Kritik an Söder

Schwabach/Roth: Lüftungsgeräte für alle Klassenzimmer?

3.7.2021, 06:00 Uhr
Lüften genügt nicht, findet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und will Luftreiniger in allen Klassenzimmern. Doch vom Sinn dieser Maßnahme sind längst nicht alle überzeugt. Hinzu kommt die Frage: Wer zahlt? Aus Schwabach und dem Landkreis Roth kommt deutliche Kritik. 

© Sebastian Gollnow/dpa, NN Lüften genügt nicht, findet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und will Luftreiniger in allen Klassenzimmern. Doch vom Sinn dieser Maßnahme sind längst nicht alle überzeugt. Hinzu kommt die Frage: Wer zahlt? Aus Schwabach und dem Landkreis Roth kommt deutliche Kritik. 

Lüftungsanlagen in jedem Klassenzimmer: Das ist das Ziel der bayerischen Staatsregierung für das neue Schuljahr.
Er wolle „beim Lüften Dampf machen“, hat Ministerpräsident Markus Söder in dieser Woche angekündigt. Die Schulen sollen „so sicher wie möglich“ werden.

50 Prozent Zuschuss

Deshalb soll es ein neues Förderprogramm geben: 50 Prozent will der Freistaat übernehmen. Die andere Hälfte sollen Landkreise, Städte und Gemeinden zahlen, die Sachaufwandsträger für die Schulen sind.

In einem ersten Förderprogramm für nicht oder nur unzureichend zu lüftende Klassenzimmer hatte der Freistaat noch alle Kosten (bis zu 3500 Euro pro Gerät) übernommen. Daraufhin wurden in vielen Städten und Gemeinden solche Geräte auch gezielt aufgestellt. Auch in Schwabach und im Landkreis Roth.

Nun aber alle Klassenzimmer? Ist das eine sinnvolle Maßnahme zur Pandemiebekämpfung? Ein großzügiger Zuschuss? Die Reaktionen in Schwabach und im Landkreis Roth fallen wenig euphorisch aus. Ganz im Gegenteil, wie eine Umfrage zeigt:

Schwabach

Oberbürgermeister Peter Reiß (SPD), Schwabach: „Diese Ankündigung kommt viel zu spät. Wir brauchen Beschlüsse, wir müssen ausschreiben. Aber wir haben noch nicht einmal die Förderrichtlinie, sondern nur die lapidare Ankündigung. Bis zum Schulbeginn ist das im Grunde unmöglich“, sagt OB Peter Reiß. „Ich habe den Eindruck, da sollen die Versäumnisse des Kultusministeriums auf den letzten Drücker kaschiert werden.“
In Schwabach gibt es in den 13 Schulen 253 Klassenzimmer sowie weitere rund 100 Fachräume. In elf Klassenzimmern wurden Lüftungsgeräte aufgestellt. Die anderen lassen sich lüften.

Hinzu kommt: Schulen, wie etwa die Maar-, Helm- und Zwieseltalschule, wurden in den vergangenen Jahren energetisch saniert. „Eine Wärmerückgewinnung sorgt bereits für Zirkulation. Lüftungsgeräte hätten da gar keinen Effekt“, erklärt Pressesprecher Jürgen Ramspeck.

Schulamtsleiter Gerhard Kappler betont: „Einfach kaufen und anstecken, das geht nicht.“ Zum einen müsse europaweit ausgeschrieben werden. Zum anderen sei auch der Brandschutz zu bedenken. „Die Frage wäre: Würde das Stromnetz in den Schulen das aushalten?“

„Das ist alles hochkompliziert. Bei einem Schnellschuss drohen große Fehleinkäufe“, sagt Reiß. Denn die Kosten wären erheblich. „Wir rechnen mit rund 1,5 Millionen Euro für die Anschaffung und 299 000 Euro jährlich für Wartung und Unterhalt. Bei diesen Summen hätten wir gerne einen Wirkungsnachweis, dass es für den Schutz der Kinder tatsächlich etwas bringt. Da hoffen wir auf die Wissenschaft.“.

