Unterreichenbach und der Waldkindergarten auf Zeit

14.5.2018, 13:00 Uhr
Unterreichenbach und der Waldkindergarten auf Zeit

© Fotos: Robert Schmitt

In Wolkersdorf wird in absehbarer Zeit ein Waldkindergarten entstehen (wir berichteten). Die Stadt Roth plant ein ähnliches Projekt. Der Evangelische Kindergarten Unterreichenbach aber war diesen Initiativen eine Nasenlänge voraus. Zumindest für zwei Wochen:

Vom 30. April bis zum 11. Mai haben etwa 80 Zwei- bis Sechsjährige ihre Kindergartenzeit am Vormittag in einem knapp anderthalb Hektar großen Waldstück etwa einen Kilometer südlich des Schwabacher Stadtteils verbracht. Betreut, inspiriert und beaufsichtigt von jeweils 13 Erzieherinnen, Kinderpflegerinnen und Eltern haben die Kinder dort Natur hautnah erlebt.

Neue Bäume gepflanzt

Dabei handelte es sich um eine Initiative von Kindergartenleiterin Stefanie Osterrieder, die Pfarrer Werner Konnerth leicht unterstützen konnte. Schließlich existiert in seiner Pfarrei mit dem "Grünen Gockel" schon lange eine eigene Umwelt- und Naturschutz-Gruppe, die bereits zahlreiche eigene Aktionen gestartet und weitere unterstützt hat. Dafür ist sie bereits mit dem Naturschutzpreis der Stadt Schwabach ausgezeichnet worden. Ein Mitglied ist Harald Hübner, der dem Kindergarten seinen Wald zur Verfügung gestellt und mit den Kids neue Bäume gepflanzt hat.

"Es ist traumhaft hier", sagt Stefanie Osterrieder. Der Wald biete vieles nebeneinander: eine große Lichtung für Morgen- und Abschlusskreis, alte und hohe Bäume, Unterholz und auch eine dichte Neuanpflanzung bildeten eine ideale Erfahrungsfläche für die vier Gruppen des Kindergartens. Neben konkreten Spiel- und Bastelangeboten können die Kids das Gelände auch unabhängig erkunden. Für Sicherheit ist dabei ausreichend gesorgt. Regelmäßig patrouillieren zwei Mitarbeiterinnen um den abgegrenzten Baumbestand. Für die Kinder waren lediglich die ersten Stunden ungewöhnt. "Dann haben sie sich immer sicherer und vertrauter bewegt", so Osterrieder.

Mehr Körperbeherrschung

Nicht nur im übertragenen Sinne. Beim Toben und Tänzeln zwischen morschen Ästen, weichem Moos und stacheligem Brombeergestrüpp werden auch Kraft, Motorik und Körperbeherrschung geschult.

Unterreichenbach und der Waldkindergarten auf Zeit

Das Team um Stefanie Osterrieder hat in der naturnahen Außenstelle seines Kindergartens ganze Arbeit geleistet. In einem Bauwagen konnten die Pädagoginnen alles verstauen, was man für Normal- und Notsituationen braucht. Von der Verpflegung und Werkzeug über Medikamente und Verbandsmaterial bis hin zu Windeln für die Kleinsten. Das Klopapier für die selbstgebaute Toilette war dort ebenfalls zu finden.

Unweit dieses Lagers war die Wald-Werkstatt eingerichtet worden. Dort traf man sich zum Basteln und Schnitzen rund um sämtliche Naturmaterialien des Walds. Wieder ein Stück weiter machte es sich eine Gruppe im Tipi nach Indianer-Art bequem. Die Kids hatten zunächst versucht, das Holz-Zelt alleine zu bauen. Als es einstürzte, holten sie sich Hilfe, und es gelang ganz vorzüglich.

Wichtige Gespräche

"Die Kinder werden selbständiger, beschäftigen sich eigenständig und bilden auch neue Freundschaften und Gruppen", hat Osterrieder in den zehn Tagen erlebt. "Wir führen hier wichtige Gespräche", musste sich die Kindergarten-Chefin einmal von ihren Schützlingen entgegenhalten lassen. Dennoch: Wenn Mittags die Trillerpfeife ertönt kommen alle schnurstracks und zuverlässig zur Lichtung. Im Abschlusskreis singt man ein letztes Lied, ehe es heißt: Abmarsch. Zurück in den Kindergarten.

Das erfordert Mut

Pfarrer Werner Konnerth ist begeistert von der Projektkooperation seines Kindergartens mit dem "Grünen Gockel". "Das ist innovative Bildungsarbeit, die Mut erfordert", ordnete er die Aktion aus seiner Sicht ein. Sie vermittle Werte, für die die evangelische Kirche stehe. "Die Kinder erleben die Schöpfung. Sie lernen, sie wertzuschätzen und achtsam zu sein", so Konnerth. Ebenso werde soziale Kompetenz vermittelt: "Alle achten aufeinander und helfen sich gegenseitig." Eltern und Erzieher hätten hier in idealer Weise zusammengearbeitet. "Ein großes Lob an das Team", so der Pfarrer.

Unterreichenbach also ein Vorreiter? Ein bisschen schon. Denn wie anders sollte man die absichtliche Symbiose von Kindergarten und Wald nennen als "Waldkindergarten".

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