Tourenklub lockte die Bayern-Rundfahrt in den „Norden“

30.12.2015, 09:16 Uhr
Tourenklub lockte die Bayern-Rundfahrt in den „Norden“

© Archiv: Manfred Marr

Denn denn für sie bedeutet die Absage der Bayern-Rundfahrt zugleich, dass es damit nach 26 Jahren auch keine Fortsetzung des Rennens „Rund um die Nürnberger Altstadt“ mehr gibt. Dieses Rennen war seit 2013 dreimal mit dem Finale der Bayern-Tour verbunden.

„Nachdem uns 300.000 Euro für die Finanzierung fehlten, blieb keine andere Wahl als die Absage“, bedauert Rundfahrtchef Ewald Strohmeier, der jedoch hofft, dass er die international renommierte Radsport-Großveranstaltung 2017 wieder durchführen kann.

Ein Rückblick

Die Rundfahrt hat sich im Laufe von drei Jahrzehnten vom bescheidenen Seniorenrennen zu einem echten Weltklasserennen entwickelt, wie der folgende kleine Rückblick zeigt.

„1. Südbayern-Rundfahrt über vier Etappen für Fahrer ab 35 Jahre.“ Diese Ankündigung war 1980 ein absolutes Novum. Eine Rundfahrt nur für Radsportsenioren — das hatte es in Deutschland noch nicht gegeben. „Ist das wirklich euer Ernst?“, wurde Initiator Ewald Strohmeier damals ungläubig und oft sogar spöttisch oder mitleidig gefragt. Doch der damals 30-jährige Wartenberger, der einst als Amateur selbst im Rennsattel saß, ließ sich nicht beirren.

Auch seine Sportkameraden vom RC Weiß-Blau München, die ihn bei der Organisation und Durchführung halfen, waren von der Idee restlos begeistert.

Premiere mit 64 Fahrern

Und die zahlreichen Meldungen sprachen für sich: Am 14. Juni 1980 gingen 16 Vereinsmannschaften mit insgesamt 64 Fahrern an den Start! Erster Gesamtsieger der neuen Rundfahrt war nach vier Etappen der mehrfache deutsche Ex-Meister Ruppert Kratzer aus München.

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© Archiv: Manfred Marr

Die Seniorenmannschaft des RC Herpersdorf mit Heinz Winkelmann, Siegmar Naujoks, Fritz Horn und Peter Pohl holte den ersten Sieg in der Teamwertung nach Nürnberg!

Bereits bei ihrer dritten Austragung 1982 machte die neue Rundfahrt erstmals einen Abstecher in den Norden Bayerns, den die fränkischen Radsportfans dem Schwabacher Manfred „Mecki“ Wagner zu verdanken hatten. Als einziger Radsportverein nördlich der Donau erklärte sich damals der Tourenklub unter der Leitung von Wagner bereit, einen Abschnitt der Seniorenrundfahrt mit dem Etappenziel Schwabach zu übernehmen.

Genau 20 Jahre später sorgte Wagners Nachfolger Rudolf Pühringer 2002 dafür, dass Schwabach erneut Etappenort einer Bayern-Rundfahrt wurde.

Beinahe das Ende

Doch zurück zu den ersten Rundfahrtjahren. Aus der zunächst noch sehr bescheidenen „Südbayern-Rundfahrt“ entwickelte sich innerhalb von nur vier Jahren die „Internationale Bayern-Rundfahrt“ an der 1984 bereits 92 internationale Seniorenfahrer aus ganz Europa teilnahmen. Mit rund 50 Ehrenamtlichen, Mitarbeitern und Funktionären aus allen sieben Radsportbezirken Bayerns hatte Ewald Strohmeier Jahr für Jahr seine populärer und perfekter werdende Senioren-Rundfahrt immer besser im Griff.

Trotzdem gab es nach acht Jahren plötzlich ein riesiges Problem. Der Radsport-Weltverband UCI hatte die Altersgrenze für Senioren von 35 auf 40 angehoben. Das hätte fast das Ende der Rundfahrt bedeutet, denn Strohmeier war sofort klar, dass er mit Fahrern von über 40 Jahren kaum Chancen hatte, Sponsoren zu gewinnen und die Medien zu begeistern. Doch aufgeben kam für den agilen Radsportenthusiasten nicht in Frage.

