Schwanstetten: Ein-Stimmen-Mehrheit sorgt für Unmut

29.8.2020, 05:58 Uhr
Schwanstetten: Ein-Stimmen-Mehrheit sorgt für Unmut

© Foto: Fredrik von Erichsen/dpa

Wenn ein Gemeinderat 21 Mitglieder hat, dann reichen elf Stimmen für die Mehrheit. Soweit die Mathematik. Seit der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Schwanstetter Gemeinderats vor etwas mehr als 100 Tagen, hat diese einfache Rechnung mehrfach zu realen Entscheidungen geführt.

  • Die CSU wollte die Sitze in den Ausschüssen von neun auf acht verringern (das hätte die SPD jeweils einen Sitz gekostet): 10 zu 11, abgelehnt.
  • Die CSU wollte von der Verwaltung eine Auflistung der möglichen Mindereinnahmen wegen Corona: 10 zu 11, abgelehnt.
  • Die CSU wollte von der Verwaltung eine Berechnung, wie sich Steuerausfälle auf den Haushalt auswirken könnten: 10 zu 11, abgelehnt.
  • Die CSU wollte von der Verwaltung eine Aufstellung, welche Darlehen derzeit bedient werden müssen, wie die Zinssätze sind und wie lange diese Kredite noch laufen: 10 zu 11, abgelehnt.
  • Die SPD wollte den Haupt- und Kulturausschuss umbenennen; das Wort "Wirtschaft" sollte hinzugefügt werden: 11 zu 10, angenommen.

Es gab durchaus auch Entscheidungen, die einstimmig oder mit anderen Mehrheiten getroffen wurden. Die Häufung ist dennoch erkennbar. Wo kommt dieses 11 zu 10 her?

"Es ist ernüchternd"

Seit der Wahl hat die CSU sieben Sitze im Gremium, die SPD sechs, die Grünen vier und die Freien Wähler drei – außerdem hat Bürgermeister Robert Pfann (SPD) eine Stimme. Das führt dazu, dass SPD und Grüne gemeinsam elf, CSU und Freie Wähler (FW) zehn Stimmen haben. Alle aufgezählten Abstimmungen verliefen an dieser Konfliktlinie.


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Markus Hönig, Sprecher der CSU-Fraktion, gefällt das nicht: "Es ist ernüchternd. Wir sind die stärkste Fraktion, wir wollen etwas bewegen, wir haben schlagkräftige Argumente. Aber es hilft nichts." Besonders die Ablehnung des "Haushalts-Stresstests" in Corona-Zeiten stößt ihm sauer auf, diese Vorsichtsmaßnahme werde schließlich in vielen anderen Gemeinden getroffen.

Kremer oder Engelhardt?

Auch FW-Sprecher Peter Weidner ärgert die Situation: "Da geht es nicht um Inhalte, sondern darum zu zeigen: Wir machen, was wir wollen." Die Freien Wähler stören sich besonders an einer Personalie. Mit 11 zu 10 Stimmen wurde Mario Engelhardt (Grüne) zum neuen Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschuss gewählt, Jürgen Kremer (FW) war langjähriger Amtsinhaber und Gegenkandidat. "Er hat seine Arbeit immer ordentlich gemacht", sagt Weidner. Seine Abwahl "hat uns schwer zu denken gegeben". Es bleibt allerdings anzumerken, dass die Abstimmung geheim abgehalten wurde. Es ist also nicht klar, ob auch hier Rot-Grün gegen Schwarz-Blau gestimmt hat.

Beide, Hönig und Weidner, wollen den Kopf nicht in den Sand stecken und mit Sachpolitik überzeugen. Weidner würde sich von der "anderen" Seite, auch vom Bürgermeister, mehr Kommunikation wünschen.

Achselzucken auf der Gegenseite

Aufseiten der SPD und der Grünen zuckt man bei dieser Forderung mit den Achseln. Beide Fraktionssprecher, Jobst-Bernd Krebs (SPD) und Mario Engelhardt (Grüne), betonen ihre Gesprächsbereitschaft. Man müsse nur auf sie zugehen. Beide räumen allerdings auch ein, dass die Kommunikation zwischen SPD und Grünen derzeit besonders gut funktioniert.

Der 2. Bürgermeister etwa ist weiterhin ein Grüner, Wolfgang Scharpff. Die CSU hatte Harald Bengsch gegen ihn ins Rennen geschickt. Der parteilose Bengsch hatte vor der Wahl die Seiten gewechselt, von der SPD-Fraktion zur CSU-Fraktion. "Eine Provokation" sei es gewesen, ihn zu nominieren, sagt Mario Engelhardt. "Die CSU hat sich damit verkalkuliert", findet Jobst-Bernd Krebs. Auch die Freien Wähler sind bei dieser Personalie von der Seite der CSU gewichen, sie gaben ihre Stimmen Ron Gürtler (FW).

Markus Hönig erklärt die Nominierung von Bengsch mit dessen Expertise in Finanzfragen, außerdem: "Der 2. Bürgermeister muss kein Handlanger des Bürgermeisters sein." Womit Hönig auf die Differenzen Bengschs mit Bürgermeister Pfann anspielt.

"Wir haben einen guten Draht"

Die gute Zusammenarbeit zwischen Pfann und Scharpff steht demgegenüber sinnbildlich für die Harmonie, die zwischen SPD und Grünen derzeit herrscht. "Wir haben einen guten Draht, der in den letzten Jahren gewachsen ist", betont auch Jobst-Bernd Krebs. Die CSU habe mit ihren sieben Sitzen nun einmal keine eigene Mehrheit, sie müsse sich Mehrheiten suchen.

Mario Engelhardt gibt sich selbstbewusst. Man habe schließlich zwei Sitze hinzugewonnen. Früher seien die Grünen oft alleine dagestanden, nun habe man bessere Möglichkeiten, die eigene Politik durchzusetzen. Man werde von der prozentual stärkeren SPD eben nicht wie ein Juniorpartner behandelt, die Kommunikation mit CSU und Freien Wählern sei schwieriger.

(Noch) Nichts Weltbewegendes

Markus Hönig und Peter Weidner halten dagegen: Die "11-zu-10-Politik" müsse aufhören, die Gegenseite solle zur sachlichen Auseinandersetzung zurückkehren und dabei nicht als erstes auf die Parteilinien blicken.

Hat der Schwanstetter Gemeinderat ein Kommunikationsproblem? Nachdem bisher keine weltbewegenden Entscheidungen getroffen wurden, wird sich das erst in den nächsten Monaten zeigen. Stromtrasse, Wochenendhausgebiet, Badeweiher, Flächennutzungsplan, Feuerwehrhaus – es stehen einige echte Weichenstellungen für die Zukunft an.

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