball sei zudem vieles Auslegungssache.

Schiedsrichter aus Leidenschaft

© Archiv: Heiner Waag

Was ihm aber im Laufe der Jahre immer bewusst war: "Man muss seiner Linie treu bleiben. Der größte Fehler eines Unparteiischen ist, einen vermeintlichen Fehlpfiff im Verlauf des Spiels korrigieren zu müssen. Da kommst du in Teufels Küche!" Natürlich habe auch Heiner Waag nach einer Entscheidung mit sich gehadert, wie er zugibt. Einmal zum Beispiel habe er einem Spieler einen klaren Vorteil zurückgepfiffen, was ihm unendlich leid getan habe. "Nach dem Spiel bin ich zu dem Stürmer gegangen und habe mich dafür entschuldigt. "Hätte ich vorher nur ansatzweise gewusst, wie schnell du bist, dann hätte ich weiterlaufen lassen!" gab er dem Spieler mit auf den Weg. Menschlich bleiben in jeder Situation, das ist es, was ihn auf dem Platz ausgezeichnet hat.

Nur vier Rote Karten

Heiner Waag hat stets mit Fachwissen und Persönlichkeit geglänzt, das machte ihn auch bei vielen Vereinen so beliebt. Das Spiel mit den Karten war nicht sein Ding: "Ich habe immer versucht, Konflikte auf dem Platz auf die menschliche Art zu regeln – während meiner gesamten Laufbahn habe ich nur vier Rote Karten verteilt!"

Menschlichkeit und Erfolg müssen sich nicht ausschließen. Heiner Waag gilt als gutes Beispiel. Zwischen 1983 und 1985 leitete er Spiele der Bayernliga – das war damals die oberste Amateur-Spielklasse und dritthöchste Liga überhaupt. An seiner Seite standen Gruppen-Obmann Werner Stroech (SV Leerstetten) und Walter Engelhardt (SV Rednitzhembach), die beide leider schon verstorben sind. Zuvor war Heiner Waag Assistent von Walter Swoboda in der Bayernliga.

Wenn sich jemand so engagiert in seinem Ehrenamt, wie Heiner Waag, dann bleiben auch Auszeichnungen nicht aus. 1984 wurde er durch OB Hartwig Reimann bei der Sportlerehrung der Stadt Schwabach ausgezeichnet. Bei ihrer Jahresabschlussfeier 2009 ernannte ihn die Schiedsrichter-Gruppe Jura Nord zum Ehrenmitglied. An der Seite von Werner Stroech war er von 1989 bis 2009 Stellvertretender Vorsitzender der Gruppe. Auch abseits des Platzes erwies sich Heiner Waag als verlässlicher Teamplayer. So verzichtete er auf seinen angestammten Platz in der Verbandsliga und trat diesen seinem Kollegen Thomas Wirth ab.

Für Waag selbst war es danach Zeit, die Pfeife an den Nagel zu hängen und sich anderen Aufgaben im Schiedsrichterwesen zu widmen. 25 Jahre lang war er Schiedsrichter-Beobachter auf Verbandsebene. Ein Ehrenamt, das allerdings ein festes "Ablaufdatum" hatte. "Beobachter auf Verbandsebene dürfen nicht älter sein als 70 Jahre. Ich wollte aber den Tag meines Abschiedes selbst bestimmen und trat mit 69 Jahren freiwillig ab!" sagte er. Beobachter blieb er weiterhin – auf Bezirksebene, "da gibt es keine Altersbegrenzung!"

Wenn mal gerade kein Corona ist, kann man Heiner Waag auch heute noch in einer ruhigen Ecke auf einem Sportplätzen entdecken, wo er sich auf Spiel und Schiedsrichter konzentrieren kann. "Auch das Beobachterwesen hat sich in den vergangenen Jahren positiv weiterentwickelt! Die Anforderungen sind höher geworden, was letztlich auch der Qualität der Schiedsrichter-Ausbildung zu Gute kommt", erzählt er.

(K)ein Bier für Dr. Felix Brych

Spontan fiel ihm eine kleine Anekdote ein, die er als Beobachter am Rande eines Bayernliga-Spiels beim SC 04 Schwabach erlebt hatte: Eingeteilt waren der junge Dr. Felix Brych, der damals noch nicht auf der Fifa-Liste stand, und sein Team. Für seinen mehrseitigen Bericht wollte Heiner Waag das Gespann noch zu der ein oder anderen unklaren Situation im Spiel Fragen stellen und klopfte deshalb an die Tür zur Schiedsrichter-Kabine. "Da kommt ja unser Bier", so Brychs Begrüßungsworte. Auf ihr damals nach einem Fußballspiel gewohntes Ritual musste das Trio freilich nicht verzichten und auch nicht mehr lange warten, zumal sich der Sportheim-Wirt längst auf den Weg gemacht hatte.

Wie lange er sein Hobby noch ausüben wird, darauf will sich Jubilar Waag noch nicht festlegen: "Vielleicht noch zwei, drei Jahre – so lange es mir eben Spaß bereitet. Entscheidend für mich ist aber, dass ich gesund bleibe!" Und: Den Zeitpunkt, sich endgültig zurückzuziehen von der Schiedsrichterei, möchte er selbst bestimmen.

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