Flucht nach vorne

1989 wagte er die Flucht nach vorne und ließ die Bayern-Rundfahrt nun erstmals für Amateure und – das war damals sensationell – zugleich „Open“ ausschreiben. Neben acht internationalen Spitzenmannschaften der Amateure lud man auch drei Profiteams ein.

Dieses gewagte Konzept ging prächtig auf: Nach sechs sehr kampfbetonten und spannenden Etappen gewann mit dem Frankfurter Kai Hundertmarck ein Amateur des deutschen Nationalkaders vor dem belgischen Profi Koen van Rooy. Hans Knauer von der RSG Nürnberg belegte den dritten Platz.

Die Popularität der Bayern-Rundfahrt war damit enorm gestiegen. Ewald Strohmeier bekam in den folgenden Jahren immer mehr Probleme, die Meldungen der vielen Teams unterzubringen.

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Jährlich immer größer wurde das Interesse der fränkischen Fans auch durch die Etappen-Orte Zirndorf, Erlangen, Ansbach, Gößweinstein, Schwabach, Coburg, Bamberg, Neustadt/Aisch, Forchheim und Höchstadt, zumal ab 1991 die Cracks der RSG Nürnberg – des späteren „Team Nürnberger“ – bei der Bayern-Rundfahrt als Lokalmatadore nun alljährlich kräftig mitmischten. 1993 holte sich Alex Kastenhuber, der Bergspezialist der RSG Nürnberg, den Gesamtsieg.

Stammgast Erik Zabel

Den größten Schub in ihrer 36-jährigen Geschichte erlebte die Bayern-Rundfahrt 1997, als fünf namhafte Profi-Mannschaften der ersten Kategorie – darunter das Team Telekom – ihre Teilnahme meldeten. Mit Kapitän Erik Zabel, der nun auch die bayerischen Fans mit Etappensiegen begeisterte, brach endgültig echtes Tourfieber bei der Bayern-Rundfahrt aus, das noch größer wurde, als 1999 auch Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich startete.

Erik Zabel, der mit seinen 18 Etappensiegen einen Rekord aufstellte, wurde zum Stammgast in Bayern.

Superstars am Start

Die Radsportfans waren happy und zu Tausenden an den Strecken und Etappenorten. Auch vom Radsport-Weltverband „UCI“ erhielten die Organisatoren größtes Lob und 1999 die Einstufung in die zweithöchste Kategorie der internationalen Rundfahrten. Absolute Top-Mannschaften, echte Superstars des Radsports waren nun alljährlich selbstverständlich.

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Unter ihnen die Straßen- und Zeitfahr-Weltmeister Johan Museeuw, Paolo Bettini, Thor Hushovd, Bert Grabsch, Fabian Cancellara und Tony Martin sowie die Tour-de-France-Sieger Cadel Evans und Bradley Wiggins.

Erfolgreichste Teilnehmer der Bayern-Rundfahrt waren mit jeweils drei Gesamtsiegen der Freiburger Michael Rich und der Berliner Jens Voigt. Zu den prominentesten Etappen- und Gesamtsiegern zählten neben Erik Zabel auch André Greipel, Olympiasieger Uwe Peschel, Rolf Aldag, Andreas Klöden, Gerald Ciolek, Michael Rogers, Alessandro Pettacchi und Stundenweltrekordler Alex Dowsett, der 2015 die letzte Austragung gewann.

Lokalmatador Degenkolb

Gefeierter und beliebter bayerischer Lokalmatador ist seit seinem Debüt 2011 John Degenkolb, der bisher drei Etappen gewann. „Für mich war die Bayern-Rundfahrt immer etwas besonderes, eben mein wichtiges Heimspiel, bei dem ich immer wieder gerne gefahren bin“, betont der Wahl-Frankfurter, der in der Nähe von Weißenburg aufwuchs und als 12-Jähriger mit dem Radsport begann.

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Nach der Absage zeigte auch er sich sehr enttäuscht: „Ich finde es jammerschade, dass es diese herrliche Rundfahrt 2016 nicht mehr gibt. Ich hoffe mit Ewald Strohmeier, dass sie 2017 wieder stattfindet!“

Auch beim Tourenklub Schwabach ist man zuversichtlich. „Dass die Bayern-Rundfahrt, die immer eng mit unserer Region verbunden war, endgültig aus dem Rennkalender verschwindet, kann ich fast nicht glauben. So wie ich Ewald Strohmeier kenne, bringt er diese großartige Radsport-Veranstaltung wieder zurück“, äußert sich auch Tourenklub-Chef Rudolf Pühringer optimistisch.

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