Landkreis Roth

Landrat Herbert Eckstein (SPD): „Alle Landräte und alle Bürgermeister wollen, dass Unterricht stattfinden kann, das ist doch klar“, betont er. „Aber hier vorzupreschen, ohne sich mit den Spitzenverbänden abzusprechen, das ist ein Stil von Söder, den ich so nicht akzeptiere.“

Es dürfe nicht dazu kommen, dass die einen die Guten, die anderen die Bösen seien. „Wer keine weiteren Lüftungsanlagen kauft, bekommt dann das Totschlagsargument zu hören: Das sind euch unsere Kinder wohl nicht wert? Dabei ist das kein Geldproblem“, betont Eckstein.
„Die entscheidende Frage ist doch: Was hat wirklich Sinn? Wenn es hilft, ist es keine Frage. Aber die Gutachten sind sehr unterschiedlich. Deshalb muss man fragen, was verhältnismäßig ist“, findet der Landrat.

Der Landkreis ist zuständig für die drei Gymnasien Wendelstein, Roth und Hilpoltstein, die beiden Realschulen Roth und Hilpoltstein, das Förderzentrum und die Berufsschule. „Wir haben ja bereits in den etwa 20 Klassenzimmern, die sich nicht richtig lüften lassen, solche Geräte aufgestellt.“

Eckstein hofft nun auf zweierlei: konkrete Einschätzungen der Wissenschaft und ein konkret formuliertes Förderprogramm. „Dann sehen wir weiter.“

Wendelstein

Werner Langhans (CSU), Wendelsteins Bürgermeister und Kreisvorsitzender des Gemeindetags im Landkreis Roth: „In Wendelstein haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und zwei Lüftungsgeräte eingebaut, wo es nötig war. Insgesamt haben wir in unseren Grund- und Mittelschulen rund 50 Klassenzimmer“, sagt er als Bürgermeister.
Als Kreisvorsitzender des Gemeindetags ist ihm wichtig, dass es mit Landrat Eckstein und den anderen Bürgermeister weiterhin Einigkeit gebe.

Söders Ankündigung nennt Langhans „Aktionismus mit fast schon populististischen Zügen“. Denn: „Ich habe Zweifel an der Sinnhaftigkeit, alle Klassenzimmer auszustatten.“ Und wenn der Freistaat das schon machen wolle, müsse das Konnexitätsprinzip weiter gelten. Das heißt vereinfacht: Wer anschafft, zahlt auch.

„Das Ganze“, fasst Langhans zusammen, „scheint mir noch nicht sehr durchdacht zu sein.“

Hilpoltstein

Markus Mahl (SPD), Bürgermeister von Hilpoltstein: „Mich ärgert, dass Söder sich hinstellt, Erwartungen bei den Eltern schafft, damit den Druck auf die Bürgermeister

unheimlich erhöht, aber die Finanzierung abwälzt. Wenn der Freistaat das schon so kräftig fordert, soll er es auch zahlen.“ In den Hilpoltsteiner Grund- und Mittelschulen könnten alle Zimmer gelüftet werden. „Aus technischen Gründen sehe ich deshalb keinen Nachbesserungsbedarf.“

Kammerstein

Wolfram Göll (CSU), Bürgermeister von Kammerstein: In der Gemeinde Kammerstein liegt ein Antrag der SPD vor, in den vier Klassenzimmern in der Grundschule in Barthelmesaurach Lüftungsgeräte einzubauen.

„Eigentlich wäre das nicht zwingend nötig, weil die Räume belüftet werden können. Aber Beschlusslage ist, dass wir nochmal reden, wenn sich die Förderung bessert“, erklärt Göll. „Nun müssen wir abwarten, wie die Richtlinien konkret sind. Das ist ja noch völlig unklar. Wenn der Freistaat das anordnet, muss er es zahlen.“

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