Weihnachten

Schwabach: Die erste Open-Air-Christmette

26.12.2021, 18:16 Uhr
Martin-Luther-Platz statt Stadtkirche, Bühne statt Altar: Wegen Corona fand die Christmette von St. Martin erstmals unter freiem Himmel statt.

© Günther Wilhelm, NN Martin-Luther-Platz statt Stadtkirche, Bühne statt Altar: Wegen Corona fand die Christmette von St. Martin erstmals unter freiem Himmel statt.

Corona erzwingt die Premiere: eine "Open-Air-Christmette". Diese Notlösung ist aber auch ein Fortschritt. Denn im vergangenen Jahr mussten Weihnachtsgottesdienste mit Gläubigen ausfallen, möglich waren nur Online-Übertragungen.

"Gottes Gnade für alle Menschen. Was für eine Ansage": Dekanin Berthild Sachs bei ihrer Predigt. 

"Gottes Gnade für alle Menschen. Was für eine Ansage": Dekanin Berthild Sachs bei ihrer Predigt.  © Günther Wilhelm, NN

Heilig Abend, 22 Uhr: Vor der mit Stern und Christbaum geschmückten Bühne haben sich etwas über hundert Gläubige eingefunden - trotz des pausenlosen Nieselregens. In ihrer Predigt spricht Dekanin Berthild Sachs sie gleich direkt an: "Haben Sie schon alles ausgepackt, was unterm Christbaum lag? Und wie war die Bescherung dieses Jahr? Gab es Freude oder lange Gesichter?" Wenn´s ums Beschenktwerden geht, dann ticken wir Menschen ja ziemlich unterschiedlich."

Von denen, die auf Nummer sicher gehen wollen und ganz präzise Wunschzettel schreiben, bis zu denen, die sich an allem erfreuen, was unterm Christbaum liegt. "Weil er oder sie sieht, wie da ein anderer ein Stück von sich verschenkt, Zeit, Liebe, Gedanken, Sorgfalt. Weil nicht der materielle Wert das Geschenk ausmacht, sondern die Verbundenheit, die es ausdrückt", so die Dekanin.

Michael Kummer bei der Lesung. 

Michael Kummer bei der Lesung.  © Günther Wilhelm, NN

Für das Weihnachtsgeschenk, um das es heute Nacht gehe, gebe es weder Bestellnummer noch Umtauschmöglichkeit. Der Apostel Paulus spreche davon in einem einzigen großartigen Satz: Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen.

"Welch ein Anspruch!"

"Mich berühren diese Worte", sagt Berthild Sachs. "Gottes Gnade gilt allen Menschen. Ich denke an die vielen Schubladen und Kategorien, in denen wir denken und gefangen sind. Gefühlt werden es ja ständig mehr: Geimpft oder ungeimpft, genesen oder geboostert. Biodeutsch, mit Migrationshintergrund, Ausländer. Gläubig, andersgläubig, ungläubig. Erste Welt, dritte Welt, vierte Welt. Globale Krisen, die allen Menschen gelten, fallen mir viele ein, nicht erst seit Corona, und auch nach Corona wird es sie geben."

Die musikalische Gestaltung übernahm der Posaunenchor unter der Leitung von Klaus Peschick. Zudem sangen Ulrike Dehner-Reimann, Luise Hirsch und Inken Busch-Harder. 

Die musikalische Gestaltung übernahm der Posaunenchor unter der Leitung von Klaus Peschick. Zudem sangen Ulrike Dehner-Reimann, Luise Hirsch und Inken Busch-Harder.  © Günther Wilhelm, NN

Aber globale Gnade, die allen Menschen gilt? "Was für eine Ansage, und welch ein Anspruch!", betont die Dekanin. "Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen. Ein Gottesgeschenk, das heilsam ist, das Wunden heilt. Zu heilen gibt es gerade mehr als genug."

Trotz des Regens gut besucht war bereits am Nachmittag der Familiengottesdienst.

Trotz des Regens gut besucht war bereits am Nachmittag der Familiengottesdienst. © Claudia weinig, NN

Die Erkrankten und Beatmeten und die, die sich noch immer durch LongCovid kämpfen. Die Erschöpften, die nicht mehr können und doch ihre Schicht machen im Pflegeheim und auf der Intensivstation. Die Familien und Freundeskreise, durch die ein Riss geht, weil man einander im Umgang mit der Pandemie nicht mehr versteht und nicht mehr traut. "Nein, Corona ist nicht der heilsame Schreck darüber, wie zerbrechlich unsere Welt ist. Sondern Corona und seine Folgen, die Spaltungen, die globalen Ungerechtigkeiten, die Egoismen, die Ratlosigkeiten, die uns diese Pandemie täglich vor Augen führt, zeigen unsere Heilsbedürftigkeit", sagt Berthild Sachs.

Szene aus dem Familiengottesdienst am Nachmittag.

Szene aus dem Familiengottesdienst am Nachmittag. © Claudia weinig, NN

"Es ist eine unheile Welt, in der wir Weihnachten feiern, und es war eine unheile Welt schon damals, bei Maria, Josef, den Hirten von Bethlehem. Und dagegen setzt Gott nun sein Weihnachts-, sein Gnadengeschenk: Ein Kind in Windeln, in einer ärmlichen Krippe, ohne Obdach und bald schon in Lebensgefahr auf der Flucht. Kann so ein Kind die Welt heilen?"

Stimmen der Versöhnung

Gottes Geschenk habe Menschen berührt, begeistert und mutig gemacht. Die Stimmen derer, die Versöhnung über Spaltung, Respekt gegen Hass, Solidarität gegen Egoismus und Vertrauen über Angst setzten, seien nicht verstummt.

Die herrlich beleuchtete Krippe in der Stadtkirche. 

Die herrlich beleuchtete Krippe in der Stadtkirche.  © Günther Wilhelm, NN

Diesen Menschen habe Heinrich Böll ein wunderbares Bekenntnis gewidmet. "Er sagte einmal: Ich glaube an Christus. Und ich glaube, dass 800 Millionen Christen auf dieser Erde das Antlitz dieser Erde verändern können", zitiert Dekanin Sachs den Literatur-Nobelpreisträger. "Deshalb, liebe Schwabacher Weihnachtsgemeinde: Sagt Ja zum Weihnachtsgeschenk Gottes. Nehmt es an, nehmt es mit aus dieser Heiligen Nacht in eure Familien, in euren Alltag. Und staunt, wie es euch und damit die Welt verändert."

Geöffnet aber war die Stadtkirche durchaus. Wer wollte, konnte noch die herrlich beleuchtete Krippe bestaunen und ein Friedenslicht aus Bethlehem mit nach Hause nehmen.

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