Schwabachs Europaabgeordneter sorgt sich wegen Ukraine

30.4.2014, 08:26 Uhr
Schwabachs Europaabgeordneter sorgt sich wegen Ukraine

© Gerner

Seit 2008 ist er gewählter Abgeordneter. Bei der Wahl am 25. Mai kandidiert er auf dem nahezu sicheren Platz 7 der CSU-Liste. Ein Gespräch über die Europawahl im Zeichen der Ukraine-Krise:

Herr Kastler, die Lage in der Ukraine ist dramatisch. Haben Sie Angst vor einem Krieg in Europa?

Kastler: Ich mache mir riesige Sorgen. Was wir erleben, hätte ich nie für möglich gehalten. Man muss jede Eskalation verhindern. Das beginnt damit, dass wir verbal nicht anheizen, sondern abrüsten.

Wenn Russland tatsächlich Truppen in die Ost-Ukraine schickt, wie sollte Europa reagieren?

Kastler: Mit diplomatischer Isolation und Sanktionen. Wenn man sich das gefallen ließe, wäre das ein Rückfall ins alte System.

Ein Krieg mit Russland ist eigentlich undenkbar. Kämen militärische Reaktionen überhaupt in Frage?

Kastler: Die Ukraine ist weder in der EU noch in der NATO. Ich sehe die EU in einer Mittlerrolle zwischen Russland und der USA.

Die Entwicklung in der Ukraine schürt aber die Sorgen etwa in den baltischen Staaten und Polen. Und die gehören zur NATO und zur EU. Wie wird die Lage unter EU-Abgeordneten diskutiert?

Kastler: Wären diese Staaten betroffen, hätten wir eine komplett andere Situation. Neben mir im Parlament sitzt eine Kollegin aus Lettland. Die ist in einem russischen Gulag geboren, in dem ihre Mutter interniert war. Sie glauben nicht, was die sich für Sorgen machen. Die hat große Angst vor einem „Stalin 2.0“, wie sie Putin nennt. Sie befürchtet, dass er sich ein altes großes Reich rekonstruieren will.

Knapp die Hälfte der Bundesbürger hält die Wahl laut einer Umfrage für unwichtig. Haben Sie die Sorge, dass diese Krise die Europawahl noch weiter in den Hintergrund drängt?

Kastler: Diese Haltung ist zu spüren, aber ich erlebe auch das Gegenteil: Die Krise in der Ukraine zeigt den Menschen, welch ein Erfolg die EU ist — und Frieden eben keine Selbstverständlichkeit. Unser Hauptziel war und ist: Nie wieder Krieg. Und bei allen Schwierigkeiten: Dieser Staatenbund ist so zusammengewachsen, dass ein Krieg unter den 28 Mitgliedsstaaten nicht vorstellbar ist.

Woher dann das Desinteresse?

Kastler: Vielleicht wirken diese Erfolge schon selbstverständlich. Sie sind es aber nicht. Dafür muss man etwas tun. Zum Beispiel die richtigen Leute ins Europaparlament wählen. Diese Krise kann auch Ansporn sein.

Liegt die Unzufriedenheit nicht auch am schlechten Image, Stichwort krumme Gurken? Dabei kam die Idee gar nicht von Brüsseler Bürokraten.

Kastler: Bei diesem Beispiel stellen sich mir die Nackenhaare auf. Diese Verordnung war der Wunsch der Lobbyisten aus dem Handel, unterstützt auch von der damaligen Bundesregierung. An diesem Desaster ist nicht nur Europa schuld. Seit 2009 gibt es diese Verordnung nicht mehr — einer von vielen guten Vorschlägen aus der Entbürokratisierungs-Gruppe von Edmund Stoiber.

Doch auch die CSU übt sich ja in heftiger Kritik. In ihrem gerade beschlossenen „Europaplan“ fordert sie die Halbierung der Kommission, also quasi der Regierung. Bedient das nicht all die Ressentiments, dass die EU-Verwaltung in Brüssel weitgehend überflüssig sei?

Kastler: Die Halbierung ist eine Maximalforderung. Vergleichen wir mal: Keine Regierung braucht 28 Ministerien mit 28 Ministern. Europa ist immer mehr gewachsen. Jedem Mitgliedsland einen Kommissar zu geben, macht inhaltlich aber nicht immer Sinn. Jetzt muss Europa nicht größer, sondern besser werden.

Daran haben aber viele Bürger ihre großen Zweifel. Am kommenden Samstag um 10 Uhr wird am Schwabacher Marktplatz gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA demonstriert. Warum sind Sie nicht dabei?

Kastler: Ich habe leider einen anderen Termin. Aber ich war ja bereits bei der Demo in Roth. Meine Haltung ist bekannt und klar: Ich bin nicht grundsätzlich gegen Handelsabkommen — aber ich bin gegen TTIP in dieser Form. Nach allem, was wir bisher darüber wissen, werde ich im Europaparlament dem Abkommen auf keinen Fall zustimmen. Ein Hauptgrund ist die Lebensmittelsicherheit. Da ist man in den USA weit weniger streng. Unsere hohen europäischen Standards sind nicht verhandelbar.

Eine humanitäre Katastrophe ist die Flucht von Afrika übers Mittelmeer nach Europa. Tausende sind bereits ertrunken. Italien fühlt sich im Stich gelassen. Was tun? Die Afrikaner einfach zurückschicken?

Kastler: Nein. Das ist ein Drama. Wir brauchen eine europäische Lösung, die regelt, wer welche Kontingente übernimmt. Leider hört man da nicht viel von der EU-Kommission. Deutschland leistet bereits seinen Beitrag und hilft sehr viel. Aber es gibt andere Länder, die sich sehr, sehr verwehren. Etwa Polen oder Tschechien sind da wenig kooperativ.

Von den Problemen zu den Erfolgen: Was ist der beste Beschluss des EU-Parlaments in der vergangenen Wahlperiode seit 2008?

Kastler: Eine wenig beachtete, aber durchaus historische Entscheidung ist die Bankenunion. Europa schützt unser Erspartes jetzt besser als je zuvor. Banken müssen sich künftig selber retten — und nicht mit Milliarden Steuergeldern. Und Verantwortungslosigkeit wird künftig bestraft: Manager haften persönlich. Wir haben aus der Bankenkrise gelernt.

Ihr größter Erfolg für Schwabach?

Kastler: Der ist bisher ebenfalls eher unbeachtet geblieben. Schwabach ist seit heuer bevorzugtes Fördergebiet des Europäischen Strukturfonds EFRE. Projekte — zum Beispiel im Tourismus, bei Firmengründungen oder mit unserem Blattgold — werden so besser möglich. Dass das geklappt hat, rechne ich mir mit an.

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